Azubi-und Personalauswahl aus Sicht eines mittelständischen E-Commerce-Unternehmens

Wie sieht er aus, der perfekte Recruitingprozess? Diese Frage bekomme ich häufiger gestellt.

Nun abgesehen davon, dass es den perfekten Auswahlprozess gar nicht gibt und auch nicht geben kann, wird zudem in der allgemeinen Diskussion zumeist auf die Auswahlprozesse der großen Unternehmen abgestellt. Derjenigen, die aufgrund ihrer Größe sichtbare Arbeitgebermarken haben, viel Personalmarketing betreiben und natürlich auch in größeren Volumen rekrutieren. Was dabei ein wenig aus dem Blick gerät, ist die Tatsache, dass ein Großteil der Rekrutierungen jeden Tag in mittelständischen oder kleinen Unternehmen passiert. Da nennt man das dann vielleicht nicht unbedingt “Recruitingprozess”, aber selbstverständlich muss man auch hier die Frage beantworten, wie man mit möglichst vertretbarem Aufwand und Kosten, möglichst passende Personen einstellt.

So entwickelte sich hierzu kürzlich ein sehr spannender Gedankenaustausch mit einem unserer CYQUEST Mitgründer. Stefan Schmahl hat CYQUEST vor bald 21 Jahren einmal mitgegründet und ist dem Unternehmen auch nach wie vor auch sehr eng als Gesellschafter verbunden. Sein Broterwerb allerdings liegt woanders. Er ist als Berater und Unternehmer im Bereich Online-Marketing und E-Commerce aktiv, insbesondere im Rahmen der Digitalisierung klassischer Handelsgeschäfte. Vor diesem Hintergrund baute er auch maßgeblich die Uhrzeit.org GmbH mit auf, einen der meistbesuchten Online-Shops für Uhren in Deutschland.

Und na klar, auch Uhrzeit.org rekrutiert. Unter anderem jedes Jahr im Frühling wieder neue Azubis. Stefan hat seine Erfahrungen dabei einmal in einem kleinen Gastartikel niedergeschrieben, der sicherlich den einen oder anderen Gedanken auch für andere mittelständische und kleine Unternehmen beinhaltet.

Stefan, deine Bühne…!

>> Gastbeitrag von Stefan Schmahl:

Jedes Jahr beginnt etwa im März die aktive Arbeit für die Suche und Auswahl neuer Azubis. Insbesondere für die Stellen im Marketing und E-Commerce stellen beide Aufgabe eine große Herausforderung für die Uhrzeit.org GmbH, einen der führenden Online-Juweliere in Deutschland mit großem Fachgeschäft in Hamburg, dar.

Unsere Berufung ist dabei jedes Jahr, nicht das Risiko einer nicht optimalen Auswahl zu minimieren, sondern passende Kandidatinnen und Kandidaten zu identifizieren, die andere Arbeitgeber nicht erkannt haben. Das ist eine immer wieder neue, sehr große Herausforderung.

Die Lebensläufe bei Schülerinnen und Schülern haben (noch) nicht allzu viel zu bieten. Ein wenig schulisches und außerschulisches Engagement, aber solche Aktivitäten sind schwierig objektiv zu bewerten und runden wohl eher den positiven Gesamteindruck ab, als dass sie wirklich geeignete Kandidat/inn/en von weniger geeigneten diskriminieren.

Schulabschlüsse und Noten sind zunehmend schlicht nicht (mehr) miteinander vergleichbar. Klassisches Gymnasium, Stadtteilschule, Privatschule, Gesamtschule, Fachoberschule und die unterschiedlichsten Gewichtungen und Mengen an Prüfungsfächern, Fächern mit erweiterten Anforderungen sowie Praxisteilen erlauben einen objektiven Vergleich grundsätzlich nicht. Gewichtungen nach Schulformen oder Abschlüssen lassen in den meisten Fällen weder die Bewerbungszahlen zu noch wären sie viel mehr als subjektive Bewertung auf Basis jüngerer Erfahrungen oder gar des eigenen Bildungshintergrundes. Gewichtungen von Noten in Hauptfächern o.ä. haben laut verschiedenen Metastudien keine verbesserte Varianzaufklärung gebracht und scheiden als probates Mittel zur Verbesserung der Auswahl daher leider auch aus.

Interviews (möglichst natürlich strukturiert) sind zeitaufwendig, erfordern einiges an Organisation und müssen aufwendig ausgewertet werden. Von der wachsenden Zahl an „No-Shows“ oder Verspätungen gar nicht erst zu sprechen.

In mir reifte daher der Gedanken, dass wir Instrumente benötigen, die effizient, kurzfristig und für möglichst alle Bewerber/innen einsetzbar sowie möglichst objektiv und einfach vergleichbar sein mussten. Das könnte den Prozess vor einem persönlichen Kennenlernen maximal beschleunigen und müsste keine Rücksicht auf komplexe Schulabschlüsse nehmen. Eindeutig messbare Ergebnisse sollten auf Basis empirischer Normen möglichst einfach mit anderen Bewerbungen vergleichbar sein.

Auf diesen Weise – so die These – wollten wir interessante Kandidat/inn/en schnell ansprechen und möglichst durch persönliches Gespräch und einen extrem klar strukturierten Probearbeitstag vor anderen Arbeitgebern kennenlernen und überzeugen. Kurz: Wir wollten das Potential der Bewerber/innen erkennen und darauf eine Zusammenarbeit aufbauen.

Extrem geholfen hat uns dabei der QualiMatcher von CYQUEST. Dem Unternehmen CYQUEST bin ich als Gesellschafter eng verbunden und auch in die strategische Ausrichtung und daraus resultierenden Entwicklungen weiterhin involviert. Da lag es nahe, die Ergebnisse genau dieses Denkprozesses („Wie kann man auch kleineren und mittleren Unternehmen Zugang zu wissenschaftlich evaluierten Online-Tests verschaffen?“) auch für Uhrzeit.org zu nutzen. Dank der in realen Bewerbungssituationen erhobenen Normen zu verschiedenen Ausbildungsberufen sind die Ergebnisse quasi in Echtzeit vergleichbar und die Entscheidung kann zunächst ausschließlich auf Basis kognitiver Fähigkeiten erfolgen.

Die Einladung zum persönlichen Kennenlernen erfolgt so schneller als bei anderen Unternehmen und wir können Dimensionen wie Motivation und Interessen sowie Kenntnisse im strukturierten Interview erheben. Die Einladungen zum Kennenlerntag im Unternehmen erfolgt ebenfalls früh, so dass frühzeitig ein 360 Grad Feedback vorliegt.

Der QualiMatcher erfordert keine komplexe Systemeinbindung, die Ergebnisse sind anschaulich und für jeden sofort verständlich und können sowohl mit komplexen Bewerber-Management-Systemen als auch ohne problemlos verwendet werden.

Dank dieses neuen, schlanken Auswahlprozesses konnten wir wiederholt Talente identifizieren, die in den meisten klassischen Auswahlprozessen nicht entdeckt wurden.

Durchaus verblüffend ist die hohe prognostische Validität des Testergebnisses für den späteren Arbeitserfolg. Uns ging es wohlgemerkt darum, Kandidat/inn/en zu entdecken, die nicht bereits seit jungen Jahren auf Basis ihrer eigenen Motivation und ihres Ehrgeizes alles getan haben, um eine positive Selektion herbei zu führen. Also die verborgenen Talente bzw. diejenigen, denen es vielleicht auch nur an Förderung seitens Eltern und Schule fehlte, um ihr Potential bereits in der Schule voll nutzen zu können.

Nach den guten Erfahrungen möchten wir weitere Verfahren, etwa zur Messung von Interessen und Persönlichkeit für den Auswahlprozess einsetzen. Gerade als kleineres oder mittelständisches Unternehmen muss man schnell und innovativ vorgehen, um das Wettrennen um Talente erfolgreich gestalten zu können.

Positiv überrascht waren wir, wie gut der Online-Test von den Bewerber/inne/n angenommen wurde. Die Maßnahme wurde durchweg positiv beurteilt, da sie von zu Hause bearbeitet werden konnte, transparent war, was gemessen wird und warum sowie sich die Kandidat/inn/en mit dem Medium wohlfühlten.

Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor ist es aus meiner Sicht, den Auswahlprozess auch für die Kandidat/inn/en möglichst schlank zu halten. Statt ausgiebiger Eingabe von CV-Daten und umfangreichen Motivationsschreiben wollen wir uns im ersten Schritt auf objektive Faktoren von möglichst vielen Bewerbungen konzentrieren und persönliche Erfahrungen ans Ende des Auswahlprozesses setzen.

Die Ergebnisse haben uns in der Praxis sogar positiv überrascht. Hinter wenig auffälligen Profilen verbargen sich High-Potentials, die diesen Eindruck im weiteren Auswahlprozess festigen und im Job bestätigen konnten. Wir werden in Zukunft sicher weitere Online-Tests einsetzen für einen effizienten und überdurchschnittlich erfolgreichen Auswahlprozess.

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