Fundstück: Wenn Bewerber ihren Chatbot auf Jobsuche schicken…

Ich kann mich noch gut an den ersten CYQUEST Businessplan erinnern. Entstanden im Frühjahr 1999 an einem Küchentisch fand sich darin etwas wie wir fanden ziemlich Verrücktes: Der sog. “PILS”. Das stand nicht für herbes Bier mit Schaumkrone, sondern war ein Akronym für “Personal Intelligent Life Supporter”.

Naiv wie wir waren hatten wir uns überlegt, dass in dem aufziehenden Internetzeitalter Daten möglicherweise eine gewisse Relevanz erlangen würden. Und wenn man seine persönlichen Vorlieben (wohin möchte ich Urlaub fahren, was esse ich gern oder eben auch: wo und wie möchte ich gern arbeiten?) in Datenform irgendwo bündelt, dann können diese Informationen für einen “arbeiten”. Dieser “PILS” geht also auf die Pirsch durchs Netz und sucht nach passenden Reisen, Restaurants oder eben auch Jobs…

Nun, das mit den Daten ist inzwischen ein No-Brainer wie die Geschichte gezeigt hat. Das mit den “informationsbasierten Vorschlägen” ist dann ja auch gekommen, wenngleich zunächst in etwas anderer Form als wir uns das gedacht und erhofft hatten. Statt die eigenen Daten wissentlich, willentlich und gesteuert auf die Reise zu schicken, wurde uns allen ein beträchtlicher Teil der Kontrolle daraus aus der Hand genommen: Amazon legt natürlich nicht offen, wie und warum man nun dies das oder jenes empfohlen bekommt. Der Algorithmus von Google, der darüber bestimmt, was man bei einer Suche “findet” dürfte zu den bestgehüteten und wertvollsten Geschäftsgeheimnissen der Welt gehören. Und Facebook? TikTok? Naja, das ist alles inzwischen große Weltpolitik und entscheidet über Wahlen und wahrscheinlich auch (Handels-)kriege mit.

Aber auch im Kontext der Job- und Personalsuche sind Daten inzwischen ein Riesenthema. Speziell vor dem Hintergrund des Themas “Künstliche Intelligenz” wird sehr viel darüber nachgedacht, welche Informationen eigentlich Eignung und Passung, Fluktuation, Performance usw. vorhersagen können.

Allerdings wird auch hier sehr häufig der Denkfehler gemacht, dass nur die arbeitgebende Seite, die Unternehmen, darüber bestimmen was hier passiert. Also: Welche Tools setzen die Unternehmen ein, um Bewertungen und Vorhersagen vorzunehmen etc.

Ich habe deshalb über die letzten Jahre immer wieder darauf hingewiesen, die arbeitnehmende Seite, also die (potentiellen) Arbeitskräfte bei diesen Überlegungen nicht zu vergessen. Selbstverständlich wird auch diese Seite “aufrüsten” und daten- bzw. informationsbasierte Instrumente einsetzen, wenn es um die Frage geht: Welcher Job bei welchem Unternehmen passt zu mir?

Im Extremfall kann die beidseitige Aufrüstung auch zu einer Art Rattenrennen führen: Das Unternehmen setzt KI ein, die Lebensläufe analysiert – die Bewerberseite setzt KI ein, die Lebensläufe so formuliert, dass die KI der Arbeitgeberseite diese gut findet usw.

Das ist keine theoretische Idee. Das passiert. Ein paar Beispiele dafür hatte ich vor knapp zwei Jahren schon einmal zusammengetragen.

Naja, und wenn die Bewerberseite solche Instrumente und die eigenen Daten “für sich arbeiten” lässt, nun dann sind wir eigentlich wieder beim “PILS”…

Und nun schwappte mir vor ein paar Tagen ein neues wunderbares Beispiel für diesen Gedanken in die Timeline. Danke an dieser Stelle an Oliver Erb, der das bei TikTok gefunden hatte (Oliver, ich weiß, warum wir dich vor ein paar Jahren mal zum Personalmarketing Innovator des Jahres gekürt haben, wir sind bei diesem Thema irgendwie “Brüder im Geiste… ;-)).

Schaut Euch das einfach mal an. Ein wunderbares Beispiel dafür, wie die Bewerberseite Technologie nutzt und eigene Daten auf die Reise schickt, “to do the Job”. Oder naja, hier vielleicht noch besser: “to find the Job…!”

@bigkidlabThis is either the best or worst idea I’ve ever had 🤷‍♀️ ##foryoupage ##fyp ##productmanager ##unemployed ##userexperience ##technology ##design ##UX♬ She Share Story (for Vlog) – 山口夕依

Statt sich also mit dem Chatbot des Arbeitgebers herumzuschlagen, wird hier der Spieß umgedreht: Sollen sich doch die Personaler erstmal mit dem Chatbot des eventuellen Bewerbers austauschen… Naja, der Gedanke, dass dann irgendwann erstmal Bot und Bot das Grobe unter sich ausmachen (hey, das habe ich vor knapp sechs Jahren hier schonmal aufgeschrieben!), der ist dann auch nicht mehr weit.

(c) DreamWorks

Wenn andere für einen arbeiten, da kann man doch ganz entspannt ins Wochenende gehen… TGIF!

Ein Gedanke zu „Fundstück: Wenn Bewerber ihren Chatbot auf Jobsuche schicken…

  1. Die Idee ist zumindest interessant. Allerdings sollte der Chat-Bot zumindest über mehr KI als z.B. Alexa verfügen – die zumindest den Kommentar “Alexa, du bist dumm wie ein Meter Feldweg” mit “das ist aber nicht sehr nett von dir” pariert. Und da dürfte es schwierig werden. Denn ein Personaler ist oft mit mehr I ausgestattet, als eine KI.

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