Am Dienstag präsentierte Stefan Reiser von der Lechwerke AG im Rahmen der Recruiter Summer Academy, die dieses Jahr unter dem Leitthema “Data Driven Recruiting” steht, einen spannenden Werkstattbericht zu der Frage:
Cultural Fit in der Praxis: Wie uns Algorithmen bei der Suche nach passenden Mitarbeitern helfen
Im Kern ging es dabei um die Erfahrungen, die die Lechwerke bei der Implementierung des Themas “kulturelle Passung” in Employer Branding und Recruiting, konkret unter Zuhilfenahme des Messverfahrens “Kulturmatcher” gemacht haben, bzw. dabei sind zu machen.
Der Vortrag endete, ich hatte es vor zwei Wochen ja schon in meinem Veranstaltungshinweis angedeutet, mit dem Aufruf zur Teilnahme an einem Experiment:
Und zwar wurden die rund 130 Zuhörer des Vortrags, aufgrund der Thematik der Recruiter Summer Academy allgemein und des Vortragsthemas im Speziellen nahezu durchweg Personaler mit Recruiting, Personalmarketing und/oder Personalentwicklungsbackground, gebeten, den Kulturmatcher selber einmal zu durchlaufen. Dahinter stand die Fragestellung, ob es quasi so etwas wie eine
Wunsch-Unternehmenskultur von Recruitern
gibt, wenn ja, wie diese aussieht und ob diese homogen oder sehr divers ist.
Und? Gibt es DIE Wunsch-Unternehmenskultur von Recruitern?
Nun, erst einmal überaus erfreulich: Offenkundig hat Stefans Werkstattbericht und die Vorstellung des Messverfahrens sehr viel Neugierde geweckt, denn ein Großteil der Zuhörer folgte dem Aufruf tatsächlich und durchlief den Test vollständig. Insgesamt gingen 114 vollständige Befragungsergebnisse ein und bildeten die Datengrundlage für die nachfolgende Auswertung.
Die Teilnehmer waren im Durchschnitt 37,5 Jahre alt in einer Altersrange von 21 bis 63 Jahre und 88% verfügen über mindestens einen (Fach-)Hochschulabschluss oder Staatsexamen. 73% der Teilnehmer sind aktuell in Vollzeit angestellt, 10% in Teilzeit, 6% Freiberufler, 2% schreiben ihre Doktorarbeit und rund 6% befinden sich aktuell im Studium (2,5% als Bacheloranden, 3,5% als Master- oder Diplomanden).
Die durchschnittliche Berufserfahrung liegt bei immerhin 9,6 Jahren.
Was kam raus?
Nachfolgende Grafik zeigt die Ergebnisse der Erhebung:
Die runden Punkte zeigen hierbei jeweils den gemessenen Mittelwert auf den acht bipolaren Skalen des Messverfahrens (wie der Test funktioniert kann übrigens hier oder hier detaillierter nachgelesen werden), die kleinen Linien rechts und links davon zeigen dann jeweils die Streuung im Bereich einer Standardabweichung an.
Man erkennt:
- Die Befragten tendieren eher zu Work-Life-Balance-orientierten als zu karriereorientierten Kulturen,
- legen eher mehr Wert auf familiäre Arbeitsumfelder,
- tendieren eher zu Innovation als zu Tradition,
- eher zu Kooperation als Wettbewerb.
- Sie sind moderat risikobereit,
- eher unternehmerisch denkend als zurückhaltend und
- eher gruppen- als Ich-orientiert.
- Schließlich bevorzugen sie eher autonomie- als hierarchiebetonte Kulturen…
Also, liebe Teilnehmer: Ich hoffe, Ihr habt Euch jeweils einen Screenshot Eurer Ergebnisseite gemacht. Die könnt Ihr nun einmal neben die obige Grafik halten und einen Vergleich anstellen. Das würde übrigens in einem realen Anwendungsfall dann automatisiert passieren, der Cultural Fit mithin automatisiert berechnet werden…
Sieht so also nun DIE Recruiter-Wunsch-Unternehmenskultur aus?
Naja, eines kann man schon mal festhalten. Das Experiment ist insofern sicherlich schon einmal geglückt, dass eine doch gar nicht so kleine Zahl an Personen daran teilgenommen hat, die Daten also auf einem doch leidlich soliden Fundament stehen.
Die oben zu sehenden Ergebnisse sind auf jeden Fall spannend, weil sie interessante Tendenzen in den kulturellen Einschätzungen der Teilnehmer zeigen, die – das liegt bei der Teilnehmer der Recruiter Summer Academy nahe – tatsächlich mehr oder weniger alle aus einem “Recruiting-Umfeld” kommen. Von daher kann man – mit aller Vorsicht – schon von “unternehmenskulturellen Präferenzen von Recruitern” sprechen.
Ich bin zu sehr Hamburger, um hieraus vollmundig abzuleiten, dass es sich hierbei jetzt um die DIE Recruiter-Norm handelt, aber wie gesagt, eine Tendenzaussage steckt da ganz sicher schon drin.
Das zeigt sich nämlich in der Tat dann, wenn man neben der rein deskriptiven Statistik einen kleinen Tick tiefer bohrt. So sieht nämlich das oben gezeigte Profil dieser Stichprobe in der Gesamtschau gar nicht soo viel anders aus, als wir dies auch aus anderen Messungen kennen, im Detail sind die Unterschiede aber durchaus signifikant:
Beispielsweise tendiert die hier betrachtete Gruppe der Recruiter etwa sehr viel stärker in Richtung Autonomie als es die Messungen bei anderen Gruppen ergeben haben. Auch Risikobereitschaft, Unternehmertum und Innovation sind jeweils signifikant stärker ausgeprägt.
Wenn das mal keine guten Nachrichten für HR sind!
Naja, jetzt ist die Teilnehmerschaft einer Webinarreihe wie der Recruiter Summer Academy, die sich noch dazu einen so heißen Shice wie Data Driven Recruiting als Headline vorgenommen hat, sicherlich nicht als durchschnittlich zu bezeichnen, aber vielleicht ja meinungsbildend.
Dann hätten wir hier so eine Art “Wunsch-Unternehmenskultur innovativer Recruiter” gemessen.
Das wäre doch auch schon mal was… :-)
P.S.: Wer den Kulturmatcher selber einmal ausprobieren möchte, kann dies gern über den folgenden Link tun…: http://kulturmatcher.cyquest.net/
Tolles Experiment zum Cultural Fit, deckt sich auch mit unseren Erfahrungen!
Interessante Auswertung. Schade, sind Freelancer oder Freiberufler bei der Teilnahme so schwach vertreten und Teilnehmer in Vollzeit so stark übervertreten.