Online Self-Assessments – was Unternehmen noch von Hochschulen lernen können

Was ist “gute” Personalauswahl? Na klar, das ist eine einfache Frage: Gute Personalauswahl ist dann, wenn man “die richtigen, die passenden” KandidatInnen auswählt und einstellt. Insofern ist die Auswahl dann gut, wenn die “Quality of Hire” hoch ist. Und wie macht man die Auswahl gut? Auch einfach: Indem man valide Auswahlinstrumente einsetzt.

Aber Moment mal. Klar, das eben gesagte ist natürlich richtig. Aber es ist nur die halbe Wahrheit.

Was ist denn, wenn sich gar keine richtigen, gar keine passenden KandidatInnen bei einem bewerben? Wenn sinnbildlich im jeweiligen Lostopf gar kein Treffer drin ist? Dann helfen die besten Auswahlinstrumente nichts. Wo keiner ist, kann keiner gefunden werden. Und dann wird auch die Quality of Hire nicht hoch sein können.

Insofern gehört zu einer guten Personalauswahl IMMER auch eine funktionierende Selbst-Auswahl! Je höher der Anteil richtiger und passender BewerberInnen, desto besser wird zwangsläufig auch die Auswahlentscheidung des Unternehmens ausfallen. Sehr plastisch wird das, wenn man sich den Extremfall vorstellt: Es bewerben sich NUR geeignete und passende Personen. Dann kann das Recruiting gar nicht mehr schiefgehen: Jedes Los ist dann ein Treffer…

Vor diesem Hintergrund bespielen wir bei CYQUEST schon immer den Aspekt Selbstselektion. In den von uns entwickelten Auswahltests (die ja eigentlich dem Grunde nach Fremdselektionsinstrumente sind) heißt das, dass diese z.B. um Informationen über das jeweilige Unternehmen und die entsprechenden Stellen angereichert sind (“Gamified Assessment”, nicht zu verwechseln mit “Game-based Assessment”!).

Noch direkter wird der Aspekt Selbstselektion adressiert durch Instrumente, die sich auch quasi nur an die Bewerberseite richten: Sogenannte “Self-Assessments“. Das können auch Tests sein, mit dem entscheidenden Unterschied, dass das Testergebnis nur die/der jeweilige NutzerIn sieht. Das können aber auch Matching-Tools (“Tinder for Jobs”…) oder Simulationen/Berufsorientierungsspiele/ “virtuelle Praktika” sein. Allen gemeinsam ist dabei: Die Zielsetzung ist eine Verbesserung der SELBSTselektion.

Ein sehr prominentes Einsatzgebiet für solche Instrument ist die Studienorientierung; viele Hochschulen im deutschsprachigen Raum setzen solche “OSA” (Online Self-Assessment) ein. Aber die Methode eignet sich natürlich ganz genauso für Unternehmen und deren Berufsorientierung bzw. “Personalgewinnung”.

Und genau dieser Frage hat Corinna Krause sich im Rahmen ihrer Bachelorarbeit “Der Einsatz von Online Self-Assessments als Tool zur Förderung der Selbstselektion potentieller BewerberInnen im Unternehmenskontext” an der Fachhochschule der Wirtschaftskammer Wien gewidmet. Sie befragte konkret sechs Unternehmen über ihre Erfahrungen bei Entwicklung und Einsatz von Online Self-Assessment.

Und weil diese Arbeit so gelungen ist und viele praktische Hinweise liefert, habe ich Corinna gebeten, die zentralen Befunde doch einmal in einem kurzen Gastbeitrag für uns zusammenzufassen. Ich bin mir aber sicher: Wer tiefer einsteigen möchte, dem gewährt Corinna auch noch weitergehende Einblicke in ihre Befunde. Ich habe ihr LinkedIn-Profil nachfolgend verlinkt.

So, genug der Einleitung! Wie genau lassen sich Online Self-Assessments bei Unternehmen einsetzen? Corinna, deine Bühne!

>> Gastbeitrag von Corinna Krause:

Am Beginn unserer studentischen Laufbahn hat sich noch fast jeder von uns die Frage gestellt: was möchte ich studieren? Wo liegen meine Stärken? Passt das Studium, für das ich mich interessiere, überhaupt zu mir? Und vor allem: worum geht es bei der Studienrichtung?

Viele Hochschulen haben bereits erkannt, dass Studierende sich einer Menge solcher Fragen und Unsicherheiten gegenübersehen und dass sie daher auf neue Methoden zurückgreifen müssen, um Interessent:innen bei diesem Prozess zu unterstützen. In der Praxis werden bereits vielfach Online Self-Assessments eingesetzt, welche Studierenden helfen sollen, sich über die Studieninhalte klar zu werden, welche weiters ihre individuellen Stärken und Schwächen sowie die Vorteile einer bestimmten Universität aufzeigen, um den Entscheidungsprozess zu erleichtern. Aber natürlich profitiert auch die Hochschule von qualifizierten Student:innen und einer damit verbundenen geringeren Abbruchsquote.

Nach der Absolvierung meines ersten Online Self-Assessments im Zuge einer Studienbewerbung war ich sofort begeistert: innerhalb einer bloßen halben Stunde hatte ich einen genauen Überblick über und Einblick in das Studium und hatte das Gefühl, besser einschätzen zu können, ob dieses zu mir passt. Ich war mir meiner Entscheidung sicherer.

Doch was hat diese erfreuliche Erkenntnis meinerseits auf einem HR-Blog verloren?

Im Zuge meines Personalmanagement Studiums auf der FH Wien der WKW habe ich mir sehr bald die folgende Frage gestellt: ließen sich Online Self-Assessments nicht auch sinnvoll im Unternehmenskontext einsetzen? Dort stellen sich Recruiter:innnen ja auch permanent die Frage, wie sich der Personalauswahlprozess für beide Seiten optimieren lässt.

Also habe ich mich dazu entschlossen, im Rahmen meiner Bachelorarbeit herauszufinden, welche Vorteile Online Self-Assessments mit sich bringen, ob und vor allem wie sich diese sinnvoll im Unternehmenskontext einsetzen ließen bzw. wie sie bereits sogar eingesetzt werden. Dazu habe ich 6 Personen aus der DACH-Region und unterschiedlichen Branchen, welche das Tool bereits verwenden, nach ihren Erfahrungen damit befragt und sehr spannende Ergebnisse, welche ich im Folgenden in kurzer Form vorstellen möchte, erhalten.

„Was wollen wir mit dem Einsatz des Online Self-Assessments erreichen?“

  • Entscheidungshilfe und Orientierung bieten, indem zum Beispiel arbeitsplatztypische Tätigkeiten aufgezeigt bzw. Unternehmenskultur- und Werte vorgestellt werden. Online Self-Assessments werden vor allem dafür genutzt werden, transparente Informationen zu Position und Unternehmen bereitzustellen. Das Tool richtet sich weiters hauptsächlich auf eine am beruflich noch zu Beginn stehende bzw. sich am Arbeitsmarkt neu orientierende Zielgruppe. „Finde heraus, ob dir die Tätigkeit Spaß macht!“
  • Neue, passende Positionen entdecken, indem dem:der Interessent:in durch sogenannte Matching-Tools konkrete Positionen, abhängig von deren individuellen Stärken und Interessen, vorgeschlagen werden. Der:die Bewerbende kommt so auf Stellen, welche gut zu ihm passen und welche er:sie sonst unter Umständen nicht in Erwägung gezogen hätte.
  • Marketing/Employer Branding verbessern, weil man das Tool gut als Gesprächseinstieg auf Karrieremessen verwenden, oder aber auch vielseitig online, auf Social Media, der Karrierewebseite etc., einsetzen kann. Außerdem sind spielerisch aufbereitete Tools mit einem hohen Spaßfaktor bei der Absolvierung verbunden (Stichwort: Recrutainment).
  • Bewerbungsaufwand reduzieren und Qualität der Bewerbungen erhöhen, indem sich die Interessent:innen zuvor intensiv mit der Position und dem Unternehmen auseinandersetzen, können diese besser einschätzen, ob ein Job tatsächlich zu ihren Vorstellungen und Stärken passt. Dadurch spart sich das Unternehmen zusätzlich Zeit und erhöht die Passung der eingehenden Bewerbungen. Denn wer weiß besser über seine Stärken und Interessen bescheid, als der:die Bewerbende selbst?

„Wie erfolgt der Einsatz des Online Self-Assessments?“

Eingesetzt wird das Tool von allen Befragten im Rahmen der „Informationsphase“ über Unternehmen und Job, also noch bevor die Bewerbung tatsächlich eingesendet wird. Der Bewerbende kann kostenfrei auf das Online-Tool zugreifen und dieses vor allem anonym durchführen. Potenzielle Ergebnisse (wie ein Score oder eine Übereinstimmungsquote) erhält ausschließlich der:die Durchführende und das unmittelbar nach der Absolvierung.

Auf Basis der Ergebnisse trifft der:die Betroffene die Entscheidung, ob er sich bei dem Unternehmen bewirbt oder nicht. Man spricht hierbei auch von der Selbstselektion. Erst mit Eingelangen der Bewerbungsunterlagen bei dem zuständigen Personalverantwortlichen sollen die in der Bewerbungsphase eingesetzten Instrumente eine erfolgreiche Fremdselektion unterstützen. Die nachfolgende Grafik soll den Zeitpunkt des Einsatzes von Online Self-Assessments veranschaulichen.

Online Self-Assessments bieten im Unterschied zu anderen Informationsquellen wie der Karrierewebseite, Arbeitgeberbewertungsplattformen oder sozialen Medien eine vom Unternehmen ausgehende individualisierte Entscheidungshilfe für den:die potenzielle Kandidat:in. Ähnlich wie bei einem:einer Personalberater:in wird auf die individuellen Interessen oder Stärken des:der Interessent:in eingegangen und basierend darauf ein Ergebnis zur Passung bzw. für die Person relevante Informationen bereitgestellt. Online Self-Assessments beruhen auf dem Prinzip: „Lieber Bewerbende, was interessiert denn dich..?“ (anstatt auf „Wir wollen das….!“)

„Was können wir Unternehmen empfehlen, welche künftig ein Online Self-Assessment entwickeln wollen?“

Alle Interviewpartner:innen waren sich einig: die Entwicklung des Tools hat sich ausgezahlt! Des Weiteren waren alle zufrieden mit der Entscheidung, das Online Self-Assessment in Zusammenarbeit mit externen Expert:innen entwickeln zu lassen, um auf deren vielseitiges Know-How sowie deren Erfahrungswerte zurückgreifen zu können.

Der Einsatz von Kennzahlen zur Messung der tatsächlichen Wirksamkeit des Tools wurde meist außer Acht gelassen und müsste von Anfang an systematisch erfolgen. Man sollte noch vor der Entwicklung Überlegungen anstellen, wie man bestmöglich evaluieren kann, in welchem Ausmaß das Tool angenommen wird und bei der Entscheidungsfindung geholfen hat. Zum Beispiel könnte die Durchführung zwar anonym erfolgen, aber eine verpflichtende Voraussetzung für eine weitere Bewerbung darstellen.

Außerdem sollte man laut der Interviewpartner:innen die IT-Abteilung frühzeitig einbinden, um bei der technischen Umsetzung keine Probleme aufzufinden.

Implikationen für das Personalmanagement

Aus den erzielten Forschungsergebnissen ließ sich klar erkennen, dass ein Mehrwert durch den Einsatz von Online Self-Assessments jedenfalls erreicht werden konnte. Die Ausgestaltungsformen sind dabei ganz unterschiedlich und reichen von reinen Interessensabfragen hin zu spielerisch aufbereiteten Simulationstools. Je nach Zielsetzung und Zielgruppe muss man hierbei klar differenzieren (siehe Grafik).

In Zeiten der Digitalisierung und des wachsenden Fachkräftemangels kommen Unternehmen nicht daran vorbei, auf neue Methoden zur Optimierung des Personalauswahlprozesses zurückzugreifen. Statt alle verfügbaren Ressourcen in Fremdauswahltools wie Job-Interviews, ACs oder ähnliches zu stecken, sollte der Fokus mehr darauf liegen, wie man den:die Interessent:in bewusst in den Entscheidungsprozess miteinbinden kann.

Erkenne deine Chance und profitiere als Vorreiter in diesem Feld! Den Fokus auf den:die Bewerbenden zu legen und seine:ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen wird bald Voraussetzung für jedes rekrutierende Unternehmen sein. Online Self-Assessments sind ein erster Schritt in diese Richtung.

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