Noch ein “Angriff” auf die klassische Bewerbung: Queference bietet Plattform zur Einholung von Referenzen. Braucht man noch Zeugnisse?

Auch wenn ich das eigentlich gar nicht so geplant hatte, kann man doch eine ganze Reihe der hier im Blog in der Vergangenheit erschienenen Beiträge wie eine Artikelserie zusammenfassen, die man grob überschreiben könnte mit:

Wie Schritt für Schritt der klassischen Bewerbung der Garaus gemacht wird…

Berufsberatung? Geht schneller über Selbsttests, Orientierungsspiele, virtuelle Unternehmensrundgänge (ja, auch über VR) und Chatbots.

Stellen suchen und Stellenanzeigen lesen? Muss man nicht mehr, Google (for Jobs) fragen reicht.

Anschreiben? Ersetzt durch kurze Video-Selfies.

Lebenslauf? Nö, Projectbooks. Oder gleich ganz ersetzt durch (mentale) Arbeitsproben…

Zeugnisse? Eh immer wohlwollend und mithin ohne differenzierende Aussagekraft (auch wenn mir mindestens eine Analyse der Uni Erlangen-Nürnberg bekannt ist, die Zeugnissen zwar eine positive Verzerrung, gleichwohl aber noch Varianz zur Bewerber-Differenzierung attestiert – siehe Sende/Moser, 2017). Und demnächst wird IBM Watsons Tone Analyzer eh hinter die Zeugnissprache blicken

Tests? Auf Papier??? Leute, Assessment passiert alles online, teilweise spielerisch… !

Interviews? Über Skype oder zeitversetzt (Cammio, viasto). Das wird sich auch durch die weltfremden und (auch juristisch) unsinnigen Datenschutzbedenken einiger Datenschutzbehörden nicht aufhalten lassen…

Assessment-Center? Heißen jetzt Castings

Nein, natürlich ist nicht alles was neu ist automatisch gut. Vieles ist noch unfertig oder wird auch mit viel KI wohl nix werden. Vielfach ist auch die Zeit noch nicht gekommen – technologisch oder marktseitig. Und manchmal, da bin ich bei meinem Blogger-Kollegen Stefan Scheller, ist ein Auswahlinstrument auch nur deshalb in der Kritik, weil es nicht richtig eingesetzt wird – siehe etwa das Anschreiben.

Aber ich denke man kann insgesamt sehr gut erkennen, dass offenkundig irgendwo im HR-Bereich ein Fenster aufgegangen sein muss, durch das sehr viel frischer Wind reinweht. Es treten zahlreiche innovative HR-Startups auf den Plan und auch in den guten alten HR-Abteilungen gibt es immer mehr aufgeschlossene Personaler, die diesen Entwicklungen mit offenem Visier entgegentreten.

Referenzen digital einholen – Angriff auf das Zeugnis

In diesen Kontext gehört auch mein heutiges Beispiel – das Hamburger Startup Queference. Gegründet durch den ehemaligen HR-Chef von adidas USA Jochen Eckhold und seiner Frau Katrin, hat sich Queference “das Referenzschreiben” als Angriffsziel ausgesucht… Wobei: Das stimmt so eigentlich nur zum Teil. “Eigentlich” geht es weniger um etwaige Referenzschreiben, sondern letztlich um das Arbeitszeugnis. Wie oben schon geschrieben: Diese sind eigentlich immer “wohlwollend”, weil sie es sein müssen und niemand Lust hat, sich durch ein “ehrliches” Zeugnis einen Termin vorm Arbeitsgericht einzuhandeln. Das heißt aber eben auch, dass die Aussagekraft von Zeugnissen arg eingeschränkt ist.

Jeder Personalverantwortliche kennt dieses unsichere Gefühl nach einem Vorstellungsgespräch. Man überlegt den Bewerber einzustellen, hat aber das Gefühl, dass da „noch irgendetwas ist“. Es fehlen weitere Informationen, die aus standardisierten Arbeitszeugnissen und den Bewerbungsdokumenten nicht entnommen werden können.

Genau hier können Referenzen sehr hilfreich sein. Warum aber werden diese in Deutschland trotzdem nur sehr stiefmütterlich genutzt? Queference glaubt, dass dies am hohen Aufwand und mühsamen Prozess der Referenzeinholung liegt. Und hier setzt das Startup an…

Wie funktioniert Queference?

Die grundsätzliche Systemlogik basiert auf folgender Struktur:

Möchte also ein Auswahlverantwortlicher eine (oder mehrere) Referenz(en) einholen, legt man die entsprechende Stelle im System an und weist dieser dann einen Bewertungsfragebogen zu (den man natürlich anpassen kann).

Dann legt man diejenigen Bewerber an, zu denen man eine Referenz einholen möchte. Hier können dann auch bewerberspezifische Zusatzfragen ergänzt werden.

Nun kann man über das System den Bewerber bitten, entsprechende Referenzgeber zu benennen (z.B. bei ehem. Kollegen, Vorgesetzten, Kunden etc.).

An diese Referenzgeber wird dann über die Plattform der entsprechende Bewertungsfragebogen (sowie ggf. die bewerberspezifischen Fragen) verschickt mit der Bitte um Einschätzung. Der Referenzgeber hat es nun natürlich sehr leicht, eine entsprechende Bewertung abzugeben.

Die eingehenden Referenzen können dann vom Auswahlverantwortlichen über das System eingesehen und in Vergleichsreports bewertet werden.

Fazit

Nun, RubbeldieKatz würde ich dazu zwar noch nicht ganz sagen, weil es für den Auswahlverantwortlichen doch noch mit ein paar Handgriffen verbunden ist, aber verglichen mit dem ansonsten oft vollkommen unstrukturierten Prozess ist es doch auf jeden Fall schon mal erheblich vereinfacht. Und – und hier sehe ich die größte Vereinfachung – für den Referenzgeber ist es natürlich erheblich einfacher, seine Einschätzung bzgl. des Kandidaten mitzuteilen. Kein Gespräch, kein Schreiben aufsetzen usw., nur noch einen Fragebogen durch anklicken ausfüllen. Ich denke, speziell diese Vereinfachung könnte gut dazu führen, dass der Response, also die “Referenzgabe” bereitwilliger und öfter erfolgt.

Ich bin mir zwar nicht 100%ig sicher, ob man auch unter der DSGVO und der ergänzenden ePrivacyVO noch so einfach mit den personenbezogenen Daten des Referenzgebers wird arbeiten dürfen (da dieser der Kontaktaufnahme durch Queference ja sinnlogisch nicht vorab wird zugestimmt und die Verarbeitung dieser Daten eingewilligt haben können), aber auch das sollte juristisch lösbar sein (bzw. wurde lt. Gründer Jochen Eckhold schon gelöst).

Also: Wir können die obige Aufzählung an Elementen des klassischen Bewerbungsprozesses, denen Feuer unter dem Hintern gemacht wird, dank Queference um den Punkt “Referenz” ergänzen.

Gut so! Sehr gut.

P.S. Noch ein Aufruf:

Queference arbeitet gerade gemeinsam mit der FAU Nürnberg-Erlangen an einer Studie zur Untersuchung der Validität von Online-Referenzen (speziell gegenüber Zeugnissen) und sucht noch Unternehmen, die Interesse haben, hieran mitzuwirken. Wer also wirkliche Antworten sucht statt immer nur mit dem Gefühl zu argumentieren, der melde sich doch direkt bei Queference!

2 Gedanken zu „Noch ein “Angriff” auf die klassische Bewerbung: Queference bietet Plattform zur Einholung von Referenzen. Braucht man noch Zeugnisse?

  1. Bei Hartmann Consultants benutzen wir Queference bereits seit gut einem Jahr in unserem Prozess als Rekrutierungsdienstleistung.
    Im Gegensatz zum telefonischen oder persönlichen Gespräch haben wir den Eindruck, dass die Auskünfte wegen der Anonymisierung ehrlicher sind.
    Die Darstellung der Reports ist sehr übersichtlich und wird bei unsere Klienten gut angenommen.
    Dazu bedeutet es für uns pro Referenz rund 1,5 Stunden Zeitersparnis.
    Insgesamt also sehr zu empfehlen.

  2. Liegen der Designfehler und das Grundproblem bei Referenzen nicht darin bergründet, dass der Bewerber stets aussuchen kann, wen er als Referenzgeber angeben möchte? Entsprechend wird der sich nur für Referenzgeber entscheiden, von denen er weiss, dass sie ihm wohlgesonnen sind.

    Bei Referenzen besteht demnach ein Bias einer zu wohlwollenden Beurteilung, das zeigen ja auch Untersuchungen zur Validität von Referenzen als Selektionsinstrument. Vielleicht wirkt die Anonymisierung dem ein wenig entgegen. Die Skalen basierten Fragen erlauben auf der anderen Seite aber im Vergleich zum Gespräch auch kein “gekonntes Nachgreifen” durch einen findigen Recruiter …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert