Schlagzeilen wie „Spielerisch zum Traumjob“ oder „Daddeln für die Karriere“ machen auf einen spannenden Trend aufmerksam: den Einsatz von Spielmechaniken im Bereich der Personalgewinnung. Dieser Ansatz wird als Gamification bezeichnet, also die Verwendung spielerischer Elemente in einem ursprünglich nicht spielerischen Kontext. Konkret bezogen auf den Bereich des Employer Branding, des Personalmarketings und der Personalauswahl wird dies unter dem Begriff „Recrutainment“ zusammengefasst.
Das Personalmagazin listete das Thema kürzlich in einer Aufstellung der möglichen HR Buzzwords für 2025 auf Platz 1…
Lars Jansen, Kristof Kupka und ich haben Recrutainment in unserem gleichnamigen bei Springer erschienenen Fachbuch definiert als den „Einsatz spielerisch-simulativer Elemente und Verfahren in Personalmarketing und Personalauswahl“. Damit ist Recrutainment der Sammelbegriff für jegliche Form von Gamifcation in der Personalgewinnung.
Obwohl Recrutainment bereits um die Jahrtausendwende mit Anwendungen wie „Karrierejagd durchs Netz“ oder „Challenge Unlimited“ erste Gehversuche machte, hat es erst in den letzten Jahren so richtig an Momentum gewonnen. Unternehmen wie Siemens, Unilever oder PwC nutzten diese Form der Bewerberansprache schon damals. Heute gibt es eine Vielzahl moderner Recrutainment-Ansätze, die in Fachpublikationen umfassend beschrieben werden und sowohl in der personalpolitischen Praxis als auch der akademischen Forschung relativ viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Diese Ansätze lassen sich in zwei Hauptkategorien unterteilen: Fremdselektion und Selbstselektion.
Kategorien von Recrutainment-Anwendungen
Verfahren der Fremdselektion dienen der Personalauswahl – und zwar derjenigen, die durch rekrutierende Unternehmen erfolgt – und setzen auf spielerisch angereicherte Testverfahren, die von Unternehmen entwickelt werden. In diesem Bereich findet mittlerweile einiges an akademischer Forschung statt, unter anderem um herauszufinden, welche Art von Gamification welche Wirkungen nach sich zieht. Zu dem Unterschied zwischen Game-based Assessment („Spiele als Test“) und Gamified Assessment („Tests in spielerischem Rahmen“) bzw. die sehr unterschiedliche Wirkung surrealer (Alien-/Drachen-/Ritter-etc. Geschichten) und „seriöser“ (Informationen über den konkreten Arbeitgeber, die zu besetzende Stelle usw.) Rahmenhandlungen haben wir bspw. hier oder hier im Blog ja auch schon verschiedentlich berichtet.
Anwendungen zur Selbstselektion hingegen ermöglichen es Bewerbenden, anonym ihre Eignung für bestimmte Berufe oder Arbeitgeber zu prüfen. Ziel solcher „Self-Assessments“ ist es, die Passgenauigkeit der Bewerbungen zu erhöhen und so die Grundquote im Recruiting zu steigern. D.h. es steht letztlich die Auswahlentscheidung im Mittelpunkt, die der potenzielle Bewerber bzw. die potenzielle Bewerberin trifft. Die Logik dahinter: Je besser die Bewerber von sich aus schon passen, desto besser wird auch die Personalauswahl der Unternehmen gelingen.
Recruiting Games als spielerische Berufserkundung
Eine spezielle Form der Self-Assessments stellen Recruiting Games dar. Diese digitalen Simulationen ermöglichen es Nutzenden, Berufe durch spielerische Aufgaben zu erleben. Die Spiele sind so gestaltet, dass sie vereinfachte, aber anforderungsorientierte Einblicke in berufliche Tätigkeiten bieten. Dabei steht weniger das Ergebnis im Fokus, sondern vielmehr die realistische Darstellung des Berufsalltags, um Interessierte zur Selbstreflexion anzuregen. Ziel ist es, eine fundierte Entscheidung für oder gegen eine Bewerbung zu erleichtern. Man kann es auf die einfache Formel „Berufsorientierung durch Erlebnis“ bringen, wie bei einer Art „Mini-Praktikum“.
Beispiele solcher Recruiting Games finden sich bei Unternehmen wie Porsche, Deloitte oder der Freien und Hansestadt Hamburg. Diese decken ein breites Spektrum an Berufen ab, von handwerklichen Tätigkeiten bis hin zu kaufmännischen Berufen.
Studie zur Wirksamkeit von Recruiting Games
Unter der Leitung von Prof. Lars Jansen führte die Hamburger Fern-Hochschule 2024 eine Studie zur Wirksamkeit der Recruiting Games durch. Untersucht wurden Spiele, die bei EDEKA Südwest eingesetzt werden, um drei Ausbildungsberufe erlebbar zu machen:
- Fachverkäufer*in für Lebensmittelhandwerk (Schwerpunkt Fleischerei),
- Kaufmann/Kauffrau im Einzelhandel und
- Kaufmann/Kauffrau im Groß- und Außenhandel.
Ziel dieser Recruiting Games ist es, Interessierten die Berufe näherzubringen und eine fundierte Berufsorientierung zu ermöglichen.
In den „EDEKA Einstiegs-Checks“ absolvieren Nutzende verschiedene Aufgaben, die typische Anforderungen des Berufsalltags simulieren. Beispiele in dem Recruiting Game für Fleischereifachverkäufer sind etwa das Bestücken der Fleischtheke, die kreative Präsentation von Produkten oder die Beratung von Kunden. Zusätzlich werden durch „Wusstest du schon?“-Boxen Vorurteile über bestimmte Berufe abgebaut. Bei Fleischerei-Fachverkäufern etwa das (falsche) Vorurteil, dass man in diesem Beruf Tiere schlachten würde.
Nach Abschluss des Spiels erhalten die Nutzenden eine Rückmeldung sowie weiterführende Informationen zu den Berufen und direkten Bewerbungsmöglichkeiten.
Ergebnisse der Studie
Die Studie, die zwischen Januar und Juli 2024 durchgeführt wurde, kam zu folgenden Ergebnissen:
1. Verbesserte Berufsorientierung: 82 % der Befragten gaben an, nach der Nutzung des Spiels besser über das jeweilige Berufsbild informiert zu sein.
2. Hohe Akzeptanz: 74,6 % bewerteten die Spiele mit „Sehr gut“ oder „Gut“. Zudem empfanden 86 % die Nutzung als unterhaltsam.
3. Positives Arbeitgeberimage: 78,2 % der Befragten nahmen EDEKA nach der Nutzung positiver als Arbeitgeber wahr.
Die Studie zeigte, dass die Bewertung der Spiele unabhängig von Alter, Geschlecht oder Videospielerfahrung ist. Ein leichter (positiver) Zusammenhang bestand lediglich zwischen der täglichen Bildschirmzeit und der Bewertung der Games.
Fazit und Ausblick
Recruiting Games können einen wichtigen Beitrag zur Arbeitgeberkommunikation und Berufsorientierung leisten. Die positiven Ergebnisse der EDEKA-Studie lassen sich vermutlich auch auf ähnliche Anwendungen übertragen. Um dies tiefergehend zu untersuchen, laufen gegenwärtig in einem weiteren Forschungsprojekt an der Uni Freiburg weitere Studien anhand von Recruiting Games, die TenneT zur Berufsorientierung einsetzt. Wir können gespannt sein…