´Hände hoch!´ Per Selbsttest herausfinden, ob man zur Polizei passt. Berliner Polizei macht es möglich.

Aus Personalmarketingsicht gehört der Beruf „Polizist(in)“ sicher zu den – sagen wir mal – „ambivalentesten“, mit denen man es zu tun bekommen kann.

Auf der einen Seite findet sich die Polizei jedes Jahr wieder auf den vordersten Plätzen des Trendence-Schülerbarometers. Zudem gibt es bei der Polizei normalerweise auch keinen Mangel an Bewerbern – rein quantitativ betrachtet -, so dass man dort auch tatsächlich auswählen kann. An Attraktivität scheint es also nicht zu mangeln…

TrendenceRanking_15

Auf der anderen Seite gibt es aber wohl kaum ein Berufsbild, das derart von Stereotypen geprägt ist.

Jeder hat natürlich im Verlauf seines Lebens mehrfach unterschiedliche persönliche Erfahrungen mit der Polizei gemacht – sei es bei der Verkehrskontrolle, der Anzeige des gestohlenen Fahrrads, dem Konzert- oder Fußballspiel-Besuch oder der zu lauten Musik bei der letzten Geburtstagsparty. Das prägt natürlich auch das Bild des Berufs derjenigen, mit denen man dabei zu tun hat.

Und es gibt definitiv kein Berufsbild, das derart von medialen Bildern geprägt wird. In jeder Nachrichtensendung – momentan durch den medial allgegenwärtigen Terror noch viel mehr als einem ansatzweise lieb sein kann – sieht man Polizisten im Einsatz. Und natürlich „erlebt“ jeder von uns „den Polizisten/die Polizistin“ in unvorstellbarem Umfang in Kinofilmen, Fernsehsendungen, Büchern usw. – sowohl dokumentarisch als auch „fictional“. Das Segment „Spannung“ (Thriller, Krimis etc.) bildet etwa ein Viertel des Buchmarkts und auch im Fernsehen ist der Anteil immens, mit steigender Tendenz… Es verwundert daher nicht, wenn viele glauben, sich unter dem Berufsbild „Polizist(in)“ vermeintlich unheimlich viel vorstellen zu können, diese Vorstellung aber eher aus dem Großstadtrevier oder Tatort stammt als aus der Realität.

Ambivalent ist das Berufsbild also deshalb, weil zwar auf der einen Seite eine erfreulich hohe Bekanntheit und Attraktivität vorliegt, auf der anderen Seite aber eben auch viele falsche oder stereotype Vorstellungen.

Es ist daher kaum überraschend, dass „die Polizei“ regelmäßig die auch in der Personalmarketingszene meist diskutierten Kommunikationsansätze abliefert, wobei der Schuss manchmal nach vorn (siehe etwa die legendäre Twitteraktion der Berliner Polizei #24hPolizei), manchmal aber auch krachend nach hinten losgeht (siehe der ebenso berüchtigte Recruiting Rap „Hey Torben“ der Polizei NRW)… Wer tiefer einsteigen mag, der gebe mal in den größeren HR-Blogs das Stichwort „Polizei“ in die Suche ein.

Polizei Berlin setzt Selbsttest zur Verbesserung des „Fit“ ein

Eine solche Gemengelage wie bei der Polizei – hohe Bekanntheit und Attraktivität auf der einen Seite und falsche oder stereotype Vorstellung des Berufsbilds auf der anderen – führt in aller Regel zu einem schlechten – wie heißt es so schön? – „Signal-Noise-Ratio„:

Viele Bewerber (Noise), wenige die wirklich passen (Signal).

Das Problem damit: Je schlechter das Signal-Noise-Ratio wird, desto schwieriger wird die Auswahl bzw. desto schwieriger ist es, eine hohe Auswahlqualität zu erreichen. Es gehen nämlich immer mehr Ressourcen in das Handling des Massenprozesses. Und diese fehlen dann zur Identifikation der relativ betrachtet wenigen passenden Bewerber…

Ich habe dieses Problem ja bereits x-fach hier im Blog beschrieben und ich bin mir sicher, dass darin ein Treiber hinter dem aktuellen Megatrend „Matching“ zu sehen ist…

Das dachte sich anscheinend auch die Polizei Berlin und setzt daher einen Selbstcheck ein, der genau hier ansetzen soll: „Lieber Interessent, finde doch einmal VOR einer etwaigen Bewerbung heraus, ob der Beruf des Polizisten wirklich zu dir passt…“.

Ich habe mir diesen Selbstcheck einmal näher angeschaut. Übrigens: Die Polizei NRW bietet ebenfalls einen Selbstcheck an, der durchaus artverwandt (aber nicht gleich) ist. Ich konzentriere mich heute aber nur auf den Berliner Selbsttest…

Also. Ich fange mal mit dem ersten Eindruck an.

Der ist nämlich – wie sage ich das jetzt mal diplomatisch…? – eher „nicht so toll“… Das ganze sieht aus wie eine Website von 1999, ist zwar reines HTML mit Javascript aber dennoch nicht wirklich mobiltauglich und die Kombination aus Stockfotos, Text und Systemschaltern wirkt optisch…, naja lassen wir das… Zudem ein kleines Kuriosum: Wer unten auf Impressum klickt, gelangt zu folgender Seite…

Selbstcheck_Polizei_Berlin_Impressum

Auch wenn man mit einem Verstoß gegen §5TMG hier wohl nicht weit käme, professionell wirkt das nicht…

Und das ist insgesamt sehr schade, denn inhaltlich hat der Selbstcheck definitiv einiges zu bieten!

Mentale Arbeitsproben / „Situational Judgment“ zur Verbesserung des Person-Job-Fits

Der Selbstcheck arbeitet mit einer Technik, die man als Situationsbeurteilung („Situational Judgment“) oder auch mentale Arbeitsprobe bezeichnet. D.h. es werden in Text- und (Bewegt-)Bildform berufstypische Situationen beschrieben, in die sich der Testteilnehmer dann hineinversetzt (mental…) und entlang standardisierter Beurteilungsdimensionen eine Einschätzung hinsichtlich „sich selbst“ vornimmt.

Diese Situationen werden dabei oftmals mittels der sog. Critical Incident Technique ermittelt, was nicht anderes heißt als dass diese Situationen anforderungsbezogen sein sollen, also „aus dem echten Leben“ kommen.

Und das kann man den Situationen im Selbstcheck der Berliner Polizei durchaus attestieren… Diese sind zuweilen durchaus deutlich und ganz sicher nicht weichgespült. Ein paar Beispiele (Achtung, nicht unbedingt für Kinder geeignet…):

Insgesamt umfasst der Selbstcheck 25 Fragen. Die Bearbeitung dauert, wenn man es ernsthaft macht, rund 20 Minuten.

Am Ende erhält man ein Feedback entlang vier für das Berufsbild wichtiger Dimensionen:

  • Umgang mit Menschen
  • Umgang mit extremen Belastungen
  • Teamfähigkeit
  • Berufseinstellung

Sehr begrüßenswert dabei: Das Feedback tut nicht so, als würde der Test einen tiefenpsychologisch komplett durchleuchtet haben und nun eine abschließende Aussage zur Berufseignung aussprechen können. Vielmehr geht die Rückmeldung nochmal auf die Bedeutung und inhaltliche Ladung dieser vier Dimensionen im konkreten Kontext des Berufsbilds Polizist(in) ein.

Das individuelle Antwortverhalten wird dabei zu Tendenzaussagen verdichtet, die den Testteilnehmer dafür sensibilisieren, hier und dort noch einmal gründlich in sich zu gehen und sich wirklich zu hinterfragen, ob Polizist(in) das richtige für einen ist…

So heißt es bspw. in meinem Feedback an einer Stelle:

…“Ihre Einschätzungen für den Umgang mit problematischen Situationen sind unterschiedlich. Es ist nicht leicht für Sie, sich unangenehmen oder möglicherweise gefährlichen Tätigkeiten zu stellen. Sie sind nicht sicher, ob Sie in emotionsgeladenen Momenten immer die innere Distanz zum Geschehen halten können oder erfolgreich agieren können.

Hier nützt es nichts, sich etwas vorzumachen. Polizei ist kein Beruf wie jeder andere. Prüfen Sie sich im Alltag. Können Sie Ekel überwinden? Haben Sie den Mut, auch in gefährlichen Momenten einzugreifen? Würden schlimme Erlebnisse Ihnen auf Dauer zusetzen?“…

Es ist schlichtweg vielleicht nicht jedermanns Sache, professional distanziert zu bleiben, wenn man einen Kindervergewaltiger oder -mörder verhaften muss. Aber es ist eine essentielle Anforderung an den Beruf des Polizisten, auch in solchen Grenzsituationen die Prinzipien des Rechtsstaats nicht nur zu beachten, sondern wirklich verinnerlicht zu haben.

Die Berufswahl „Polizist“ sollte nämlich genau von solchen Abwägungen und Fragen an sich selbst abhängen und nicht vom Beamtenstatus, der Unkündbarkeit und dem sicheren Gehalt…

Das leistet meines Erachtens der Selbstcheck der Berliner Polizei wirklich sehr gut.

Da könnte/sollte sich auch ein anderer „öffentlicher“ Arbeitgeber, der ebenfalls in den Trendence Rankings immer ganz weit oben steht und aktuell mit einem hohen medialen Druck Arbeitgebermarketing macht, vielleicht hier und da nochmal von inspirieren lassen. Die Rede ist natürlich von der Bundeswehr. Etwas weniger Abenteuer und „Sinn hinter der Arbeit“ und etwas mehr „Realistic Job Preview“ würde sicherlich der aktuellen Bundeswehr-Kampagne „Mach was wirklich zählt!“ auch gut zu Gesicht stehen. Mindestens hätte man damit nicht eine so offene Flanke geschaffen, in die dann die Kampagne „Mach was zählt!“ des Peng e.V. so medienwirksam stoßen konnte…

Machwaszaehlt

Nun, die Bundeswehr-Kampagne ist hier nicht Thema.

Den Selbstcheck der Berliner Polizei finde ich wie gesagt inhaltlich richtig gut. Schade ist nur, dass dieser so mies verpackt ist, dass ich glaube, dass dessen meiste Wirkungskraft ungehört verpuffen wird.

Oder?

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Na, und als hätt´ ich´s geahnt, schiebt der Böhmermann doch heute gleich den Soundtrack zum Blogartikel nach… Ich hab Polizei…

(Danke an die Anwältin für den Hinweis… ;-))

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