Internet of Things: Wie Algorithmen in Online-Assessments die Personalauswahl unterstützen. Mit Vorteilen für Unternehmen UND Bewerber

Unter dem Schlagwort “Internet der Dinge” wird prophezeit, dass durch die Anbindung ans Internet nicht nur Produktionsprozesse sich radikal verändern werden (“Industrie 4.0”), sondern auch Dinge des täglichen Gebrauchs sukzessive so etwas wie eine eigene Intelligenz entwickeln werden. Sei es der Kühlschrank, der selbständig erkennt, dass die Butter alle ist und diese selbständig nachbestellt, die Drohne, die die amazon-Bestellung ausliefert oder das Auto, das uns autonom in den Urlaub fährt, über eine Autobahn, die dank intelligenter Verkehrssteuerung auf wundersame Weise staufrei ist…

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Ob das alles so kommen wird, wer weiß das schon? Aber vieles ist bereits heute zu beobachten. Sicherlich noch nicht in Marktreife, aber oft in erstaunlicher Funktionalität.

White Collar wird Chrome Collar

Vor kurzem habe ich hierzu einen sehr spannenden Vortrag von “Wollmilchsau” Jan Kirchner bei der Social Media Recruiting Conference in Hamburg gesehen, der den Bogen von der ersten industriellen Revolution (Übergang von der Agrar- in die Industriegesellschaft) über die zweite (Fließbandfertigung) und dritte industrielle Revolution (Mikroelektronik) hin zur digitalen Revolution nachzeichnete. Letztere geschieht gerade und lässt sich mit den Schlagworten

Big Data, Machine Learning und Automatisierung von Wissensarbeit

überschreiben.

Das faszinierende (oder je nach Blickwinkel auch beängstigende) an der digitalen Revolution ist dabei in der Tat, dass die Automatisierung nicht auf die Verrichtung von Tätigkeiten – egal ob mechanische oder Rechenoperationen – beschränkt wird, sondern ganz explizit Wissensarbeit mit einschließt.

Diese Automatisierung wird also auch Berufsbilder erfassen, die sich aufgrund der oft erforderlichen Fähigkeiten zum schlussfolgernden Denken, zum Lernen oder zur Kreativität eigentlich sicher fühlten. So tauchten im Sommer etwa auf der Liste “vom Aussterben bedrohter Berufe” der US Jobdatenbank Career Cast nicht nur Maschinenführer, Drucker oder Briefträger auf, sondern auch Zeitungsredakteure… Man hört in diesem Zusammenhang auch häufig davon, dass selbst Ärzte vielleicht irgendwann entbehrlich werden, weil Maschinen diesen Job perspektivisch besser können werden.

Oder, wie Jan sich ausdrückte:

Wenn also irgendwann der Kühlschrank für mich shoppen geht, ist es ziemlich abwegig anzunehmen, dass die algorithmische Unterstützung vor HR-Prozessen halt macht.

Auch wenn ich bezweifle, dass wir es auf absehbare Zeit mit einer vollautomatisierten Recruitingwelt zu tun bekommen werden, in der Maschinen allein entscheiden, wer genommen wird und wer nicht, so sind die ersten Ausläufer des “Internets der Dinge” auch in diesem Bereich unübersehbar.

Im Marketing etwa wird ein Großteil der Online-Werbung heute natürlich nicht mehr “von Hand” eingebucht. Vielmehr handeln hier sog. Supply Side Platforms (SSP) und Demand Side Platforms (DSP) autonom und in Echtzeit (“Real Time Bidding”) miteinander aus, welche Anzeige, wem zu welcher Zeit und zu welchem Preis angezeigt wird. Man muss kein großer Prophet sein, um zu erahnen, dass dies auch mit Stellenanzeigen kommen wird – etwas später und nicht so kompetitiv, aber es wird kommen.

Maschinen als Recruiter?

Auch vor der Personalauswahl wird diese Entwicklung nicht halt machen. Interessanterweise ist der Einsatz von Algorithmen im Rahmen der Personalauswahlprozesse auch gar keine brandneue Entwicklung.

Nein, die ersten Online-Assessment Verfahren wurden bereits vor knapp 15 Jahren eingeführt, und zwar im Echtbetrieb. Das sind für Internetverhältnisse natürlich Lichtjahre. Das Gute daran ist, dass man inzwischen auf einen erheblichen Erfahrungsschatz im Umgang mit solchen “algorithmisch” unterstützten Auswahlverfahren zurückgreifen kann und nicht im Hypothetischen argumentieren muss.

(Typische Ergebnisdarstellung eines Testergebnisses. Die Ergebnisse werden per Schnittstelle automatisch in Bewerbermanagement-System übergeben und stehen dann als zusätzliche Beurteilungskriterien für die weitere Auswahl zur Verfügung)

Und siehe da: Online-Assessments bieten Unternehmen, die diese einsetzen eine ganze Menge an Vorteilen. Verblüffend ist jedoch, dass webbasierte Auswahltests auch Bewerbern eine ganze Menge an Vorteilen bieten.

Ich habe die Vorteile sowohl für Unternehmen als auch für Bewerber vor kurzem einmal in einem Gastbeitrag für den Blog des e-Recruiting Dienstleisters GermanPersonnel einmal zusammengefasst. In aller Kürze hier nochmal:

Vorteile von Online-Assessment Verfahren für Unternehmen:

  • durchgehender digitaler Workflow
  • deutliche Verkürzung des Auswahlprozesses
  • erheblich niedrigere Abspringerrate
  • größere Fairness und deutliche Reduzierung der sog. False-Negative-Selection (also der ungewollten Ablehnung eigentlicher geeigneter Kandidaten)
  • Employer Branding und Akzeptanz, insb. bei Auswahltests, die ansprechend und informativ gestaltet sind

Vorteile von Online-Assessment Verfahren für Bewerber

  • Objektivität. Per Definition kein “Nasenfaktor”
  • Fairness (z.B. weil die Wichtigkeit von Schulnoten als Vorauswahlkriterium reduziert wird, siehe Deutsche Bahn)
  • Durchführung wann man selber will, nicht wann das Unternehmen dies möchte
  • Geringerer zeitlicher Aufwand
  • Praktisch von jedem beliebigen Ort durchführbar
  • Durchführung in selbstbestimmtem und bestmöglich stressbefreitem Umfeld
  • Einblicke ins und Informationen über das Unternehmen (insb. bei Online-Assessments, die nach Employer Branding Gesichtspunkten gestaltet sind)

Übernehmen Maschinen also das Recruiting? Ist auch Recruiter ein vom Aussterben bedrohtes Berufsbild?

Jein. Wie ich vor einiger Zeit einmal detailliert auseinandergesetzt habe, dienen Online-Assessments (und auch andere Ansätze der Big Data Diagnostik) vor allem der Negativselektion, also der Identifikation nicht geeigneter Kandidaten.

Die Entscheidung hingegen, welchem Kandidaten tatsächlich ein Einstiegsangebot unterbreitet wird, trifft auch auf absehbare Zeit weiterhin ein Mensch, nicht die Maschine. Bis Algorithmen auch die Positivauswahl besser beherrschen als Menschen, dürfte es doch noch ein wenig dauern. Ich vermute, mein Kühlschrank bestellt vorher die Butter…

2 Gedanken zu „Internet of Things: Wie Algorithmen in Online-Assessments die Personalauswahl unterstützen. Mit Vorteilen für Unternehmen UND Bewerber

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