Ferrero lädt ein zum Speedrecruiting: Online-Matcher mit Schönheitsfehlern…

Man kommt kaum noch hinterher… Andauernd erscheinen auf den Karriere-Websites der Unternehmen neue Tools, die dem Zweck dienen, die Selbstauswahlfähigkeit potentieller Bewerber zu verbessern, sprich: Interessenten die Chance geben, in Form von Selbsttests herauszufinden, ob sie denn zum Unternehmen oder zu speziellen Berufsbildern passen. Diese Tools laufen unter den unterschiedlichsten Bezeichnungen: Jobmatcher, Skilltest, Profiler, Checker oder zuweilen auch Orientierungsspiel oder ähnliches… Letztlich egal, wie man es nennt – der Gattungsbegriff für diese Art der Orientierungshilfe ist SelfAssessment.

SelfAssessment Verfahren sind im Prinzip eine sehr sinnvolle Angelegenheit, weil eine Verbesserung der Selbstauswahl einen direkten, und zwar positiven, Einfluss auf den Recruitingerfolg ingesamt hat (ich sag nur Taylor-Russell…). Wer sich in die Feinheiten dieses Themas einarbeiten möchte, der sei auf unser demnächst erscheinendes Buch “Recrutainment” oder auf diesen das Thema kurz grundlegend zusammenfassenden Beitrag verwiesen. Beispiele gibt es inzwischen etliche – die letzten hier im Recrutainment Blog vorgestellten Beispiele kamen unter anderem von der Telekom, der Bahn, dem Handwerk oder der Allianz.

Nun sind wir wieder über eines gestolpert – das Speedrecruiting von Ferrero.

Speedrecruiting_Ferrero_Start

Das Beispiel zeigt auf, dass man beim Thema SelfAssessment auch sehr einfach und hemdsärmelig vorgehen kann. Es eignet sich aber auch ganz gut als Beispiel dafür, dass man auch sehr schnell Fehler machen und kann und auch vermeintliche Kleinigkeiten zu beachten sind.

Was ist das Speedrecruiting?

Auf der Microsite http://www.ferrero.de/speedrecruiting/start.aspx wird man eingeladen, ein paar Fragen zu beantworten, die gleichsam den Fragen bei einem Speeddating-Event kurz und schnell die Frage beantworten sollen, ob man ins Ferrero-Team passt und ob es passende Stellenangebote gibt. Die Microsite liegt offensichtlich in einem Verzeichnis der Ferrero-Website, ist aber nicht – zumindest habe ich es nicht gefunden – über die Karriere-Website von Ferrero aufzurufen. Dafür macht Ferrero für das Speedrecruiting Keyword-Advertising, was dann zu dem Kuriosum führt, dass man bei Eingabe der Suchbegriffsfolge “ferrero speed recruiting” bei Google die bezahlte Adwords-Anzeige direkt über dem direkten Treffer im Suchindex sieht. Doppelt hält besser… Nun, da man letzteres nicht garantieren kann, macht es vielleicht dennoch Sinn, hierfür auch noch einmal separat zu werben.

Speedrecruiting_Ferrero_Googlesuche

Zurück zum Speedrecruting selbst. Das Matching in dem Tool besteht dann in der Tat aus einem sehr kompakten Set an Fragen (sechs Stück) oder konkreter Situationen, die es zu beantworten respektive zu beurteilen gilt (Situational Judgement). Die Situationen haben alle einen mehr oder weniger direkten – zumindest nach Augenschein – Bezug zum Arbeitgeber Ferrero und dem Geschäft “Süßwaren-FMCG”. Das ist schonmal positiv.

 Speedrecruiting_Ferrero_Fragen

Je nachdem wie man die Situationen beurteilt kommt eine gute…

Speedrecruiting_Ferrero_gutePassung

…oder nicht so gute Passung – wiedergegeben auf einer Skala von ein bis drei Ferrero-Küsschen – heraus. Hinter den Antwortalternativen liegt also offensichtlich ein verschiedene Qualitäten beurteilender Auswertungsalgorithmus. Auch das ist positiv, weil eine solche “Passt-oder-passt-eben-nicht-Logik” ja der Sinn eines jeden Datings, äh Matchings ist.

Speedrecruiting_Ferrero_schlechtePassung

Mit ein wenig gesundem Menschenverstand kann man aber sein Ergebnis hier so zurechtrücken, dass die Passung schon stimmt (Sozialerwünschtheit oder Impression Management). Das ist aber bei einem SelfAssessment nicht so schlimm, schließlich ist der Einzige, den man damit letztlich beschummelt, ja man selbst. Denn: Das Ergebnis hat hier keinerlei Auswirkungen auf etwaige Bewerbungschancen (bis dahin gibt es keine Registrierung und es wird auch kein Cookie gesetzt…).

Was fängt man aber nun mit dem Ergebnis an, z.B. wenn man die Rückmeldung “drei Ferrero-Küßchen” oder “sehr gut passend” erhält? Wann kann sich – so heißt es zumindest – “passende” Stellenangebote anfordern…

Speedrecruiting_Ferrero_Stellenangebote

Hier musste ich nun ein wenig stutzen. Man kann sich hier “passende” Angebote anfordern, aber nicht passend in Bezug auf das Ergebnis des Matchers (was bei sechs Fragen auch ein diagnostisch recht waghalsiges Manöver wäre), sondern auf Basis der Auswahl von passendem Aufgabenbereich und passendem Karrierelevel, die man aus zwei Dropdown-Menüs auswählen soll. Hmm, das ist im Prinzip okay, aber natürlich nicht das, was man sich als Nutzer erwartet, wenn es vorn heißt:

Im Anschluss erfahren Sie sofort, wie gut Sie in unser Team passen und ob es vielleicht sogar schon ein passendes Stellenangebot für Sie gibt.

Was mich hier zudem sehr verwundert hat: Man kann/soll sich auf dieser Seite registrieren, um sich zukünftig den Ferrero-Job-Newsletter zuschicken zu lassen (unter anderem unter Eingabe des Namens und der E-Mail Adresse). Es gibt an dieser Stelle aber keine wirksam einbezogene Datenschutzerklärung iSd. §13 TMG…?!? Unten auf der Seite steht zwar ein Link “Datenschutz” und dort stehen auch einige für diesen Kontext wichtige Hinweise, aber diese Erklärung ist bei der Registrierung eben nicht korrekt einbezogen (eindeutige Einwilligung, Protokollierung etc.). Hmm, als Marktteilnehmer fallen einem dazu auch die §§3 und 4 (11) des UWG ein… Wer das genauer wissen will, der lese sich hier im Blog meiner Frau ein… Wenn einem das zu lang ist, hier die tl;dr-Fassung:

tl;dr: Datenschutz wird immer wichtiger, wer als Agentur und/oder Auftraggeber dem durch die Entscheidung des OLG Hamburg gestiegenen Abmahnrisiko entgegentreten möchte, sollte sich um vernünftige Datenschutzerklärungen mühen.

Nun denn – das ist eine Frage, die der Kunde (hier Ferrero) im Zweifel mit der umsetzenden Agentur zu klären hat…

Aber apropos Agentur: Ich habe mir auf der Seite der Personalmarketing-Agentur von Ferrero mal ein paar Hintergrundinfos zu der Kampagne angeschaut. Unter anderem wird dort ein Kaffeebecher gezeigt, der einen QR-Code trägt. Funktionslustig wie ich bin, habe ich den Code gleichmal ausprobiert und mich über das Resultat dann schon etwas gewundert. Probiert´s doch einfach mal aus… ;-) Ich kann mir nicht vorstellen, dass DAS so gewollt war (oder vertreibt Ferrero seit kurzem exklusiv über den Dorfladen Pottenstein?)…

Ferrero_Kaffeebecher

Fazit

Ich finde grundsätzlich alle Tools, die bei der Orientierung im beruflichen oder Bewerbungskontext helfen, gut und begrüßenswert. Das müssen auch nicht immer psychologisch elaborierte Beratungsinstrumente sein (auch wenn dies die Belastbarkeit der getroffenen Aussagen sicherlich steigert…). Kurz und knackig und gern auch spielerisch ist oft absolut okay. Das Speedrecruiting von Ferrero ist kurz und knackig und offenbar zumindest auch ein bisschen mehr als beliebig.

Oft ist bei einem SelfAssessment auch das Resultat am Ende gar nicht so wichtig, weil die eigentliche Orientierungshilfe im Tool selbst, also in den Fragen, den Situationen oder Spielinhalten liegt.

Neben den aus meiner Sicht vorhandenen handwerklichen Fehlern ist mir das Speeddating, äh -recruiting, bei Ferrero aber doch ein wenig zu dünn, zu speedy geraten. So richtig viel lernt man dabei aus meiner Sicht nicht darüber, was den Arbeitgeber ausmacht und wo er seine Ecken und Kanten hat. Und: Zum “Matching” passende Stellenangebote bekommt man gar nicht vorsortiert – entgegen der zu Beginn geschürten Erwartungshaltung.

Da wäre dann mehr tatsächlich auch mal mehr gewesen… Ich bleibe erstmal lieber bei Mon Chérie, das reicht…

Autor: Jo Diercks

Ein Gedanke zu „Ferrero lädt ein zum Speedrecruiting: Online-Matcher mit Schönheitsfehlern…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert