Matching auf Basis von Persönlichkeitstests: Das Beispiel MATCHINGBOX

Neben Matching auf Basis von Einblicken und besserem Kennenlernen und Matching auf Basis (selbstlernender) Algorithmen und Ontologien ist die dritte große Strömung beim Matching der Einsatz von eignungsdiagnostischen Tests bzw. Persönlichkeitstestverfahren.

In diese (dritte) Kategorie fällt auch das Angebot des Frankfurter Startups MATCHINGBOX.

In einem der allerersten Artikel meiner Artikelreihe zum Thema Matching hatte ich vor ziemlich genau einem Jahr schon einmal angekündigt, dass ich mir Matchingbox einmal genauer ansehen will, weil – das liegt wenn man selber aus der Testecke kommt auf der Hand – mir diese Ansätze natürlich sehr nahe liegen.

Jetzt hat es bei Matchingbox aber wohl doch ein paar Tage gedauert, bis man soweit war, die Testverfahren und die Plattform an den Start zu bringen, die dann zudem Anfang der Woche auch noch einmal in neuem Look relauncht wurde, weshalb ich erst jetzt dazu komme.

Also: Wie funktioniert Matchingbox?

Start_neu

Das Versprechen der Seite lautet…

jungen Bewerbern auf Basis ihrer Persönlichkeit geeignete Unternehmen vorzustellen. Dabei kommen gezielt wissenschaftliche Analyseverfahren zum Einsatz, die den Talenten nicht nur ihre Stärken und Kompetenzen aufzeigen, sondern auch Aufschluss geben bei der Wahl des passenden Studiums oder Berufs.

Hier basiert also alles Persönlichkeit und deren Erfassung mit Hilfe wissenschaftlicher Analyseverfahren.

Wie sehen die Persönlichkeitstests aus?

Es gibt bei Matchingbox drei, oder besser: “dreieinhalb”, Testverfahren:

  • Eine Persönlichkeitsanalyse,
  • eine Berufstypanalyse (die sich aus zwei verschiedenen Testverfahren zusammensetzt) und
  • eine Präferenzanalyse

Der Persönlichkeitstest – als Kern der Plattform

Persönlichkeit_1_neu

Man erhält insg. 70 Frageitems, bei denen man jeweils einen von zwei Distraktoren auswählen muss, der in der entsprechenden Situation besser zu einem selber passt bzw. einen selber besser beschreibt. Also so etwas wie…

Ich bin eher… ein praktisch veranlagter Mensch vs. … ein kreativer Mensch

Man misst hier also nicht entlang von Skalen (also so etwas wie “…bitte schätzen Sie ein, inwieweit Sie folgendes Merkmal beschreibt auf einer Skala von 0 bis 10”), sondern mit Hilfe von Forced Choice Items, also Items, die keine Abstufung der Ausprägung zulassen, sondern bei denen man sich entscheiden muss.

Das legt die Vermutung nahe, dass man hier nicht normativ misst (also das spätere Ergebnis nicht durch den relativen Vergleich mit anderen entsteht), sondern ipsativ. Das heißt das spätere Resultat des Persönlichkeitstests beschreibt nur die “Person in sich”, nicht im Vergleich zu anderen.

Die bei der Matchingbox im Persönlichkeitstest verwendeten Items erinnern daher auch sehr an Items, die vielleicht der eine oder andere aus dem Myers-Briggs-Typenindikator (MBTI) kennt.

Wie sich dann nachher auch beim Ergebnis zeigen wird, resultieren daraus dann auch oft keine skalierten Persönlichkeitsprofile, sondern eben sog. “Typen”. Doch dazu unten mehr…

Die Berufstypanalyse

Diese setzt sich wie gesagt aus zwei Sub-Testverfahren zusammen:

Berufstyp1_neu

Im ersten geht es wiederum darum, in typischen beruflichen Situation jeweils die Teilfacette auszuwählen, die einem in der Situation mehr liegen würde. Also so etwas wie…

Am Filmset einer Daily Soap… eher das Regiepult bedienen vs. … das Drehbuch schreiben

Auch hier also Forced Choice Format wie beim Persönlichkeitstest. Aber im Unterschied zum Persönlichkeitstest drehen die Items sich hier um berufliche Situationen und nicht um eigene Merkmale.

Im zweiten Subtest der Berufstypanalyse rückt man dann aber von ipsativer Messung ab. Hier werden einem 50 Tätigkeitsbeschreibungen vorgelegt, die man dann auf einer fünfstufigen Skala von “sehr ungern” bis “sehr gern” für sich selber bewertet.

Berufstyp2_neu

Das hat offenbar große Nähe zur beruflichen Interessendiagnostik. Einige Items sehen mir sehr danach aus, als wenn das sog. “RIASEC-Modell” nach John Holland zumindest Pate gestanden hat (was ich für absolut legitim und sinnvoll halte).

Die Präferenzanalyse

In der Präferenzanalyse schließlich soll man insg. acht Begriffe aus dem beruflichen Kontext – von “Work-Life-Balance” und “Expertenwissen” bis “Kreativität” und “Dienst am Allgemeinwohl” per Drag & Drop in eine persönliche Präferenzrangfolge bringen.

Präferenzanalyse_neu

Also: Ist einem “Work-Life-Balance” möglicherweise wichtiger als “Auslandserfahrung”? Wird aber beides möglicherweise von “Unabhängigkeit” dominiert? Dann wäre die Reihenfolge:

  1. Unabhängigkeit
  2. Work-Life-Balance
  3. Auslandserfahrung

Hier geht es also um das Ausloten, welche Werte, welcher Cultural Fit möglicherweise am Ende die Passung oder Nicht-Passung zu dem einen oder anderen Job, zu dem einen oder anderen Arbeitgeber definieren.

Das Ergebnis

Der spannende Moment bei Tests ist natürlich immer das Ergebnis am Ende. Dieses ist, wie ich oben bereits angedeutet habe, bei der Matchingbox typologiebasiert.

Statt also etwa einzelne Merkmale und deren absolute und relative Ausprägung zu erhalten, was dann z.B. so aussehen würde…

Persönlichkeit_JobPersonality

Persönlichkeit_JobPersonality_2

…sortiert einen die Matchingbox einem Typen zu. In meinem Fall war bzw. ist das der sog. “Organisator”:

Ergebnis_lang_neu

Der persönliche Typ wird dann entsprechend beschrieben (…logisch veranlagt, analytisch, entschlussfreundlich, kompromisslos und nutzt auf systematische Weise nur klare Fakten…) und attribuiert (…durchsetzungsfähig, direkt, effizient, gesellig…) und kommentiert (…Bei der Arbeit im Team sorgt der „Organisator“ wie kein anderer für ein zufriedenstellendes Endergebnis…).

Ferner spielt einem die Matchingbox basierend auf dem individuellen Typ Berufs- und Studienempfehlungen aus. Das waren in meinem Fall Betriebswirt Absatz/Marketing oder Betriebsleiter kaufmännisch als Berufs- oder Marketing/Werbung oder PR und Kommunikation als Studienempfehlungen.

Ich würde sagen, das trifft insgesamt doch ganz gut, wenngleich man allerdings typologiebasierten Verfahren immer ein wenig nachsagt, dass man sich in den Rückmeldungen immer irgendwie wiederfindet…

Dieses Ergebnis stellt dann die Basis für das spätere Matching dar.

Das allerdings liefert gegenwärtig noch nicht viel an Ergebnissen, was sicherlich daran liegen wird, dass die Matchingbox noch am Anfang steht und infolgedessen noch nicht viele Stellen und Arbeitgeber vorhanden sind, auf die sich das Matching dann beziehen kann.

Mein Fazit

Nein, ich möchte an dieser Stelle nicht en detail auf den ewig währenden Meinungsstreit rund um die Frage typologiebasierte versus deskriptive Testverfahren eingehen. Aber ganz drumherum kommt man bei einer kritischen Würdigung des Matchingbox nicht, insb. auch weil in dem eingangs vorgestellten Leistungsversprechen der Matchingbox von “wissenschaftlichen Analyseverfahren” die Rede ist:

Typologien zeichnen sich oft dadurch aus, dass sie “irgendwie sprechender”, also im Auge des Betrachters nachvollziehbarer und plastischer sind. So wird mein “Typ” im Myers-Briggs-Typen-Indikator (ENTJ) oft als Lenker oder noch etwas martialischer als Feldmarschall bezeichnet. “ISFJ”-Typen sind zum Beispiel Beschützer, ich habe die aber durchaus schon als “Cinderella” übersetzt gefunden…

MBTI_Disney

Diese augenscheinliche Übersetzung in Typen ist auf den ersten Blick charmant, weil es gleich Bilder im Kopf auslöst, mit denen man die Komplexität der Persönlichkeit sehr stark vereinfacht bekommt. Das ist sicherlich auch der Grund für den großen kommerziellen Erfolg typologiebasierter Verfahren wie MBTI, DISC oder dem Golden Profiler of Personality.

Auf der anderen Seite sind diese Verfahren in der Wissenschaft stark umstritten, weil der Nachweis, warum man laut Test jetzt eben so und nicht anders ist, oft nicht erbracht wird oder erbracht werden kann.

Auch sitzt bei Typologien immer das Problem mit am Tisch, dass man sich in dem jeweiligen Typ immer irgendwie wiederfindet. Das erklärt die hohe Augenscheinvalidität, aber – ein bisschen böswillig formuliert – das gilt für für Horoskope und Brigitte-Tests oft auch…

Insofern würde ich die “Wissenschaftlichkeit”, mit der die Matchingbox wirbt, zumindest etwas in Anführungszeichen setzen…

Dennoch: Mir gefällt der Ansatz der Matchingbox insg. gut.

Zum einen weil ich glaube, dass Matching insgesamt einer stärkeren diagnostischen, also testbasierten Untermauerung bedarf.

Und zweitens, weil ich finde, dass man sich hierzu bei Matchingbox eine ganze Menge Mühe und schlaue Gedanken gemacht hat: Die die Passung zwischen Mitarbeiter und Unternehmen beeinflussenden Faktoren werden aus verschiedenen Perspektiven und durch verschiedene Testinstrumente beleuchtet, so dass eine solide Basis gelegt wird, auf der dann auch gematcht werden kann.

Allerdings – ich wiederhole mich – steht jeglicher Matching-Ansatz immer vor der Henne-Ei-Problematik: Wenn nicht in genügender Menge aussagekräftige Profile vorliegen, gibt es keinen Anreiz für Unternehmen, sich auf der jeweiligen Plattform zu engagieren und ihren Teil zum Matching zu tun. Wenn es aber nicht genügend Unternehmen (und damit Stellen) gibt, hält sich Anreiz für Stellensuchende in Grenzen, sich selber einer Reihe von Testverfahren zu unterziehen und aufwendig ihre Profile zu erstellen.

Matchingbox könnte diese Nuss von der Userseite her knacken, weil es für viele Karriereinteressierte an sich schon einen Wert darstellt, sich einem (Selbst-)Test zu unterziehen (auch unabhängig von der Frage, ob darauf basierend dann ein Matching stattfindet), aber das zu bohrende Brett bleibt ein dickes…

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