´Umparken im Kopf´ – das könnten auch viele Employer Brander mal probieren. Was Personalmarketing von der Opel-Kampagne lernen kann

Seit einigen Tagen begegnet einem an vielen Orten – z.B. auf Plakatwänden, City-Light Postern an Bushaltestellen und natürlich im (Social Web) die Kampagne “Umparken im Kopf“.

Inhalt der Kampagne sind dabei Vorurteile. In Sprüchen wie

68% aller Männer halten rothaarige Frauen für feuriger. 90% davon haben noch nie eine kennengelernt.

oder

Viele glauben, Karriere mache Frauen unweiblich. 100% ihrer Männer sehen das anders.

oder

100 Jahre lang dachte man, Spinat hätte viel Eisen. Bis jemand eine zweite Messung machte.

oder

Wer schwul ist, kann nicht Fußball spielen. Es sei denn er war deutscher Meister.

oder, oder, oder werden dabei gängige Stereotypen und Vorurteile aufgegriffen, ohne dabei direkt aufgelöst zu werden.

Alles verweist auf die Website www.umparken-im-kopf.de auf der in sehr schöner und zeitgemäßer Live-Tile-Optik zum einen noch jede Menge weitere derartige Vorurteile zu sehen sind, zweitens Prominente (wie Ken Duken, Joachim Król, Nadja Uhl, Bettina Zimmermann oder Fahri Yardim) in Videoform über Vorurteile an sich und ihre Sicht dazu berichten…

…und drittens – sehr 2.0 – User ihre eigenen Vorurteile und Meinungen zu selbigen posten können.

Auch wenn noch nicht offiziell bestätigt, ist es ein offenes und auch offensichtliches Geheimnis, dass Opel Absender der Kampagne ist.

Warum?

Nun, auch Opel ist – sagen wir es mal gelinde – nicht unbedingt mit dem besten Markenimage gesegnet. Nachhallende Manta-Spuren in den Köpfen und Beinahe-Pleiten-Rettungsaktionen-Werksschließungen etc. sind hier sicherlich auch nicht wirklich hilfreich. Dabei war das mal ganz anders: In den 60er/70er Jahren da galten Opel Admiral und Diplomat was. Heute kaum vorstellbar: Damals war Audi die Marke mit dem Hosenträger- oder Klorollen-Häkelmützen-Image.

Doch, so die sublime Botschaft der Umparken-im-Kopf-Kampagne, das schlechte Image der Marke Opel entspricht nicht der Realität und ist – ebenso wie die im Rahmen der Kampagne genannten Vorurteile – mindestens zu hinterfragen, möglicherweise sogar zu korrigieren.

Ich muss mich an dieser Stelle dann auch mal outen: Auch ich bin Opel-Fahrer. Als vor inzwischen knapp sechs Jahren aufgrund der Familienvergrößerung die Anschaffung eines größeren Autos anstand, bin ich auch wie ferngesteuert zunächst zu BMW gelaufen, bin ich doch vorher – und durchaus gern – einen BMW 1er gefahren. Als jedoch die Sprache auf das Preisschild des konfigurierten 3er Kombis zu sprechen kam, fing ich an zu überlegen und mich nach etwaigen Alternativen umzuschauen. Am Ende landete ich dann – und das hätte ich aus benannten Imagegründen einige Wochen vorher noch gaaaanz weit von mir gewiesen – beim Opel Insignia. Heute nach knapp sechs Jahren und dem inzwischen zweiten Insignia kann ich sagen, dass ich die Entscheidung auch nicht bereue.

Auch wenn ich glaube, dass die Bedeutung von Autos als Statussymbol in Zeiten der Shareconomy ohnehin abnimmt bzw. von anderen Dingen wie dem Smartphone oder nicht käuflichen Dingen (Freizeit, Körper, Freunde, Gewissen…) abgelöst wird, konnte ich das Hinterfragen von Vorurteilen konkret am Beispiel Opel bei mir selbst beobachten.

Was hat das nun mit Employer Branding und Personalmarketing zu tun?

Nun, egal wo ich hinkomme, egal mit welchem Unternehmen wir sprechen (und das sind durchaus einige), immer bekommt man sinngemäß folgendes zu hören:

Wir haben hier das größere Problem. Die anderen Unternehmen haben es leichter.

In diese Worthülse kann man nun wahlweise folgendes einfüllen:

Entweder hat es das andere Unternehmen viel leichter Personal zu gewinnen, WEIL es eine attraktive Produktmarke hat (“Audi bekommt viel mehr und bessere Azubi-Bewerbungen, weil die so begehrte Autos bauen”).

Oder man selber hat es viel schwerer gutes Personal zu gewinnen, weil man eine so bekannte Produktmarke hat und alle immer nur DESHALB zu einem wollen (sich aber eben nicht für den Arbeitgeber an sich interessieren oder von diesem gar nichts wissen).

Oder man hat es viel schwerer als der Wettbewerb, weil man ja nur ein kleines Unternehmen ist.

Oder die anderen haben es leichter, weil sie ihren Sitz in der großen Stadt haben.

Oder. Oder. Oder.

Was fällt auf? Man selber hat es immer am schwersten, die anderen haben es leichter.

Das kann schon rein spieltheoretisch nicht sein.

Richtig ist: Jedes Unternehmen hat sein eigenes Employer Branding Paket zu schultern. Jedes Unternehmen muss seinen eigenen Weg zum (Personalmarketing-)Glück finden. Und jedes Unternehmen muss den vermeintlichen oder tatsächlichen Vorurteilen da draußen entsprechend begegnen und diese im Rahmen der eigenen Möglichkeiten versuchen, geradezurücken.

Es mag ja sein, dass es Audi aufgrund der Strahlkraft der Automobile mit den vier Ringen leichter hat, gute Auszubildende zum Kfz-Mechatroniker zu bekommen, aber welcher junge Mensch, der eine Koch-Ausbildung machen will, denkt denn bitte als erstes an Audi als Ausbildungsbetrieb? Genau! Hier kann Audi gar nicht vom Imagetransfer der Autos profitieren. Im Gegenteil. Vielleicht ist hier sogar eher hinderlich, dass bei “Audi” immer alle nur an Autos und nicht an Kochtöpfe denken.

Derartige Beispiele ließen sich unendlich auflisten.

Natürlich existieren “da draußen” auch immer jede Menge Vorurteile in Bezug auf Arbeitgeber, entweder verdient oder ungerechtfertigt.

Aber das ist NICHT UNGERECHT! Denn diese geradezurücken, ist doch originäre und ureigenste Aufgabe des Employer Brandings und Personalmarketings. Klar zu definieren, was die Arbeitgebermarke ist, wofür sie steht, was sie NICHT ist, wofür sie nicht steht und DAS dann die Welt auch wissen lassen.

Da hilft kein Jammern und kein Lamentieren. Da hilft nur anpacken und konsistent und konsequent klarstellen und richtigstellen. Employer Branding heißt, der Arbeitgebermarke eine klare Kontur geben und zwar nicht irgendeine auf dem Reißbrett entworfene, sondern eine die dem Wesen, der DNA des Unternehmens auch entspricht.

Man kann es nicht oft genug wiederholen. Auch auf die Gefahr hin, dass hier jetzt wieder der Buzzword-Buzzer losgeht.

Das Zauberwort heißt AUTHENTIZITÄT!

Und Authentizität heißt – ganz dem Konzept des Realistic Job Preview folgend – die (vermeintlich) positiven UND die (vermeintlich) negativen Aspekte der Arbeitgebermarke auch zu benennen!

Eine aktuelle Studie hat herausgefunden, dass alle DAX Unternehmen Videos zur Kommunikation der Arbeitgebermarke einsetzen (gut), dass aber 29 davon (!) reine Schönfärberei betreiben und keine (vermeintlichen) Schwachstellen benennen (überhaupt nicht gut!). Es werden Floskeln und Selbstverständlichkeiten kommuniziert, Unterscheidbarkeiten sucht man vergeblich.

Ich schreibe deshalb so oft “vermeintlich”, weil es ganz im Auge des jeweiligen Betrachters liegt, was positiv und was negativ ist. Für den einen ist Großraumbüro ein echter Dealbreaker, für den anderen egal und für den dritten vielleicht sogar viel besser als wenn jeder den ganzen Tag in seinem stillen Kämmerlein hockt. Aber DASS bei einem vielleicht in Großraumbüros gearbeitet wird, darf nicht im vorauseilenden Gehorsam verschwiegen werden. Wenn Großraumbüros so furchtbar sind, dann müssen diese abgeschafft werden, sie im Rahmen der Personalkommunikation aber zu verschweigen bringt gar nichts. Außer der inneren Kündigung des neuen Kollegen, der Großraumbüros hasst, dem diese aber bis dato verschwiegen wurden…

So, weg von Großraumbüros. Die stehen hier nur sinnbildlich für alle anderen oftmals diskret unter den Tisch fallen gelassenen vermeintlichen Schwachstellen (Arbeitszeiten, Bezahlung, Unternehmensstandort, Ausstattung der Räumlichkeiten usw. usf.)

Das Motto für das Employer Branding muss heißen: Visier auf, Flucht nach vorn. Man kommuniziere klar, was man ist, wofür man steht. Man kommuniziere aber bitte genauso klar, was man eben nicht ist und was man eben nicht zu bieten hat.

Nur so, lassen sich falsche Vorurteile sukzessive geraderücken. Nur so findet das “Umparken im Kopf” statt.

Die Opel-Kampagne macht das sehr geschickt, weil sie jeden, der sich selbst für einen aufgeklärten Zeitgenossen hält, bei der Ehre packt und dazu zwingt, seine Vorurteile zu hinterfragen.

Wie das im Kleinen aussehen kann, das zeigte vor einiger Zeit sehr schön mal das Fundstück der auf Baurecht spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei Oberthür und Partner

Da kann sich das stereotype 08/15 Personalmarketing mal eine ganz dicke Scheibe abschneiden!

4 Gedanken zu „´Umparken im Kopf´ – das könnten auch viele Employer Brander mal probieren. Was Personalmarketing von der Opel-Kampagne lernen kann

  1. Viel Dank dafür.
    Für den Hinweis auf die konzeptionell und visuelläußerst gelungene Kampagene.
    Für den Hinweis des Scheibe-Abschneidens.
    Und für den Hinweis mit guten UND negativen Aspekten authentischzu werben.
    Diesen Beitrag habe ich gern gelesen!

  2. Ein interessanter kreativer Ansatz. — Es wäre allerdings fatal, wenn das Unternehmen in Phase 2 der Kampagne plump auf die Produktebene wechseln würde. Rätsel, Witz und Glaubwürdigkeit wären mit einem Schlag vertan. Besser wäre es, in Richtung einer echten Initiative gegen Vorurteile weiterzugehen.

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