Berufsorientierung, Unternehmenswerte, Storytelling und Maschinen als (bessere) Recruiter – der Recrutainment Jahresrückblick 2014

Ein aus Sicht der Arbeitgeberkommunikation, des Employer Brandings und Recruitings irgendwie besonderes Jahr geht zu Ende. Zeit das eine oder andere noch einmal Revue passieren zu lassen und für einen kleinen Rückblick. Gleichzeitig aber auch schon ein Blick voraus, in 2015 und möglicherweise (weit) darüber hinaus.

2014 war aus meiner Sicht irgendwie ein bisschen anders als die letzten Jahre. Spannend, ereignisreich, abwechslungsreich war es sicherlich, aber im Gegensatz zu den letzten Jahren gab es nicht DAS eine beherrschende Thema, um das sich die Szene gleichsam einem wärmenden Lagerfeuer scharrte. Gewiss, es gab wieder reichlich Säue, die durchs Dorf gingen – das ist auch gut so, welche die davon aus meiner Sicht wichtigsten sind, dazu gleich mehr – aber das Bild ist insgesamt bunter geworden, wirkt teilweise widersprüchlich und gehört dennoch zusammen.

Ich begrüße das sehr, weil die Welt – auch nicht die des HR – eben nicht eindimensional ist und es keine Patentlösungen für alles und jeden gibt.

Wir haben hier im Recrutainment Blog in 2014 mehr als 120 Beiträge veröffentlicht, die sich um alles mögliche drehten. Wenn ich diese Beiträge und natürlich auch die Diskussion in anderen Blogs, Medien oder auf einschlägigen Veranstaltungen für mich einmal grob sortiere, dann gab es für mich 2014 im Wesentlichen vier, nein eigentlich fünf große Themen, die uns beschäftigt haben und dies ganz sicher in der Zukunft noch verstärkt tun werden:

Berufsorientierung

Unternehmenswerte und -kultur

Storytelling (und Content Marketing)

Algorithmen im Recruiting, Big Data und Big Data Diagnostik

Candidate Experience

Das letztgenannte Thema klammere ich hier jetzt nochmal ein wenig aus, denn dazu kommen wir in den kommenden Tagen nochmal gesondert, aber die anderen vier möchte ich gern nochmal hervorziehen:

2014 – das Jahr der Berufsorientierung

Ich habe Anfang Januar 2014 in einem aus purer Entspannung heraus entstandenen Blogartikel 2014 zum Jahr der Berufsorientierung ausgerufen und im Sinne einer Blogparade die Allgemeinheit aufgefordert, ihre Sicht auf dieses Thema kundzutun.

Herkulesaufgabe_Orientierung

Nun, es sind sage und schreibe 45 Beiträge in Blogs und Medien erschienen, die explizit Bezug auf die Blogparade genommen haben.

Wir selber haben mit dem Studium-Interessentest SIT (der auf ZEIT ONLINE und hochschulkompass.de in 2014 von beinahe 165.000 Studieninteressierten genutzt wurde) und blicksta (der HR-Innovation des Jahres) an zwei ganz maßgeblich der Verbesserung der beruflichen Orientierung junger Menschen dienenden Projekten federführend mitgewirkt.

Unsere eigene Fachtagung, die Recruiting2015 im September, stand unter dem Leitthema Orientierung und machte deutlich, dass hierzu auch nicht nur die berufliche Erstorientierung gehört, sondern auch und gerade Themen wie Umorientierung, Quereinstieg und natürlich Employer Branding. Die Tagung lieferte nicht nur einen spannenden Tag hierzu, sondern als willkommenes Nebenprodukt auch zahlreiche Videointerviews mit Experten von Gero Hesse bis Ali Mahlodji, die wir in der Reihe CYQUEST Talks sukzessive veröffentlicht haben (bzw. noch veröffentlichen werden).

Doch auch immer wieder faszinierende Best Practises wie etwa die Vine Videos von VOITH sind für mich Ausdruck dafür, dass man sich vermehrt bemüht, den Match insgesamt zu verbessern.

Mein Fazit: 2014 war ein Jahr der Berufsorientierung und ich bin heute sicher, dass wir hier Ende 2014 deutlich besser dastehen als vor einem Jahr.

Unternehmenswerte und -kultur als das nächste große Ding im Employer Branding?

Mitte des Jahres erschien unter (nahezu) dieser Überschrift ein Beitrag im Recrutainment Blog, in dem ich die Frage aufwarf, wie eigentlich in Zeiten sich drehender Machtverhältnisse in vielen Arbeitsmärkten und sich verändernder Wertvorstellungen insb. der vielzitierten Generation Y und Z (Sinn statt Karriere…?) zukünftig eigentlich eine Arbeitgeberdifferenzierung möglich sei.

Meine Überzeugung: Das einzige nachhaltige Differenzierungsmerkmal ist das Wesen, die Kultur des Unternehmens, ausgedrückt durch Werte und Artefakte. Insofern hat dieses Thema unheimlich viel mit Employer Branding und der von ihr ausgehenden Orientierungsfunktion zu tun.

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Hier liegt immer noch enorm viel im Argen, begonnen damit, dass zahlreiche Unternehmen entweder nicht in der Lage sind, diese zu benennen oder nicht willens sind, dies zu tun („wasch mich, aber mach mich nicht nass…“).

Es gibt tolle Beispiele, wie es gelingen kann, Werte zu inszenieren und erlebbar zu machen – ich erinnere nur mal an das sensationelle Beispiel, wie es den Swedish Armed Forces gelang, den für den Beruf des Soldaten absolut entscheidenden Wert, „sich im Zweifelsfall für jemanden anderen zu opfern“, in Szene zu setzen -, aber von einer starken und mutigen Bewegung in diese Richtung kann aus meiner Sicht leider noch keine Rede sein.

Klar, so ganz trivial ist das Thema nicht, aber es ist aber auch nicht unlösbar – wir haben uns etwa mal dem Selbstversuch unterzogen und unsere Kultur nicht nur in einem 6 Sekunden Vine Video, sondern auch in der markigen Positionierung als 

tabulose Boutique im Gleichgewicht mit kaleidoskopischer Kuchenkultur…

unterbekommen… ;-)

Dass natürlich, wenn man auf so etwas wenig griffigem wie Werten matchen möchte, immer auch die Frage im Raum steht, wie man denn darauf matchen kann, ist klar. Dass dabei experimentiert und zuweilen auch über das Ziel hinausgeschossen wird, zeigte im Laufe des Jahres etwa die App Knozen, die ich mir im Juli einmal – nebst rechtlicher Einschätzung durch Nina – vorgenommen habe…

Und dass Unternehmenswerte – so ganz nebenbei – ein zentraler Baustein der Karriere-Website sein sollten, darauf sind wir unter anderem in der bislang sechs Teile umfassenden Artikelreihe zu „Karriere-Websites“ ausgiebig eingegangen.

Mein Fazit: Unternehmenskultur und -werte werden eine überragende Bedeutung in der Arbeitgeberkommunikation erlangen. Sie müssen. 2014 war noch nicht das Jahr des Durchbruchs für dieses Thema, aber 2015 wird dazu einiges zu bieten haben. Versprochen.

Content Marketing und Storytelling

Kommen wir zu Thema Nummer 3 auf meiner Liste – das Erzählen von Geschichten. Man kann keine Marketingzeitschrift aufschlagen, ohne an allen Ecken und Enden von dem Begriff Content Marketing angesprungen zu werden.

Dabei geht es darum, die eigenen Botschaften nicht werblich, sondern – sagen wir mal – redaktionell an den Mann und die Frau zu bekommen. Das ist aus Sicht des Employer Brandings eigentlich ein ziemlich alter Hut. Ich weiß gar nicht genau, wann wir alle über Authentizität in der Arbeitgeberkommunikation zu sprechen angefangen haben – gefühlt war das noch im letzten Jahrzehnt.

Nun, hier war HR-Kommunikation der übrigen PR-Welt offensichtlich weit voraus.

Wir sollten versuchen, dies auch als solche Vorausleistung und Pioniertat zu sehen, denn der Weg ist vollkommen unbestreitbar der richtige! Und nur weil man es im Employer Branding Kontext vielleicht schon seit Jahren hört, ist die dahinterliegende Idee zeitgemäßer denn je.

Wer in Zukunft als distinkt und besonders wahrgenommen werden will, der muss besondere Geschichten, besonders gut erzählen. Kevin Spacey aka Frank Underwood hat das mit seinem vielbeachteten Auftritt auf der Content Marketing World eindrucksvoll auf den Punkt gebracht.

Wer verstanden hat, was die Kraft der kleinen Geschichten ist und den sog. Long Tail of Information verinnerlicht, dem tun sich bei der Frage, wofür denn da schöne Personalmarketing-Budget mal am besten verwendet werden könnte, ganz neue Möglichkeiten auf…

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Dass das Erzählen von Geschichten dabei wieder ganz viel mit Werten, Kultur und zwangsläufig Orientierung zu tun hat – oder zumindest haben kann oder sollte, schließt hier ein wenig den Kreis zu oben bereits benannten Themengebieten.

Wer sich vielleicht einmal inspirieren lassen möchte, wie es gelingen kann, mittels gegen den Strich gebürsteter Kommunikation binnen kürzester Zeit massiv die vermeintlich unverrückbare Wahrnehmung einer Marke und des entsprechenden Markenversprechens zu verändern, dem sei noch einmal die Lektüre des Beitrags zur „Umparken im Kopf“-Kampagne von Opel aus dem Februar empfohlen. Lehrstück. Auch für das Personalmarketing.

Mein Fazit: Content Marketing und Storytelling sind längst da und diejenigen, die es virtuos beherrschen, werden gewinnen. Punkt. Dann droht auch keine ADAC-Falle

Kommen wir zu Punkt Nummer 4 auf meiner kleinen Liste.

Sind Roboter die besseren Recruiter und werden wir ein digitales Wettrüsten zwischen Unternehmen und Kandidaten erleben?

Das Thema zog sich wie ein roter Faden durch das Jahr. Immer wieder tauchte es in verschiedenen Facetten auf und ich glaube, das ist alles erst ein sanftes Vorgeplänkel für das was da auf uns zukommen wird.

Anfang des Jahres griff ich die Frage auf, ob Maschinen (wahlweise ersetzbar durch Roboter oder Algorithmen) eigentlich die besseren Recruiter seien. Im Mai haben wir uns dann der Frage gewidmet, ob die (maschinelle, also algorithmisch und auf Massendaten basierende) Analyse von Bewerberdaten, etwa denjenigen, die man vermeintlich aus Facebook-Profilen herauslesen kann, valide Grundlagen für Personalauswahlentscheidungen sein können – Stichwort: Big Data Diagnostik. Im Oktober folgte dann, inspiriert durch einen Vortrag von Jan Kirchner bei der Social Media Recruiting Conference in Hamburg, der Zusammenhang zwischen dem Internet of Things und der Automatisierung des Recruitings

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… einen Gedanken, den ich dann Ende des Jahres noch weiter gesponnen habe mit der Überlegung, dass ein digitales Aufrüsten auf Seiten der Unternehmen (z.B. durch den Einsatz von Online-Assessments oder Big Data) möglicherweise ein Nachrüsten auf Seiten der Bewerberschaft nach sich ziehen wird, an dessen Ende dann zwei Bots einen Großteil des Anbahnungs- und Kennenlernprozesses möglicherweise automatisch unter sich ausmachen und die auf beiden Seiten beteiligten Menschen erst viel später in den Ring steigen…

REAL STEEL

Mein (Zwischen-)Fazit: Nun, letztgenanntes Szenario ist sicherlich noch ziemlich weit draußen, aber alle anderen in den genannten Beiträge sind bei Weitem keine Science Fiction mehr. Ob diese Dinge schnell oder langsam kommen werden, in Big Bangs und disruptiv oder Tröpfchen für Tröpfchen in kleinen Dosen, keine Ahnung. Aber kommen werden sie… Davon bin ich überzeugt.

Denn Maschinen sind in manchen Dingen die besseren Recruiter (insb. dann wenn man wie der französische Pharmakonzern Servier auf so komische Ideen kommt, wie private Freunde und Verwandte als Referenzen im Bewerbungsprozess heranzuziehen…).

Menschen sind aber auch die besseren Recruiter.

Und so wird die spannende Frage, wie es hier weitergeht uns ganz sicher auch 2015 intensiv beschäftigen (und sicherlich deutlich darüber hinaus…)

Zu Thema Nummer 5 auf meiner Liste – Candidate Experience – gäbe es auch für 2014 schon so einiges zu berichten, aber wie oben schon angedeutet, spare ich mir diesen Pfeil nochmal im Köcher auf – dazu gibt es in Kürze mehr.

So, ich könnte noch viel mehr schreiben, über Azubimarketing und wie hier Unternehmen und Schüler offensichtlich noch aneinander vorbei funken, lustige und schräge Fundstücke aus der Welt des Employer Brandings, Fachkräftemangel, Mobile Recruiting oder unser Buch, das Kristof und ich Anfang des Jahres bei Springer veröffentlicht haben, aber ich finde, jetzt ist auch mal gut.

Denn: Das Jahr ist zu Ende! Ich wünsche Euch allen einen guten Rutsch! Und immer daran denken, es heißt Silvester (nicht Sylvester)…!

Ein Gedanke zu „Berufsorientierung, Unternehmenswerte, Storytelling und Maschinen als (bessere) Recruiter – der Recrutainment Jahresrückblick 2014

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