Die 11 besten Personalmarketing-Aktionen der letzten 11 Jahre

Es gab mal eine Zeit, da hieß der ESC noch Grand-Prix Eurovision de la Chanson. 1980 trat da ein Ire namens Johnny Logan an – der sah so ein bisschen aus wie Patrick Swayze (den ja aber auch nur die älteren Semester unter uns noch kennen, oder…?) – und gewann mit dem Titel „What´s another year?“

So fühle ich mich mittlerweile auch manchmal: Mal wieder ein Jahr rum, aber hey: What´s another year?

Letztes Jahr so ungefähr zu dieser Zeit wurde der Recrutainment Blog zehn Jahre alt. Wir haben damals aus der Szene viele Glückwünsche bekommen, weshalb ich finde, dass jetzt, ein Jahr später und mithin zum elften Geburtstag des Blogs wir an der Reihe sind, etwas zurückzugeben.

Und da habe ich mir gedacht, ich versuche es mal mit einer so richtig reißerischen, fast schon nach Clickbait klingenden Überschrift.

Ich hatte erst überlegt, die Story mit

Die Recruiterin stand vor einem kniffligen Problem – Ihr werdet nicht glauben, was dann geschah…

zu überschreiben. Als Hintergrundbild wählt man dann zum Beispiel eine Schwimmerin mit panischem Gesichtsausdruck, wo hinter ihr irgendein fieses Reptil zu sehen ist…

Aber das war mir dann doch zu weit draußen. Das spar ich mir für die Zeit, wenn mir wirklich nichts mehr einfällt oder die Personalgewinnung so geschmeidig läuft, dass wir unsere Mission als erfüllt ansehen können.

Nein, es sind also die elf besten Personalmarketing-Aktionen der letzten elf Jahre geworden. Das klingt gleich nach viel positiver Psychologie, da ist der Nico Rose bestimmt stolz auf mich… ;-)

Ich muss allerdings dazu sagen, dass ich nicht nur Personalmarketing-Beispiele meine, sondern insgesamt Gelungenes aus dem Bereich der Personalgewinnung. Recruiting und Employer Branding also inklusive.

Und: Die Liste ist weder abschließend, vollständig noch objektiv. Vielleicht habe ich echte Knüller übersehen oder schlichtweg vergessen (bei jemandem, der sich aktiv an Johnny Logans Auftritt 1980 erinnern kann, müsst Ihr nachsichtig sein, was das angeht). Außerdem sind es Beispiele, die ich gut fand/finde. Andere müssen diese Meinung natürlich nicht teilen…

So genug der Vorrede. Hier sind sie also:

Die 11 besten Personalmarketing-Aktionen der letzten 11 Jahre!

1. Googles Billboard Riddles

Ha, da geht´s schon los. Das Beispiel der Google Billboard Riddles stammt nicht aus den letzten elf Jahren, sondern schon aus 2004. Aber es ist zeitlos, x-mal kopiert und meines Erachtens aktueller denn je. Außerdem habe ich es erst 2012 verbloggt…

Google hängte am Highway 101 Plakate auf, die Rätsel zeigten. Die Lösung dieser Rätsel führte zu einer Website, die zu weiteren Rätseln führte usw. Am Ende der Schnitzeljagd stand dann der Job bei Google, für den man sich im Prinzip durch die Lösung der Rätsel schon als geeignet erwiesen hatte…

Mit Google Foobar legte Google dann einige Jahre später 2015 eine zeitgemäße digitale Variante des gleichen Gedankens nach und unterstrich dadurch noch einmal deutlich die große Bedeutung der Selbstselektion im Recruiting.

2. „Karriere an der Front statt Backoffice in der Großkanzlei“

Aus dem Jahr 2012 stammt die Stellenanzeige der (eher kleinen) Hamburger Rechtsanwaltskanzlei Oberthür.

Eigentlich überhaupt nicht spektakulär aber eben einfach gnadenlos ehrlich und mit einem hanseatischen Augenzwinkern auch noch ganz amüsant. So bereitete diese Anzeige im Prinzip den Boden für einen Trend, dem Gott sei Dank mittlerweile immer mehr Arbeitgeber (wenngleich immer noch viel zu wenige) folgen:

Schenkt dem Bewerber reinen Wein ein (dann gibt es im Anschluss für alle Beteiligten weniger böse Überraschungen). Gutes Arbeitgebermarketing ist nämlich eben NICHT Everybody´s Darling

3. „Den Gebrauch eines Deos und der Waschmaschine du kennst…“

In die gleiche Kerbe schlug dann Ende 2016 dieser Aushang in einem DB-Store am Bahnhof Pankow.

Ich meine, klarer kann man sich eigentlich nicht mehr ausdrücken. Und dass dieses Fundstück seitdem immer wieder in leichten Variationen auftaucht und immer wieder viral geht – mannomann, wer das alles erfunden haben soll, zuletzt eine Steuerberatung aus Ostfriesland… – unterstreicht ja eigentlich nur die Qualität der Idee.

4. Who Cares?

Überhaupt, Ehrlichkeit. Oder sagen wir mal anders: Jemanden im Vorwege möglichst gut „spüren lassen“, was den Beruf oder die Tätigkeit ausmacht und wie sich der Job anfühlt, ist ein Grundmerkmal guten Arbeitgebermarketings. Nicht aus Gutmenschentum (na gut, das auch, denn es ist einfach fairer), sondern vor allem um schlichtweg bessere, Im Sinne von besser passende Bewerber, zu bekommen.

Und somit viel Geld für Recruiting, Onboarding, Einarbeitung, Trennung, Kündigung usw. usf. zu sparen.

Wie man das auf unglaublich gute Weise machen kann, zeigte die Kampagne Who Cares? der Swedish Armed Forces im Jahr 2014.

Menschen lassen sich in eine Box einsperren und können erst wieder raus, wenn sich jemand anderes „opfert“ und sich selber einsperren lässt. Viel direkter kann man glaube ich Menschen auf der Straße kaum am eigenen Leib spüren lassen, was es bedeutet Soldat zu sein…

5. Vielfalt, MANN!

Gerade mal zwei Wochen ist es her, dass ich einen Artikel über „den Fachkräftemangel“ geschrieben habe. Ein paar Tage später stehe ich in der Kita meiner Tochter, um sie abzuholen und da springt mich folgender Aushang an:

Stelle zu besetzen. Null Bewerber.

Man kann trefflich diskutieren, ob es nun daran liegt, dass es keine Bewerber gibt oder ob die Unternehmen nur kreativer werden müssen, die Bewerber auch zu erreichen und zu überzeugen oder ob schlichtweg die Bezahlung und Arbeitsbedingungen für Erzieher verbessert werden müssen. Fakt ist: Im Moment gibt es hier ein akutes Problem.

Und wenn das nicht gelöst wird, dann gibt es nicht nur einen Erzieher-Mangel, sondern dann kann es auf Sicht kein adäquates Betreuungsangebot geben. Das wird aber benötigt, wenn man an die „Stillen Reserven“ des Arbeitsmarkts ran will, die auch in anderen Berufen dringend benötigt werden.

Nun, meine Tochter hat mittlerweile zwei männliche Erzieher (50% des Betreuungsschlüssels ihrer Gruppe). Und dass das inzwischen gar nicht mehr eine so exotische Ausnahme in Hamburg ist, lässt sich sicherlich auf die zeichensetzende und überaus erfolgreiche Kampagne Vielfalt, MANN! der Hamburger Kita-Träger und des Paritätischen Wohlfahrtsverbands aus dem Jahr 2011 zurückführen.

So jedenfalls lassen sich Gender-Stereotype sehr gut aufbrechen und neue Arbeitsmarktpotentiale erschließen, die manchen Berufsbildern vorher verschlossen waren.

6. Ich glaube es hackt!

Wo wir gerade bei Fachkräftemangel sind. Eines der Gewerbe, bei denen sich akut ein dramatischer Mangel an Nachwuchs abzeichnet, ist das Fleischereigewerbe. Es will schlichtweg niemand mehr Metzger oder Fleischereifachverkäufer werden.

Da ging es auch der Freisinger Metzgerei Hack nicht besser. Statt sich aber wehrlos dem vermeintlichen Schicksal zu fügen, wurde man hier 2016 kreativ.

Nun, die Kampagne hat nicht jedem geschmeckt (wie war das oben mit „Everybody´s Darling?) und ich gebe zu, speziell vor dem Hintergrund der aktuell heiß geführten Sexismus-Debatte segelte die Kampagne, um es mal so zu sagen, „hart am Wind“. Aber ich finde, es gehört eben auch der Mut dazu, Grenzbereiche auszuloten und hier wurde die Grenze des Vertretbaren meines Erachtens (und offenbar auch nach Meinung sehr vieler Kommentatoren) nicht überschritten.

Zudem: Die Kampagne war nicht nur kommunikativ ZIEMLICH erfolgreich. Sie war auch effektiv. Die Metzgerei hat daraufhin zahlreiche Bewerbungen erhalten und konnte die Stellen besetzen.

6. Unsichtbare Talente

Nicht so hart am Wind, dafür umso kreativer – die Kampagne „Unsichtbare Talente“, die der liebe Jörg Buckmann seinerzeit seinem Damals-Noch-Arbeitgeber, den Verkehrsbetrieben Zürich, 2015 quasi als Abschiedsgeschenk da ließ.

Hierbei wurden Menschen – echte Mitarbeiter der VBZ – so kunstvoll geschminkt und in der Stadt fotografiert, dass diese nahezu unsichtbar wurden. Die Message: Diese Menschen sieht man (fast) nie, aber sie sind da und sorgen für den reibungslosen Ablauf des Öffentlichen Nahverkehrs.

Und da wir hier über ein Schweizer Verkehrsunternehmen sprechen, ist „reibungslos“ ausnahmsweise auch mal nicht geprahlt…

7. IKEA mit Montageanleitungen für Jobs (und sehr kreativen Stellenanzeigen)

Okay, hier schummel ich ein bisschen und packe zwei Sachen in eine… Aber ich konnte mich nicht entscheiden, welches der beiden IKEA Beispiele ich für diese Auswahl nehmen soll.

Erstens: Diese wirklich grandiose und im besten Sinne zeitlose Stellenanzeige des IKEA Möbelhauses in Köln…

…oder die Montageanleitung für einen neuen Job, mit der IKEA Ende 2011 den kreativen Personalmarketingvogel abschoss. Assemble your future„, bau dir deine Zukunft. Es ist so naheliegend wie genial, die Personalwerbung einfach dem Möbelpaket beizulegen und so das Möbelpaket zum Medienkanal zu machen… Kostet nämlich auch nicht viel (außer Hirnschmalz natürlich…).

8. #24hPolizei

Apropos kostet nicht viel, außer Hirnschmalz. Damit kann definitiv auch die Aktion punkten, die die Berliner Polizei unter dem Hashtag #24hPolizei Ende 2014 bei Twitter veranstaltete.

24 Stunden lang wurde aus der Einsatzleitzentrale live alles getwittert, was die Beamten auf der Straße so erlebten und in die Leitzentrale funkten. Das Ergebnis: Jeder konnte quasi live miterleben, was „die Polizei“ typischerweise in 24 Stunden so erlebt. Für noch mehr Realistic Job Preview müsste man dann wahrscheinlich schon im Streifenwagen mitfahren…

Das war nicht nur in dem Sinne erfolgreich, dass alle möglichen Medien (nicht nur solche Giganten wie der Recrutainment Blog, sondern auch eher kleinere Zeitungen oder Magazine wie SPIEGEL, ZEIT oder Süddeutsche) das Thema aufgriffen, sondern auch dass nach und aufgrund der Aktion ein sprunghafter Anstieg der Bewerberzahlen zu verzeichnen war.

9. ElVi´s Ausbildungsfinder

HR Excellence Award als HR Innovation des Jahres 2015, Personalmarketinginnovation des Jahres 2016 – wirklich überraschend taucht das Matching-Tool des Bundesarbeitgeberverbands der Chemie also hier auf der Liste nicht auf…

23 einfache Fragen nach dem „Yay-or-Nay-Prinzip“ auf dem Smartphone beantwortet und schon spuckt einem das Tool die persönliche Passung zu den etwas über 30 maßgeblichen in der chemischen Industrie angebotenen Ausbildungsberufen aus.

Sehr einfach (dauert ca. 2 Minuten), sehr zielgruppenaffin (Schüler), sehr erfolgreich. Vorbild für viele Matching-Tools, die in den letzten Jahren auf den Markt kamen und helfen, die Berufsorientierung junger Menschen zu verbessern.

10. Der Wimmelbus von VOITH als wahrlich „mobiler Recruiter“

Der Automobilzulieferer VOITH bemalt Anfang 2015 ein Baustellenfahrzeug mit Szenen aus dem Leben eines (VOITH-)Azubis und versteckt darauf zudem zahlreiche QR-Codes und Augmented Reality-Elemente, die zu weiterführenden Informationen führen.

Auf dem Bus wimmelt es also von Inhalten. Und dieser Bus fährt dann in der Region rum, zu Messen, zu Veranstaltungen, überall dorthin, wo man die potentielle Zielgruppe vermuten könnte.

Klingt sehr um die Ecke gedacht. War es auch. War aber auch sehr erfolgreich. Ob es den Bus heute noch gibt, weiß ich nicht. VOITH gibt es in der Form wie damals ja auch nicht mehr und auch der Wimmelbus-Erfinder Michael Witt wandelt inzwischen auf anderen beruflichen Pfaden. Die Idee und Ausführung bleiben aber zeitlos gut…

11. Livestreaming in der Stellenanzeige – Helvetia macht´s

Kommen wir zum Abschluss. Nummer 11 (nicht „Platz“ 11, denn die Liste ist kein Ranking) geht an die Helvetia. Das ist nun noch ein sehr junges Beispiel, gerade einmal vier Monate alt. Aber für die Auszeichnung als „HR Innovation des Jahres 2017“ bei den HR Excellence Awards hat es schon gereicht. Und auch wenn die Truppe um Simone Lazarus und Martin Maas uns und unserem Kulturmatcher damit den begehrten Pott knapp vor der Nase weggeschnappt hat, bringe es über mich, die Qualität dieser Idee als das zu würdigen, was sie ist: Schlichtweg gut.

In der Stellenanzeige wird direkt eine Art „Sendetermin“ veröffentlicht, zu dem dann das Team, die potentiellen zukünftigen Kollegen auf Sendung gehen (per Livestream) und dem potentiellen neuen Mitarbeiter Rede und Antwort stehen zum Job, zur Kultur und allem anderen, was wichtig ist, aber oft eben nicht in der Stellenanzeige steht: Wie ist der Team-Fit, was sollte jemand mitbringen, wie geht man miteinander um, wie wird geführt, wie beschreibt die Führungskraft selber den eigenen Führungsstil, duzt oder siezt man sich, wie ist der Dresscode usw.?

Das ist so gar nicht um die Ecke gedacht, das ist sowas von geradeaus, dass man sich fragt, warum „Livestreaming-Stellenanzeigen“ nicht schon längst Standard sind…

Aber wie so oft im Leben gilt auch hier: Es gibt nichts Gutes. Außer man tut es…

So. Isch habe fertig.

Das waren elf. Ich hätte die Liste doch noch deutlich verlängern können. Wenn man mal ins Archiv hinabsteigt, dann stellt man fest wie viele gute Ideen es über die Jahre so gegeben hat. Na mal sehen, vielleicht mache ich demnächst einfach ganz dreist noch eine Best-Of-Sammlung und nenne die dann „die 18 besten Recruiting-Lifehacks für 2018“ oder so…

Ihr werdet es mitbekommen (und wenn Ihr Euch für den Newsletter anmeldet – oben rechts – dann sogar frei Haus). Stay tuned.

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