DER Klassiker des Blended Recrutainment: Googles Billboard Riddles

Recrutainment, also die spielerisch-simulative Verpackung von Arbeitgebermarketingbotschaften oder Rekrutierungsinstrumenten, ist momentan quasi jeden Tag irgendwo in der Presse.

Am Wochenende war es gerade wieder FAZ in der Sonntagszeitung einen großen Artikel auf der Titelseite des Bereichs “Beruf und Chance” wert. Der Titel “Zocken bis zur Festanstellung” war zwar ein bißchen reißerisch, wodurch das Thema (entgegen des Inhalts des Artikels) leider mal wieder in der eher “nicht so ernsthaften Ecke” positioniert wurde. Auch brachte man das Kunststück fertig, CYQUEST in dem Artikel kein einziges Mal zu erwähnen, was mir doch ein wenig so vorkam wie ein Beitrag über Mobiltelefone ohne Apple… ;-). Gleichwohl zeigte der Beitrag einmal mehr die inzwischen substantielle Bedeutung des Themas.

Recrutainment differenziert sich immer mehr aus

Da ist einmal die Unterscheidung in Offline- und Online-Varianten. Online ist das was CYQUEST macht. Gelungene Beispiele für Offline-Recrutainment kommen immer wieder von Young Targets aus Berlin, zuletzt sehr schön an dem Beispiel des CodeCachings in Karlsruhe unter Beweis gestellt (was im Übrigen gar kein sooo neues Thema ist, wir haben über die erste Runde dieser Aktion für 1&1 ja schon vor über 2 Jahren berichtet…).

Online-Recrutainment wiederum gliedert sich erstens auf in die Applikationen, die wirklich der Personalauswahl dienen. Damit sind im Wesentlichen Online-Tests (eAssessment, Online-Assessment) gemeint, wenn diese nicht als langweilige Aneinanderreihung von Testformularen daher kommen, sondern interessant, kurzweilig, simulativ und zuweilen sogar spielerisch verpackt sind. Beispiele hierfür gibt es zuhauf: Tchibo, Targobank, E.ON, Gruner+Jahr, TenneT, Media-Saturn, Unilever. Es gibt zwar Stimmen im Markt, die ernsthaft behaupten, dass eine ansprechende Verpackung und die Gewährung von Einblicken ins Unternehmen von der Ernsthaftigkeit der Tests ablenken würden. Ich konnte diesem Argument zwar nie folgen, aber bitte, wer gern seine Bewerber mit langweiligen und staubtrockenen Tests quält, statt seine Arbeitgebermarke darüber zu stärken, auch für den gibt es Anbieter…

Zweitens zählen aber auch und vor allem diejenigen Applikationen zum Online-Recrutainment, die auf spielerisch-simulative Weise versuchen Einfluss darauf zu nehmen, dass sich überhaupt möglichst passende Personen als Kandidaten zu erkennen geben, sprich bewerben. Hier wird also noch früher angesetzt mit der Zielsetzung, die BewerberSELBSTSELEKTION zu stärken. Stichworte: SelfAssessment, Realistic Job Preview…). Hierunter fallen Instrumente, die die Fragen beantworten, ob man zu einem gewissen Unternehmen passt (z.B. Fresenius Navigator, Haniel Werte-Kompass) genauso wie diejenigen, die die Frage beantworten, was sich hinter einem gewissen Berufsbild verbirgt (z.B. RWE, DAK, Stadt Hamburg etc.). Wer das genauer wissen möchte, dem sei diese Begriffsklärung ans Herz gelegt.

Man muss kein großer Prophet sein, um zu erkennen, dass all diese Unterscheidungsmerkmale zunehmend fließend ineinander übergehen werden. Die Frage, ob “Mobile” denn nun Offline, Online, beides oder gar eine eigene Kategorie sei, ist ja so einfach nicht zu beantworten… All die Dinge, die wir unter Augmented Reality diskutieren, verwischen die klaren Grenzen zusehends. Es wird zunehmend zu hybriden Formen des Recrutainments kommen – ich nenne das “Blended Recrutainment”.

Google´s Billboard Riddles

Ein Klassiker des Blended Recrutainment, auf den auch in diesem Zusammenhang oft Bezug genommen wird, stammt von Google und zwar aus dem Jahr 2004! Wohlgemerkt: Das war vor dem Börsengang von Google, das Unternehmen wurde mit etwa 1000 Mitarbeitern mit etwa 2,7 Mrd. Dollar bewertet (aktuell bewegt sich dieser Wert auf das knapp 100-fache davon zu…).

Was hat Google damals gemacht?

Am vielbefahrenen Highway 101 (einer der Lebensadern des Silicon Valley, ich kann mich aus der Berkeley-Zeit sehr gut daran erinnern, andere kennen ihn vielleicht aus OC California – Driving down the 101, California here we come…) hat Google seinerzeit riesige Billboards platziert, die als einzigen Inhalt ein kryptisches Rätsel zeigten. Kein Branding, kein Claim, kein Call-for-Action. Das Billboard zeigte lediglich folgende verschlüsselte Website:

Für die mathematischen Dösel unter uns (zu denen ich mich selber definitiv auch zähle): Die Lösung lautete: 7427466391.com. Müsst Ihr jetzt nicht ausprobieren, die Seite gibt es nicht mehr. Wer aber damals in der Lage war, dieses Rätsel zu lösen (worüber würde man das wohl tun? Googlen…), der fand auf der sich dann öffnenden (immer noch nicht gebrandeten) Website erneut ein Rätsel ähnlichen Kalibers vor. Dessen Lösung führte dann zu einer Recruiting-Landingpage der Google Labs, wo die erfolgreichen Schatzsucher mit folgenden Worten begrüßt wurden:

One thing we learned while building Google is that it’s easier to find what you’re looking for if it comes looking for you. What we’re looking for are the best engineers in the world. And here you are. 

As you can imagine, we get many, many resumes every day, so we developed this little process to increase the signal-to-noise ratio.

Coole Aktion: Blended Recrutainment in einer Zeit, als wir noch nicht wirklich von Smartphones gesprochen haben. Offensichtlich war also die Bewerbungsquantität auch 2004 kein Problem für Google, wohl aber das wie es so schön heißt “Signal-to-Noise-Ratio”, also das Verhältnis von Wunschkandidaten zu Bewerbern oder anders: Von Qualität zu Quantität.

Um das mal auf einen ganz aktuellen Kontext zu beziehen: In der vergangenen Woche wurde auf der Social Media Recruiting Conference die Frage diskutiert, ob die Bewerbungsbarrieren nicht vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels noch weiter und dramatisch gesenkt gehören. Stichwort: One-Click-Bewerbung, wie sie in Ansätzen ja der neue XING Talentmanager zumindest für SAP eRecruiting inzwischen bietet.

Ich bin im Prinzip absolut der Meinung, dass man sich um ein knappes Gut auch mehr bemühen muss (ich habe ja auch mal Volkswirtschaft studiert) und insofern Unternehmen sehr gut beraten sind, ihre Bewerbungsprozesse “vom Kandidaten aus” und nicht von der eigenen IT aus zu denken. Aber: jegliche Ernsthaftigkeitshürde einzureißen – dabei bleibe ich auch – würde buchstäblich das Kinde mit dem Bade ausschütten. Wenn ich mich, gleichsam eines Facebook-Like-Buttons, einfach mal so weil lose interessiert auf jede kommunizierte oder latente Vakanz “bewerben” kann, führt das vor allem erstmal zu “Noise” beim rekrutierenden Unternehmen, nämlich einem enormen Sichtungs- und Administrationsaufwand. Die vielleicht wirklich interessanten “Signals” laufen dabei dann Gefahr, nicht mehr die gebotene Aufmerksamkeit zu bekommen.

Warum unterziehen sich wohl Menschen teilweise stundenlangen Persönlichkeitsfragebögen bei Parship, eDarling etc.? Weil sie auf der Suche nach einer funktionierenden und langfristigen Beziehung sind. Die schnelle Nummer gibt es woanders. Auch eine gute Arbeitnehmer-Arbeitgeberbeziehung setzt ein gewisses Maß an Ernsthaftigkeit und vor allem Commitment voraus.

Dass wir also aufgrund des Fachkräftemangels zukünftig alle Ernsthaftigkeitsbarrieren einreißen müssen, sehe ich definitiv nicht. Oder anders: Wer nicht mal ansatzweise bereit ist, sich ein wenig Zeit zu nehmen, sich über ein Unternehmen zu informieren (und zwar aktiv) und ein wenig Zeit für eine Bewerbung zu investieren, wie ernst meint der es am Ende? Ein bisschen Selbstselektion gehört nämlich auch dazu. Und ich rede hier nicht von den kilometerlangen Folterformularen der Bewerbermanagement-Systeme erster Stunde… Die Idee von Wollmilchsau Alex Fedossov einer “One-Click-Bewerbung mit Mini-Assessment” halte ich dabei aber für das Mindeste…

4 Gedanken zu „DER Klassiker des Blended Recrutainment: Googles Billboard Riddles

  1. Erst einmal sehr coole Aktion von Google, dass Beispiel kannte ich noch nicht. Fein!

    Ich war ja bei der Diskussion dabei und erinnere mich an den Ausspruch einer Teilnehmerin, sie fände es nicht sehr zielführend wenn man sich nebenbei aus dem Bus bewerben könnte. Ja richtig, aber es geht auch darum es zu vereinfachen (hier mein Pin zum Thema Gen-Y vs. Konzern Kommunikation: http://pinterest.com/pin/111675265731227162/).

    Ich würde sagen es kommt darauf an. Google ist eine ziemliche Ausnahme, der etwas übertriebene Mythos nur die Besten der Besten schafften es bei Google (ähnlich bei Apple) führt auch zu Ablehnung. Dazu kommt das immer noch stark praktizierte Akqui-Hiring (Aufkauf von Startups der Talente wegen) das Talente in die Arme des Internetriesen spült.

    Ich halte dagegen, dass es nicht der Punkt des “Noises” sein sollte um den es geht und damit der Punkt des “Abarbeitens” von Bewerbungen (die Begriffe wirken schon für sich bedenklich), sondern von der anderen Seite betrachtet die Employer Brand und die persönlichen Geschichten der Mitarbeiter die zu zielführenden Bewerbungen führen sollten.

    Meiner Meinung nach gibt es den Idealbewerber nicht, jeder Versuch ihn zu finden, führt ebenso zu der Arbeit der Auswahl. Wie wäre es wenn man mit interessanten Bewerbern spricht die meinen zu der Kultur zu passen und die sich aufgrund der authentischen und transparenten Kommunikation der Unternehmenswerte für einen Job interessieren?

    Vielleicht gibt es den Job für solche Bewerber noch gar nicht, aber dann schafft man diesen halt?

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