Vor einiger Zeit haben wir ja hier die verschiedenen Stellhebel, die eine (Personal-)Auswahlentscheidung beeinflussen, schon einmal eingehend beschrieben – siehe hierzu den Beitrag „Was macht eine Auswahlentscheidung eigentlich “gut”? Zusammenhänge der Selektionsdiagnostik„. Wir haben diesen Zusammenhang im Rahmen eines eAssessment Projekts nun kürzlich nochmal für einen Kunden aufbereitet und ich finde, dieses Zahlenbeispiel macht das Zusammenspiel aus Fremdauswahl und Selbstauswahl noch besser deutlich. Von daher wollen wir es den Lesern des Recrutainment Blog nicht vorenthalten:
In einem fiktiven Zahlenbeispiel sind wir ausgegangen von:
- 100 Bewerbern
- 50% davon sind „geeignet“ (50% Eignungs- oder Grundquote)
- 50 Personen werden „ausgewählt“, d.h. es werden 50 Stellen besetzt (50% Selektionsquote)
- Die Prognosegüte („Validität“) des Auswahlverfahrens liegt bei .35 (was in etwa dem Lesen des Lebenslaufs, also der Sichtung des biografischen Materials entspricht)
Diese Gegebenheiten sind in den nachfolgenden Diagramm abgebildet. Die „Güte“ des Verfahrens drückt sich hierbei durch die Form der Elipse aus. Bei einer prognostischen Güte von 1 wäre die Elipse ein Strich von links unten nach rechts oben.
Man erkennt, dass von den 50 ausgewählten Personen 31 „richtige“ ausgewählt wurden, aber eben auch 19 „falsche“. Die Trefferquote liegt bei bescheidenen 62%.
Verbessert man nun den Auswahlprozess, in dem man z.B. zusätzlich zu den biografischen Kriterien auch noch ein eAssessment Verfahren einsetzt, so erhöht sich die Verfahrensgüte. In unserem Zahlenbeispiel sind wir mal von einer Verbesserung der prognostischen Validität auf einen recht guten Wert von .60 ausgegangen. Die anderen Begebenheiten bleiben erstmal gleich. Also:
- 100 Bewerber
- 50% davon sind „geeignet“ (50% Eignungs- oder Grundquote)
- 50 Personen werden „ausgewählt“, d.h. es werden 50 Stellen besetzt (50% Selektionsquote)
- Die Prognosegüte („Validität“) des Auswahlverfahrens liegt bei .60
Durch die Verbesserung des Auswahlgüte wird wie oben beschrieben die Elipse „weniger rund“.
Von den 50 ausgewählten Personen sind jetzt immerhin 35 „richtig“ ausgewählt worden, Trefferquote 70%. 30% werden aber immer noch fälschlich ausgewählt. Und: 30% derer, die man eigentlich gern genommen hätte, werden abgelehnt.
Schafft man es nun, die Selbstauswahl der Kandidaten zu verbessern wird es spannend. Angenommen es sind nicht nur 50% der Bewerber potentiell geeignet, sondern 70% ergibt sich folgendes Bild:
- 100 Bewerber
- 70% davon sind „geeignet“ (70% Eignungs- oder Grundquote)
- 50 Personen werden „ausgewählt“, d.h. es werden 50 Stellen besetzt (50% Selektionsquote)
- Die Prognosegüte („Validität“) des Auswahlverfahrens liegt bei .60
Wie man sieht steigt hierdurch die Trefferquote auf immerhin 88% an, d.h. von 50 ausgewählten sind immerhin auch 44 Treffer! Es ist recht klar, dass man kaum durch die Gestaltung der eingesetzten Auswahlinstrumente wie Tests, Interviews, Assessment Center etc. darauf Einfluss nehmen kann, wie gut diejenigen passen, die sich beim Unternehmen bewerben. Es ist klar, dass diese „Auswahlentscheidung“ auf Seiten des Kandidaten liegt. Zunächst einmal entscheidet dieser, ob er überhaupt ein „Bewerber“ werden möchte. Das Unternehmen kann hierauf nur aber natürlich kommunikativ, z.B. durch Employer Branding Maßnahmen oder Selbsttest-Instrumente Einfluss nehmen, denn je klarer das Bild über das Unternehmen ist und je besser der Informationsstand darüber, was einen als Bewerber eigentlich erwartet, umso eher kann davon ausgegangen werden, dass sich passende Kandidaten auch bewerben und unpassende es lassen.
Schließlich kann auch die Auswahl- oder Selektionsquote ein Hebel sein. Stellt man in unserem Beispiel nämlich etwa nur 30 statt wie bisher 50 Personen ein, so verändert sich das Bild wie folgt:
- 100 Bewerber
- 70% davon sind „geeignet“ (70% Eignungs- oder Grundquote)
- 30 Personen werden „ausgewählt“, d.h. es werden 30 Stellen besetzt (30% Selektionsquote)
- Die Prognosegüte („Validität“) des Auswahlverfahrens liegt bei .60
Von den 30 ausgewählten sind nun 28 oder 93% „Treffer“. Den gleichen Effekt würde man übrigens erzielen, wenn man zwar wie bisher 50 Personen einstellen würde, aber nicht aus 100 Bewerbern, sondern aus 167 auswählen könnte, also „selektiver“ sein kann. Daraus wird ersichtlich, dass auch die Anzahl der eingehenden Bewerbungen einen direkten Einfluss auf die Qualität der Personalauswahl haben kann. Dies ist ein klares Plädoyer dafür, dass immer auch Personalmarketing-Anstrengungen unternommen werden sollten, ein gewisses Grundrauschen an eingehenden Bewerbungen nicht zu unterschreiten.
Insg. ist es also wichtig – speziell im zunehmenden Wettbewerb um gute Mitarbeiter – sowohl einen guten Auswahlprozess zu haben, als auch durch Information, Kommunikation und Orientierung dafür zu sorgen, dass eine gute Selbstauswahl stattfinden kann. McDonald´s Personalvorstand Wolfgang Goebel drückte es in seinem Interview „Mitarbeiter als Sprachrohr“ mit der Zeitschrift „Human Resources Manager“ bezogen auf die jüngste McDonald´s Kampagne so aus: „Es ist nämlich keine Werbung, sondern eher ein Stück Dokumentation über McDonald´s. Fakt ist: Wir brauchen das, um die Wahrnehmung von McDonald´s zu verändern. Es hilft uns auch im Recruiting – Employer Branding und Recruiting kann man heute nicht mehr voneinander trennen.„
Genau!
Autor: Jo Diercks
8 Gedanken zu „Auch Selbstauswahl ist wichtig für eine gute Personalauswahl“