Ecoute, Final Round, Tech-int-cheat – wie Bewerbende KI einsetzen können, um im Job-Interview möglichst gut auszusehen…

Wie schlau ist KI wirklich? Und vor allem: Wie wird sich dies auf die Personalgewinnung auswirken?

Wie Ihr wisst, treiben uns Fragen wie diese hier im Blog recht stark um. So werden wir beispielsweise häufig von Kunden gefragt, ob nicht die eingesetzten Auswahltests mit Hilfe von ChatGPT zu lösen seien. Vor diesem Hintergrund führen wir fortlaufend sehr umfangreiche Versuche durch, um eben dies einschätzen zu können. Um dies einmal zu verdeutlichen hatte ich etwa vor ein paar Tagen bei LinkedIn beschrieben, wie eine KI (in diesem Fall ChatGPT4o) eine typische Aufgabe aus einem kognitiven Leistungstest zu lösen imstande ist.

In diesem Fall war die Lösung der Aufgabe durch die KI falsch, auch wenn die Antwort sehr selbstbewusst vorgetragen wurde und scheinbar auch schlüssig hergeleitet erschien. In anderen Fällen gelingt der KI die Lösung hingegen durchaus. Daher lautet an dieser Stelle unser aktuelles Zwischenfazit: Man sollte sich nicht wirklich darauf verlassen, dass KI den Test erfolgreich für einen lösen wird.

Aber worauf ich heute eigentlich hinaus will, ist die hinter solchen Themen stehende Frage: Wie und in welchem Umfang setzen Bewerbende KI denn überhaupt im Rahmen ihrer Bewerbung ein? Das obige Beispiel bezieht sich ja nur auf die Zuhilfenahme bei der Bearbeitung eines Online-Tests. Aber KI kann (und wird?) ja auch bei allen möglichen anderen Auswahlmethoden zum Einsatz kommen. Tests sind hierbei wahrscheinlich sogar noch die eher weniger „gefährdeten“ Methoden.

Dass Anschreiben mit ChatGPT oder anderen generativen KIs erstellt werden, dürfte mittlerweile wohl eher der Regelfall als die Ausnahme sein. Lebensläufe, Zeugnisse etc., all diese sind ebenfalls vergleichsweise einfach künstlich erzeugt. Kurze Zwischenfrage: Wer von euch, liebe RecruiterInnen, verifiziert etwa die Authentizität von mit der Bewerbung eingereichten Zeugnissen…? Genau.

Dass auch Fotos ziemlich simpel verändert werden können, hatten wir hier ja auch schon mal im Blog.

Aber all das ist ja eher noch Kindergarten. Wirklich spooky wird es bei Auswahlmethoden, die man so gemeinhin für vermeintlich manipulationssicher hält. Zum Beispiel das Job-Interview.

Im März hatten wir hier eine Demo des Anbieter AIApply beschrieben. Mit dieser App führt ein Avatar vollkommen selbständig ein Job-Interview, während die echte Person entspannt daneben sitzt…

Aber hier gibt es noch eine ganze Reihe anderer Beispiele…

Die App Ecoute bspw. lauscht beim Interview mit, „hört“ die Interviewfrage, transkribiert diese in Echtzeit und liefert der interviewten Person – ebenfalls in Echtzeit – passende Antworten auf diese Frage, die dann nur noch abgelesen werden muss.

@youraiclub AI is getting wild folks! 🤯🤯🤯 #chatgpt #ai #ecoute #aitools ♬ In The Forest (Acoustic Indie No Copyright) – Instrumental – Lesfm & Olexy

Ganz ähnlich funktioniert etwa Final Round AI. Und diese App ist zudem auch noch ganz explizit auf die – nennen wir es wohlwollend – „Unterstützung“ des Job-Interviews ausgelegt.

Und dass sich dieses nicht nur auf so schlaue Allgemeinplätze wie die Frage „was ist ihre größte Schwäche“ beziehen kann, sondern auch auf Wissensfragen, demonstriert dieser Case der App (und Browser-Extension) Tech-int-Cheat

Hier steckt also der „Betrug“ sogar schon im Namen.

Nun, die Frage, inwieweit dies Betrug ist oder am Ende irgendwie nur der Lauf der Dinge (man nutzt ja auch heutzutage Rechtschreibkorrekturen in Word oder Taschenrechner zum kalkulieren, was ja auch keiner mehr ernsthaft als illegitim einschätzen würde), die wird sicher noch etwas intensiver diskutiert werden.

Um diese Form des „AI Enhancements“ vorerst sicher auszuschließen (also wirklich „sicher“ meine ich, denn die oftmals propagierten Proctoring-Lösungen wie eine mitlaufende Kamera oder eine KI, die „verdächtige“ Lippen- oder Augenbewegungen „bemerkt“, sind ja auch keine Garantie und selber manipulierbar – von allen damit zusammenhängenden Folgeproblemen wie Datenschutz etc. mal ganz abgesehen…), muss man letztlich alle Bewertungs- und Auswahlmethoden wieder vor Ort „unter Aufsicht“ durchführen. Das dürfte dann aber dazu führen, dass man einige KandidatInnen verliert, weil diese dann für unbequem und unzeitgemäß halte. Von deutlich höherem Aufwand und Mehrkosten ganz zu schweigen.

Und auch die „Testung unter Aufsicht“ wird über kurz oder lang keine Garantie mehr sein, dass sich eine Person nicht doch maschinell unterstützen lässt – In-Ear Kopfhörer, Smart-Glasses und -Lenses oder sogar Implantate (Neuralink…) können ja auch vor Ort genutzt werden. Ein Cyborg ist eben auch unter Aufsicht „enhanced“…

Nun. In Teilen ist all das oben dargestellte sicher noch nicht mainstream und ob das in der Praxis dann nachher wirklich so eine große Hilfe ist, sei mal dahingestellt. Aber, und dieser Punkt ist mir wichtig, all diese Beispiele zeigen, dass „KI im Recruiting“ eben nicht nur die Unternehmensseite betrifft und die Frage, welche Tools denn Unternehmen in diesem Kontext wohl einsetzen können und sollten. Nein, auch die Bewerbendenseite hat Zugang zu solchen Tools und wird diese einsetzen.

Wenn der Bot sich beim Bot bewirbt… Ich habe dieses Phänomen schon mehrfach als ein drohendes „Rattenrennen“ bezeichnet.

Übrigens: Genau zu diesem Thema werde ich im Herbst ein paar Vorträge halten (u.a. auf der Recruiting Convention am 3.10 in Zürich), aber dazu in Kürze mehr…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert