Wer sich auch nur im entferntesten für Techthemen interessiert, der konnte in den letzten zwei Wochen dem Hype um den von OpenAI entwickelten Bot “ChatGPT” kaum entgehen. Nicht wenige sehen in diesem Tool einen Meilenstein in der Entwicklung auf KI basierender konversationaler Bots.
“GPT” steht hierbei für Generative Pre-Trained Transformer. Dahinter steckt ein mit verschiedenen Methoden des “bestärkenden Lernens” trainierter Bot, mit dem man sich tatsächlich mehr oder weniger unterhalten kann – wie in einem Chat.
Man kennt Chatbots natürlich inzwischen aus verschiedenen Einsatzkontexten. Meist produzieren diese eher ernüchternde, enttäuschende oder kuriose “Unterhaltungen”. Bei ChatGPT ist das definitiv anders: Der Austausch mit dem Bot macht inhaltlich erstaunlich viel Sinn und der Bot kommuniziert in einer geschliffenen und grammatikalisch erstaunlich korrekten Form – auch auf Deutsch. Zudem ist die Konversation adaptiv, d.h. die Aussagen des Bots beziehen den vorherigen Austausch mit ein. Spricht man bspw. in einer Frage von “den Bewerbern” dann reicht es in der folgenden Frage, wenn man von “sie” spricht. Die KI erkennt also, wer oder was mit “sie” gemeint ist, weil er den Kontext des bisherigen Gesprächsverlaufs einbezieht.
Auch wenn man zur Zeit ein wenig bei OpenAI anstehen muss, weil das wohl gerade sehr viele ausprobieren wollen, ist ChatGPT in einer Demo freizugänglich, d.h. das kann jeder mal für sich und seine Zwecke ausprobieren.
Ich hatte dabei sofort einen Gedanken im Kopf, der mich ja schon etwas länger umtreibt: Wenn eine KI so erstaunlich gute Inhalte fabrizieren kann, dann können doch auch Bewerber und Bewerberinnen diese für ihre Zwecke einsetzen. Darauf dass ja nicht nur Unternehmen technologisch aufrüsten können und werden, z.B. um Bewerbende zu screenen und zu bewerten, sondern natürlich auch Bewerbende technische Unterstützung bemühen können und werden, um dem Unternehmen zu gefallen bzw. die eigenen Bewerbungschancen zu maximieren, weise ich ja regelmäßig hin. Logisch zu Ende gedacht verhandeln dann vllt. irgendwann Bot und Bot die Auswahl realer Menschen aus. Ich nenne dies die Gefahr eines “Rattenrennens“.
Ein solches Einsatzszenario, das sich hierbei aus meiner Sicht sofort aufdrängt, ist die Frage des “Anschreibens” bzw. des Cover Letters einer Bewerbung. Die Kontroverse darüber, ob das Anschreiben noch zeitgemäß ist, ob dieses überhaupt eine Aussagekraft zur Beurteilung von Bewerbenden hat, ob es ersatzlos abschafft gehört oder ggf. durch etwas anderes ersetzt werden soll, flammt ja in schöner Regelmäßigkeit wieder auf. Ich hatte hierzu ja vor einiger Zeit einmal einen Artikel geschrieben, der sich der Frage widmete, was eigentlich die Wissenschaft zu der Frage weiß, ob und was ein Anschreiben eigentlich an Aussagekraft zur Beurteilung von Bewerbenden weiß (Disclaimer: fast nichts…).
Und als mir dann jetzt ChatGPT in die Hände fiel, dachte ich gleich: Was ist denn, wenn Bewerbende ihre Anschreiben nun gleich ganz von diesem Bot verfassen lassen?
Und das habe ich dann mal ausprobiert:
Ich habe ChatGPT folgenden “Auftrag” gegeben:
Und dann legte ChatGPT los (man kann dem Bot hierbei fast beim “Denken” zusehen, weil der Text wirklich als würde er live getippt werden vor einem erscheint. Das Resultat:
Der Bot gibt mir also nicht nur allgemeine Ratschläge, wie ein Anschreiben zu verfassen ist, sondern er spuckt auch gleich ein sehr manierliches aus. In orthografisch überaus vorzeigbarer Form.
Ich wollte aber noch ein wenig mehr Expertise durchscheinen lassen. Also bat ich um eine Ergänzung:
Und auch diesem Wunsch kam der Bot umgehend nach:
Ich muss sagen: Das IST beeindruckend.
Auch der etwaige Einwand, dass der Bot bei einer solchen Frage nachher immer mehr oder weniger das gleiche ausspuckt, kann entkräftet werden. Ich hatte ChatGPT nämlich auch gestern schon um eine Anschreiben für den gleichen Zweck gebeten. Das Resultat war ebenfalls sehr vorzeigbar. Vor allem aber: es war auch komplett anders!
D.h. ein Bewerber kann sich per Knopfdruck immer wieder ein frisches Anschreiben für Bewerbungen bei verschiedenen Unternehmen ausspucken lassen.
Jan Kirchner von der Wollmilchsau berichtete mir, dass ChatGPT auch in der Lage, Inhalte einer Stellenanzeige mit zu verarbeiten. D.h. um die Aussagekraft des Anschreibens noch weiter zu erhöhen, kann man auch den Wortlaut des Stelleninserats mit hochladen, so dass der Bot, dies gleich in seinen Vorschlag einbezieht.
Tja, stellt sich die Frage, wann OpenAI die direkte Schnittstelle zu SuccessFactors, Workday und Co. anbietet, damit man sich das lästige Copy&Paste sparen kann… ;-)
Im Ernst: Wenn man sich das ansieht und davon ausgeht, dass sich diese (und artähnliche) Technologien weiter verbreiten, dann wird ein Anschreiben ja wahrscheinlich wirklich kaum noch etwas über den Bewerbenden aussagen können – außer vielleicht dessen Fähigkeit, dem Chatbot die am besten klingenden Zeilen entlocken zu können…
Ja, es ist beeindruckend! Was mich allerdings wundert: wozu was lernen? Sich konzentrieren? Sich etwas merken? Empathie zeigen?
Wir glauben doch tatsächlich, dass ein iPad oder KI uns durch die massive Bildungskrise bringt. Einer der größten Denkfehler neben dem ewigen Wachstums blah blah.
Frohe Weihnachten!
KI ist schon programmiertechnisch etwas richtig Innovatives. Aber wie bei allem steht die Frage: wen nützt diese Innovation? Wer verdient damit Geld? Wer oder was manipuliert wen? Wer oder was ersetzt wen? Wer oder was sortiert Menschen in Schubladen? Wieviel Menschsein wird abgeschafft?
Beeindruckend geschliffen, aber leider inhaltslos und leer. Solche Anschreiben braucht wirklich niemand. Erinnert mich an das Niveau der Anschreiben die Anfang der 2000er in der Arbeitsagentur gelehrt wurden.
Das ist auch absolut richtig! Solche Art Anschreiben braucht es weder von Mensch noch von Maschine… Darum auch die Frage nach dem “endgültigen Aus”…
Hi Jo, vielen Dank für den super interessanten Artikel. Ich schließe mich an: der Bot produziert ein Anschreiben, das mit geschätzten 80-90% der Anschreiben locker mithalten kann – mit jenen 80-90%, die man sich tatsächlich sparen könnte. In meiner Coaching Praxis zerlege ich diese Anschreiben, die regelmäßig den gleichen Fehler begehen: Nämlich, den Lebenslauf nachzuerzählen. Der zweite Kapitalfehler ist, nichssagende Worthülsen zu verwenden, weil man nicht weiß, was man eigentlich sagen möchte.
Gute Anschreiben greifen das Interesse auf, dass der Leser nach dem Lebenslauf hat, und transportieren die Motivation für die Stelle und Firma und wecken dadurch das Bedürfnis, mehr vom Bewerber in einem persönlichen Gespräch zu erfahren. Das vergessen wir im Deutschen recht schnell, auch, da wir von Anschreiben sprechen, das vom Charakter eher einen einleitenden Aspekt hat, bzw. wirkt, wie ein wenig Beiwerk zur Bewerbung. Beim englischen “Motivation Letter” und dem französischen “Lettre de Motivation” sind das Bewusstsein über den Sinn und Zweck des “Anschreibens” dagegen noch greifbarer, nämlich die Motivation zu vermitteln, warum man diese Position bei dieser Firma tatsächlich möchte. Was das Verfassen von Anschreiben oft so schwer/unangenehem und die Ergebnisse so beliebig macht, ist, dass die Motive zur Bewerbung nur sind, einen Job zu haben, und Geld zu verdienen. Wenn Bewerber nicht auf einer tieferen Ebene geklärt haben, warum sie sich bewerben, geraten sie in das Dilemma etwas vortäuschen so sollen, was nicht vorhanden ist, nämlich eben diese tiefere Motivation. Das Ergebnis sind dann diese nichssagenden und beliebigen Anschreiben, die man sich tatsächlich sparen kann.
Wie so oft gilt also das SiSo
Prinzip: shit in, shit out.
Interessant wäre es von daher, ob man den Bot auch inhaltlich dahin lenken könnte, die Motive und das eigene Warum reinzunehmen. (nachdem man diese zunächst für sich geklärt hat).
Ohne Werbung machen zu wollen, aber wer die angerissenen Inhalte zum Thema Anschreiben noch ein wenig vertiefen möchte, dem kann ich mein Video dazu auf Youtube empfehlen.
herzliche Grüße und eine schöne Weihnachtszeit, Christian
Hi Jo
ChatGPT ist ein Deep Learning Programm. Dieses lernt mit Try-and-Error. Das heisst, dass der Output auch nur eine Annahme der Realität ist. GPT hat (noch) keinen Zugriff aufs Internet und daher empfiehlt er schon mal den Besuch des Zoos in Olten, obwohl es da keinen gibt. Er geht davon aus, dass fast alle Städte irgend einen Zoo haben, ergo… Olten dann wohl auch. Irgendwie clever, oder?
Ein Journalist, der schon mit solchen Programmen gearbeitet hat, meinte “Shit in Shit out”. Es kommt darauf an, eine gute Recherche zu machen und den Text richtig durchzulesen. Dann folgt eine Eingabe von Regeln (Anzahl Worte, Satzanfang nicht mit ICH, und vieles weitere.
GPT ist nicht einfach eine Aufgabenhilfe oder ein Erstellungsprogramm für Bewerbungsschreiben. Wer keinen richtigen Input liefert, findet auch keinen richtigen Output.
Wir müssen lernen, mit solchen Programmen umzugehen und sie nicht als Allerweltsmittel mit göttlicher Allwissenheit zu sehen. Sobald wir das können, ist dies ein tolles Tool.