Interviews, Tests oder Kristallkugeln? Wie viel Geld wirft man bei der Personalauswahl zum Fenster raus? Ein Tool der FU Berlin hilft dabei, dies auszurechnen…

Wer die Wahl hat, hat die Qual: Denn Gründe, warum es bei der Personalauswahl so richtig schlecht laufen kann, gibt es viele:

  • Es bewirbt sich niemand.
  • Es bewerben sich (viel) zu viele.
  • Es bewerben sich die, die man nicht will.
  • Es bewerben sich nicht die, die man will.
  • …und die, die man schließlich einstellt, erweisen sich im Nachhinein als Fehlgriff!

Das Problem ist immer das gleiche: Personalauswahl kostet Geld.

Zu nennen wären z. B. die gegebenenfalls unbesetzte Stelle, der Aufwand des gesamten Recruiting-Prozesses und letztendlich, wenn es soweit kommen sollte, eine Fehlbesetzung und die damit einhergehenden Umstände und Kosten.

Die FU Diagnostik an der FU Berlin hat bei einer kleinen Vortragsrunde in Berlin Anfang des Monats ein kleines Tool vorgestellt, das den “Kostenfaktor Personalauswahl” einfach und verständlich darstellt und das wir uns gleich noch etwas genauer ansehen.

Doch zunächst die Frage: Wovon hängt die Personalentscheidung eigentlich ab?

Hier spielen natürlich viele Faktoren eine Rolle. Ein ganz zentraler Aspekt sind jedoch die Auswahlverfahren selbst und da ist die Vorhersagegüte eines solchen Verfahrens besonders wichtig. Das kann man eigentlich nicht oft genug sagen, denn die Erfahrung in der HR-Welt zeigt, dass das nach wie vor nicht in allen Ecken und Winkeln angekommen ist.

Aber was ist diese “Vorhersagegüte”? Nun, mit einem Blick in die Kristallkugel hat Vorhersage in diesem Kontext schon mal nichts zu tun, auch wenn es einem manchmal so vorkommt, dass das Wahrsagerzelt immer noch fester Bestandteil der Recruitingwelt sei (Beispiele? Hier entlang…).

Nein, die Vorhersagegüte steht für die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Auswahlverfahren einen geeigneten Bewerber identifiziert. Das erklärte Ziel eines jeden Auswahlverfahrens sollte ja eben sein, möglichst viele geeignete Bewerber für den nächsten Auswahlschritt auszuwählen, die nicht geeigneten jedoch abzulehnen. Je besser diese Unterscheidung gelingt, desto höher ist die Vorhersagegüte des Auswahlverfahrens. Die Vorhersagegüte lässt sich statistisch bestimmen und dazu liegen aus zahlreichen Studien auch Daten für verschiedene Auswahlverfahren vor.

Ein Beispiel für die Bedeutsamkeit der Vorhersagegüte anhand des Taylor-Russell-Modells ist hier zum Nachlesen erklärt. Dort betonen wir auch, dass es eben nicht nur auf die Fremdauswahl durch das Unternehmen ankommt, sondern eben auch auf die Selbstauswahl durch die Bewerberschar selbst. Denn auch die besten Talente nützen wenig, wenn sie nach ein paar Wochen oder Monaten feststellen, dass die neue Stelle nichts für sie ist und von dannen ziehen. Da kann man natürlich ganz einfach was gegen tun, nämlich ausreichend Informationen zur Verfügung stellen, damit sich ein Bewerber genau überlegen kann, worauf er sich einlässt.

Doch zurück zu dem Tool der FU Berlin – dem Kosten-Nutzen-Kalkulator:

Die FU Diagnostik bietet ein praktisches Tool an, den Kosten-Nutzen Kalkulator, mit dem die Auswirkung des gewählten Auswahlverfahrens anhand des Taylor-Russell-Modells veranschaulicht wird:

Das Beispiel im Bild zeigt das fiktive Ergebnis eines unstrukturierten Interviews. Laut einschlägigen Studien haben diese eine Vorhersagegüte von (nur) .30.

Was heißt das nun? Folgende Annahmen:

  • 250 zu besetzenden Stellen für Auszubildende
  • 8.000 Bewerber
  • 30 % der Bewerber sind geeignet, 70 % ungeeignet

Man sieht auf den ersten Blick, dass der grüne Bereich recht klein ist und genau da befinden sich die geeigneten Bewerber, die das Auswahlinstrument, also das unstrukturierte Interview, tatsächlich richtig identifiziert.

Mit dem Kosten-Nutzen Kalkulator von FU Diagnostik kann der effektive Nutzen eines Auswahlverfahrens zumindest annäherungsweise berechnet werden. Wir treffen weitere Annahmen:

  • 10.000 € Verdienst im Jahr
  • Ausbildungszeit von drei Jahren
  • geschätzte Kosten von 150 € pro Bewerber während des gesamten Verfahrens

Der Kalkulator berechnet nun folgendes:

  • die Wahrscheinlichkeit, einen tatsächlich geeigneten Bewerber einzustellen: 56 %,
  • Return on Investment, also der Kosten-Nutzen-Faktor in Geldeinheiten über 3 Jahre: ca. 825.000 €.

Bei 250 zu besetzenden Stellen bedeutet eine Wahrscheinlichkeit von 56 %, dass rein statistisch gesehen 44 % oder absolut gesehen 110 Stellen anhand von unstrukturierten Interviews mit Bewerbern besetzt werden, die sich im Nachhinein als nicht gut geeignet herausstellen. Diese erkennt man in der obigen Grafik anhand der roten Punkte.

Die interessanten Bewerber sind nun aber die orangenen Punkte, denn diese sind gut geeignet, aber durch unser Auswahlverfahren (noch) nicht identifizierbar. Um dies zu ändern, steigern wir nun die Vorhersagegüte, indem wir ein besseres Verfahren zur Auswahl einsetzen.

FU Diagnostik bietet Angaben zur Validität verschiedener Verfahren an. Die Kombination aus einem Intelligenztest und einem strukturierten Interview bspw. leistet eine Vorhersagegüte von .63, was auf jeden Fall schon mal deutlich besser ist als die .30 des unstrukturierten Interviews oben. Das klingt also nach einem vernünftigen Vorgehen und das Ergebnis ist folgendes:

  • Wahrscheinlichkeit, einen tatsächlich geeigneten Bewerber einzustellen: 87 %
  • Return on Investment, über drei Jahre: ca. 3 Millionen €.

Man sieht recht schnell, dass sich die Punktewolke verschmälert hat (also weniger rund ist, sich dichter an die diagonale Linie schmiegt), was an der höheren Vorhersagegüte liegt (bei einer Vorhersagegüte von 1 lägen alle Punkte exakt auf der Diagonalen). Dadurch erhalten wir mehr grüne und weniger rote Punkte, was ganz in unserem Interesse ist. Und der Unterschied zwischen den beiden Verfahren mit unterschiedlicher Vorhersagegüte ist beachtlich, was eindeutig für eine wohlüberlegte Auswahl des Auswahlverfahrens spricht!

Soweit so interessant, aber das ist noch nicht alles.

Man kann nämlich noch einen weiteren Hebel betätigen, die sog. “Basisrate” (oft auch als Grundquote bezeichnet). Diese bezeichnet den Anteil geeigneten Bewerber unter allen Bewerbern. Durch ein zielgerichtetes Personalmarketing oder unterstützt durch Self-Assessment-Tools wird Interessierten die Möglichkeit geben, sich vorab zu orientieren und zu informieren über Unternehmen, Berufswelt und Tätigkeitsbereiche. Dadurch können Bewerber viel besser selbst einschätzen, ob sie sich auf die richtige Stelle bewerben und eine Passung vorliegt. Hierdurch steigt der Anteil der geeigneten Bewerber unter der Gesamtzahl der Bewerber.

In unserem Beispiel verändern die Basisrate deshalb mal von 30 % auf 70 %:

Das Ergebnis: Die roten Punkte verschwinden nun ganz!

Die Vorhersagegüte wird hierdurch verändert (die Form der Punktewolke bleibt gleich) aber die Wahrscheinlichkeit einer korrekten Einstellung steigt trotzdem auf tolle 99 %. Das bedeutet, dass von 250 Stellen nur noch zwei bis drei Stellen falsch besetzt werden (zur Erinnerung: zu Anfang waren es 110 Fehlbesetzungen!).

Leider habe ich nicht herausgefunden, wie hoch die Vorhersagegüte bei einem Blick in die Kristallkugel oder ähnlich wahrsagerischen Vorhersagen sein würde. Die Empfehlung lautet daher ganz klar, sich daran zu halten, was sich empirisch bewährt hat. Und mit dem Kosten-Nutzen-Kalkulator kann jeder selbst die entsprechenden Kennzahlen, maßgeschneidert auf den eigenen Fall, sowie die Vorhersagegüte anhand einschlägiger Studien eingeben und so den Return on Investment des eigenen Auswahlverfahrens berechnen.

P.S.: Wer nun vom Thema angefixt ist: Wir haben hier mal einen konkreten Case gerechnet, was der Einsatz eines Online-Assessments an Einsparungen bringt, in Euro…

Ein Gedanke zu „Interviews, Tests oder Kristallkugeln? Wie viel Geld wirft man bei der Personalauswahl zum Fenster raus? Ein Tool der FU Berlin hilft dabei, dies auszurechnen…

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