Gelungen! Deutsche Bahn präsentiert ´Profiler´ zur spielerischen Berufsorientierung für Schüler

Letzten Donnerstag erreichte mich eine Einladung der Deutschen Bahn, mir am Freitag den “Profiler” als zentralen Baustein der neuen Karriere-Website für Schüler bzw. Ausbildungsinteressierte persönlich vorstellen zu lassen. Wie der Zufall es wollte, war ich nun am Freitag aus – sagen wir mal – “handwerklichen” Gründen eh in Berlin und deshalb traf ich mich dann am Nachmittag im Bahntower am Potsdamer Platz mit Johannes Schellmann aus der Personalkommunikation und Uwe Baierl, Teamleiter Online Personalmarketing, den ja Recrutainment Blog-Leser evtl. schon kennen, weil ich im November letzten Jahres ein Interview mit ihm anlässlich des 10000sten Followers des Bahn-Karriere-Twitterkanals @DBKarriere geführt habe.

Und ich muss sagen, der Besuch hat sich gelohnt… Wir haben unser erstes Projekt für die DB 2004 umgesetzt (das Berufsorientierungsspiel “Tr.A.X.” für Ausbildungsinteressierte), aber man muss sagen, dass sich die Bahn insbesondere in den letzten 3-4 Jahren mit wirklichem Nachdruck aufgemacht hat, eine der Größe, Vielfalt und Attraktivität des Unternehmens angemessene Employer Brand aufzubauen und auch zu kommunizieren. Nicht zuletzt der wuchtige Aufschlag der unter anderem über Primetime-Werbespots im TV unterstrichenen Personalmarketingkampagne mit den “Bubbles” unterstreicht das.

Die neue Karriere-Website drückt das auch sehr schön aus. Auf diese werde ich demnächst nochmal in anderem Kontext etwas genauer eingehen. Zunächst möchte ich gern einen Baustein aus der Seite – bzw. konkreter aus dem Teilbereich, der sich an Schüler richtet – herausgreifen, der ja auch gleichzeitig Beispiel für eines der Kernthemen dieses Blogs darstellt: Den´Profiler .

Ganz kurz zusammengefasst: Der ´Profiler´ist ein kurzweiliges, spielerisches Matching-Instrument, das Schülern aufzeigen soll, welche der insg. 40 Ausbildungsprofile (inkl. duale Studiengänge) der DB denn möglichst gut zu ihnen passen (ja ja, Matching allerorten, sag ich ja…).

Der ´Profiler´ orientiert sich dabei wie die gesamte EVP der Bahn an drei Bubbles:

  • Qualifikationen
  • Eigenschaften
  • Fähigkeiten

Die Funktionsweise ist dabei vordergründig vergleichbar simpel:

Startet man bspw. mit “Qualifikationen” (durch Anklicken dieser Bubble), so “öffnet” sich diese Bubble und von dieser gehen dann – auch wieder in Kreisform – “Unterkategorien” ab – z.B. “Sozial”, “Erschaffung” oder “Verantwortung”.

Klickt man eine dieser Unterkategorien, z.B. Verantwortung, an, so unterteilt diese sich erneut in weitere Unterkategorien, z.B. “Dirigent”, “Kapitän” oder “Weichensteller”.

Auf dieser Ebene trifft der User nun seine erste für das Matching relevante Auswahl. Damit ist im Grunde die erste der drei Hauptkategorien (hier “Qualifikationen”) auch schon abgefrühstückt und die Gesamtzahl der möglicherweise passenden Ausbildungsprofile hat sich entsprechend der getroffenen Entscheidung reduziert. In meinem Beispiel führt die Entscheidung für den “Dirigenten” zu einer Reduktion des “passenden Ausbildungsangebots” von 40 auf nur noch 35 Ausbildungsprofile.

In der gleichen Funktionsweise geht es nun weiter für die anderen beiden Hauptkategorien “Fähigkeiten” und “Eigenschaften”. Hat man das nach wenigen Klicks für alle drei Bubbles fertig, kommt man zum Ergebnis: Einer Shortlist der fünf “am besten passenden” Ausbildungen / dualen Studienmöglichkeiten…

Es ist unschwer zu erkennen, dass hinter dem Profiler ein Algorithmus arbeitet, der jede der getroffenen Auswahlen des Users auf alle Ausbildungsprofile scort und am Ende eine Rangliste der höchst gescorten als Ergebnis auswirft. Mit ein wenig geschultem Auge kann man dies auch an dem Datenstring erkennen, der auf der Ergebnisseite einfach an die URL angehängt wird.

Klickt man nun die Berufe aus dieser Top5-Liste an, erhält man eine ganz kurze Beschreibung, vor allem aber den Deeplink zu der Detailbeschreibung des Berufsbilds auf der Karriere-Website:

Kritische Würdigung

Wie eingangs und im Titel dieses Beitrags schon erwähnt, halte ich den ´Profiler´ insgesamt wirklich für ein gelungenes Stück Ausbildungsmarketing.

Mit Eignungsdiagnostik im engeren Sinne hat dieser natürlich nicht allzuviel zu tun. Es stellt sich nämlich schon die Frage, wie ein User denn eine selbstreflektierte “Auswahl” zwischen einem Dirigenten, einem Kapitän oder einem Regisseur treffen soll. Außer einer mehr oder weniger vagen stereotypen Vorstellung von diesen “Typen” und einer mehr oder weniger zutreffenden Projektion dieser Vorstellung auf sich selbst, stehen hier ja keinerlei Anhaltspunkte zur Verfügung. Will sagen: Innerhalb des zum finalen Ergebnis führenden Entscheidungsbaums gibt es jede Menge Möglichkeiten, “falsch” abzubiegen; nicht aus bösem Willen, sondern weil man eben kaum sinnvoll “entscheiden” kann. Auch ist der zugrundeliegende Entscheidungsbaum nicht an einer der Zielgruppe entsprechenden Stichprobe normiert worden, um somit etwa die Behauptung “Dirigent + Visionär + Musiker = Kaufmann für Spedition und Logistik” auch belegen zu können, auch wenn das Tool vorab natürlich an bestehenden Azubis ausprobiert wurde und hier zu ganz passablen Ergebnissen geführt hat.

Ich halte das hier aber – im Gegensatz zu manch anderem Beispiel – für nicht so gravierend. Warum?

Erstens, weil der DB Profiler auch an keiner Stelle behauptet, eine wissenschaftliche Aussage hinsichtlich der beruflichen Passung und Eignung zu dem einem oder anderen Berufsbild zu treffen und ich in Folge dessen auch nicht glaube, dass junge Menschen Gefahr laufen, der Empfehlung nachher vollkommen unreflektiert zu folgen.

Zweitens überzeugt der Profiler einfach durch seine sehr kurzweilige spielerische Funktionsweise. Man klickt und es passiert sofort etwas. In Psychosprech: Der Profiler hat ein hohes Maß an Funktionslust. Mit wenigen derartiger Klicks lande ich schon bei einem Ergebnis, das mich dann – und das ist das ENTSCHEIDENDE!!! – sofort zu der entsprechenden Detailinformation des Ausbildungsprofils weiterschickt. Will sagen: Auch wenn ich vielleicht zu einem nicht unbedingt passenden Ausbildungsprofil geschickt werde, kann ich spätestens dort feststellen, ob dem auch wirklich so ist. Dieser spielerisch angestoßene Reflexionsprozess ist aber das eigentlich maßgebliche. Tests – oder auch Selbsttests – sollten nie dahingehend fehlinterpretiert oder überbewertet werden, dass sie schlauer seien als der Betroffene selbst und in der Lage, ihm die sein eigenes Leben maßgeblich betreffende Entscheidung abzunehmen.

Um nochmal auf´s Handwerkliche zurück zu kommen: Auch der Berufe-Checker des Handwerks hat neben den konstruktgeleiteten auch eine Funktion, die einem auf Basis eines reinen Zufallsmechanismus (Handwerks-)Berufe vorschlägt (hier symbolisiert durch einen Würfel).

Diese Würfelfunktion hat im Gegensatz zu den anderen Funktionen des Berufe-Checkers mit Eignungsdiagnostik natürlich gar nichts zu tun. Ist aber auch nicht schlimm. Denn wenn diese Zufallsvorschläge letztlich dafür sorgen, dass jemand sich mal mit Berufsbildern befasst, die er ansonsten nie auf die Idee gekommen wäre, in Betracht zu ziehen oder von deren schierer Existenz er möglicherweise vorher nicht einmal gewusst hat (Hand auf´s Herz, wer hat schonmal vom Berufsbild “Modist” gehört und gewusst, dass dieser Kopfbedeckungen für die Damenwelt entwirft?), dann ist auch diese Berufsorientierung allemal besser als nichts.

Ich jedenfalls begrüße eigentlich jeden Matcher, jedes SelfAssessment, jeden Checker und jeden Profiler sehr, weil ich überzeugt bin, dass dieser “konzertierte Angriff” letztlich zu einer besser berufliche orientierten Jugend führt und damit einen wichtigen Beitrag zur Schließung der drohenden Lücke im deutschen Arbeitsmarkt leistet.

Autor: Jo Diercks

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