Weihnachtsgedanken: Keiner will den Zug verpassen. Aber welchen soll man nehmen? Die Aussichten für´s Recruiting…

Der HR-Markt wirkt auf mich aktuell wie ein großer Bahnhof:

Alle sind aktuell maximal aktiviert, laufen aufgeregt umher und sind aufbruchbereit oder sagen wir mal zumindest überzeugt, dass “die Reise los geht”. Keiner will den Zug verpassen. Es stehen auch auf allen Gleisen abfahrbereite Züge. Aber diese fahren durchaus in sehr unterschiedliche Richtungen und keiner weiß so recht, welchen Zug man denn überhaupt nehmen soll. Und im falschen will man dann auch nicht sitzen.

Man versteht, um im Bild zu bleiben, buchstäblich Bahnhof…

Die Gemengelage aus Arbeitskräftemangel bei gleichzeitiger Rezession, De-Risking oder De-Industrialisierung, Post-Pandemie und New Work, Klimakrise und Energiewende, Kriegen in Europa und der Welt, Rechtspopulismus, Migration und technologischer Disruption (Stichwort KI) ist extrem unübersichtlich. Vor allem aber ist sie oft widersprüchlich und so werden teilweise auch komplett entgegengesetzte Schlüsse daraus gezogen und Maßnahmen ergriffen.

Ein Beispiel:

Bedeutet der Mangel an Bewerbern, dass man die Anforderungen im Recruiting senken soll? Nach dem Motto: “Wer weniger Auswahl hat, der kann nicht mehr so wählerisch sein”. Oder heißt das, dass man im Gegenteil desto genauer hinsehen muss? Denn wenn die Auswahl nicht gelingt, dann kostet das nicht nur viel Geld (Einarbeitung, Minderleistung etc.), sondern man muss auch viel schneller wieder los, um in dem leergefischten Teich zu angeln. Beide Sichtweisen haben eine gewisse Logik und beide Handlungsweise begegnen einem im Markt. Aus der gleichen Ausgangslage werden diametral unterschiedliche Konsequenzen abgeleitet.

Und so ist der Bahnhof voll und alle tauschen sich intensiv mit anderen Reisenden aus, welche Richtung denn die richtige sein könnte. Man kann dies an der Vielzahl an Events, Kongressen, Tagungen, Festivals, Summits, Afterworks, Slams, Barcamps usw. ablesen, die dann auch alle gut besucht sind.

Unsicherheit erzeugt Austauschbedarf. Erst recht, wenn es keine einfachen Antworten gibt.

Slogans wie “Retention ist das neue Recruiting!”, “KI wird die Personalgewinnung revolutionieren” oder “Ohne New Work kann man die GenZ nicht mehr gewinnen!” sind schnell formuliert. Doch was bedeuten sie eigentlich?

Retention ist ja kein Tool, das ich einkaufen kann. Es ist ja noch nicht mal eine Disziplin… Retention ist wenn es gut läuft ein Resultat. Und zwar ganz vieler Dinge, die dafür getan werden müssen:

  • Im Employer Branding und Personalmarketing muss trennscharf kommuniziert werden, was sich hinter Arbeitgeber und Stelle verbirgt, denn Menschen, die wissen, was auf sie zukommt, sind später auch seltener (böse) überrascht – und bleiben länger im Unternehmen.
  • Im Recruiting muss viel stärker auf Passung geachtet werden (ist allerdings auch so ein Slogan… Denn was ist Passung? Das muss auch erstmal klargezogen werden, Stichwort: Anforderungsanalyse…). Denn wer besser passt (zu den Anforderungen, kulturell etc.), der bleibt länger im Unternehmen.
  • Und die Personalentwicklung muss Bindung als vordringliches Ziel betrachten – Up- und Re-Skilling werden immer dringlicher. Doch auch hier gilt: Man kann nicht einfach sagen “wir machen jetzt mal mehr Up- und Re-Skilling”. Denn es ist ja nicht jeder up- und re-skillbar und schon gar nicht einheitlich auf die gleichen Dinge und in gleicher Bedürftigkeit. Man muss schon genauer hinsehen (und zwar am besten schon in der Personalgewinnung), denn nur so lassen Menschen sich auch gezielt entwickeln. Und damit binden.

Stichwort KI: Löst KI all unsere Sorgen? Hmm, vielleicht. Aber ganz sicher nicht von allein.

KI muss erstmal verstanden werden. Was kann sie, was nicht? Worin ist sie gut, worin nicht? Was muss getan werden, damit sie hilft? Was IST überhaupt KI und welche Regeln werden für sie gelten – Stichwort “KI Verordnung”…

Um in der Bahnhofs-Metapher zu bleiben: In welchen KI-Zug soll man steigen? Auch hier wieder: Viel Unsicherheit, viel Austausch, Trial and Error aber (noch) keine gesicherten Erkenntnisse. Ein wenig Licht ins Dunkel werden wir dann am 7. März mit der #HREdge24 versuchen zu bringen, denn ja kommt ja nächstes Jahr durchaus ein bisschen was auf uns alle zu, ich sag nur “AI Act / KI Verordnung”… Meldet euch also gern zur #HREdge24 an, ein paar Tickets gibt es noch…

Und New Work, GenZ etc.?

Heerscharen von Beratern und Propheten arbeiten sich an Vorhersagen zu diesen Themen ab – ich nehme mich da nicht aus. Natürlich ist es auch wichtig, sich mit der Veränderung der Arbeitswelt – wie wollen wir arbeiten, was ist uns wichtig usw. – und veränderten Wertevorstellungen – Purpose…? – zu befassen. Aber es ist unmöglich, hierzu gesicherte oder gar abschließende Antworten zu geben. Ist ein Home-Office oder eine Workation nun schon New Work? Ist der Wunsch nach weniger Stress oder mehr Balance zwischen Arbeit und den anderen Dingen des Lebens nun ein Merkmal gewisser Alterskohorten (“GenZ”) oder schlichtweg allgemeiner Zeitgeist? Da können die Antworten durchaus sehr divers ausfallen und vermeintlich gewonnene Erkenntnisse morgen schon wieder über den Haufen fliegen.

Und so reiht sich “dickes Brett an dickes Brett”…

Natürlich soll all dies nicht bedeuten, dass man dann am besten mal alles sein lässt und abwartet, bis sich die Dinge sortiert haben. Ich bin zwar auch kein Orakel, aber eines dürfte klar sein: Die Welt wird sich sobald nicht beruhigen wird und erst recht “die Dinge nicht wieder einfach” werden. Nein, wir werden auf absehbare Zeit mit Unsicherheit, mit unfertigen Zwischenresultaten und Widersprüchlichkeit leben und arbeiten müssen.

Womöglich wird man akzeptieren müssen, dass es keine abschließenden Antworten gibt, sondern der Weg das Ziel ist. Schöner Kalenderspruch, ich weiß. Aber ich würde sagen noch nie so aktuell wie heute… Außerdem passt er ganz gut zu der Metapher mit dem Bahnhof…

In diesem Sinne:

Frohe Weihnachten und vielleicht zumindest mal ein paar Minuten Einkehr und Besinnlichkeit!

P.S.: Die obigen Bilder sind, wenig überraschend, übrigens von KI generiert. Achtet vor allem beim ersten Bild mal auf die Details: Zum Beispiel bin ich mir vielen der abgebildeten Gleise nicht wirklich sicher, ob man auf denen weit kommt. Die KI ist schon ganz schön schlau

Ein Gedanke zu „Weihnachtsgedanken: Keiner will den Zug verpassen. Aber welchen soll man nehmen? Die Aussichten für´s Recruiting…

  1. Ich kenne kleine Unternehmen mit durchschnittlicher Betriebszugehörigkeit von +15 Jahren. Was machen die anders? Die posten nicht den ganzen Tag schlaue Kalendersprüche mit Selfies zu New Work, Wellness und Future-Disruption. Sie arbeiten einfach und begegnen den Menschen mit Respekt. New Work machen die einfach ohne es plötzlich “New” zu nennen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert