Corona verändert Arbeitsmarkt akut. Aber auch grundsätzlich…? Ergebnisse der Arbeitsmarktstudie 2020

Jahrelang kannte der Arbeitsmarkt in Deutschland nur eine Richtung. Alte Schreckgespenster wie „Arbeitslosigkeit“ wurden immer mehr von neuen wie „Fachkräftemangel“ usw. abgelöst.

Dann – Volkswirte nennen das einen „exogenen“ Schock – kam Corona und veränderte erstmal schlagartig vieles. Heißt das nun, es wird alles wieder wie früher und die Arbeitgeber können sich wieder auf Waschkörbe an Bewerbungen und bittstellende Bewerber freuen? Oder ist „jetzt ein bisschen Corona“, aber spätestens wenn die Wirtschaft wieder angesprungen ist (allerspätestens wenn ein Impfstoff da ist), geht es wieder um War for Talent?

Ihr ahnt es: Man weiß es nicht. Und: Es wird keine eindeutige „Entweder-Oder“-Aussage geben. Ja ja, der Diercks wieder: „Man muss differenzieren!“…

Nun, ich bin ja immer ein großer Freund davon, Aussagen – auch wenn sie spekulativ sein mögen – auf einem empirischen Fundament aufzubauen. Darum habe ich mit sehr viel Interesse die aktuelle und heute druckfrisch veröffentlichte „Arbeitsmarktstudie 2020“ der geschätzten Kolleg_innen von der Wollmilchsau gelesen.

Die Highlights habe ich hier kurz zusammengefasst. Ich empfehle euch aber dringend, die Studie einmal in Gänze durchzuschauen. Den Downloadlink findet Ihr ganz unten im Text.

Stellenmarkt und Arbeitslosigkeit

  • In den letzten Jahren ist die Arbeitslosen-Stellen-Relation stark gesunken: In neun Jahren ist sie um ganze 54 Prozent zurückgegangen. Anstelle von 3,7 Arbeitslosen im Jahr 2010, kamen 2019 nur noch 1,7 Arbeitslose auf eine ausgeschriebene Stelle.
  • Seit Ende 2019 gingen die offenen Stellen auf dem Arbeitsmarkt um über 460.000 zurück. Die Prognose für 2020 sieht somit also etwas anders aus: Es wird momentan davon ausgegangen, dass die Relation wieder auf 2,65 steigt und damit auf das Niveau von 2016 zurückkehrt.

Corona-Arbeitsmarkt

  • 58 Prozent der befragten Unternehmen gaben in einer IAB Sonderbefragung an, dass ihr Betrieb negativ von der Corona-Pandemie betroffen sei.
  • Allerdings berichten auch fast 30 Prozent, dass sie keine Auswirkungen der Krise bemerken und 2 Prozent können sogar positive Entwicklungen beobachten.
  • Der ifo-Geschäftsklimaindex, der die Stimmung der Wirtschaft einfängt, erholt sich aktuell.

  • Auch der BA-X Index der Bundesagentur für Arbeit, der die Fachkräftenachfrage visualisiert, ist nach einem starken Einbruch im April im Juli wieder leicht gestiegen.

  • Es zeigen sich in einzelnen Branchen sogar recht deutliche Vorboten einer Arbeitsmarktbelebung: besonders im Gesundheitswesen, aber auch im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie wurde im Juni und Juli eine steigende Zahl an Stellenanzeigen geschaltet. Auch Jobs im Bereich des Ingenieurwesens und der Produktion weisen im Vergleich zum März eine stabile und im Juni sogar ansteigende Anzahl an offenen Stellen auf.

Berufsausbildungsmarkt

  • Der Trend zur Akademisierung setzt sich dynamisch fort und beeinflusst damit auch den Ausbildungsmarkt.
  • Aufgrund der aktuellen Situation konnten im laufenden Berichtsjahr weniger Berufsausbildungsstellen angeboten werden als noch in den Jahren zuvor. Allerdings ging auch gleichzeitig die Anzahl an Bewerbern zurück: Im Jahr 2020 standen 495.000 offene Stellen für 439.000 BewerberInnen zur Verfügung, d.h. selbst im Idealfall hätten nur rund 89 Prozent aller verfügbaren Stellen besetzt werden können.
  • Über 30 Prozent der verfügbaren Bewerber blieb ohne Ausbildungsplatz, somit konnten insgesamt also sogar nur knapp 60 Prozent aller offenen Stellen belegt werden.

Ihr seht: Das Bild ist nicht eindeutig. Klar, die aktuelle Situation unterscheidet sich fundamental von der kontinuierlich verlaufenden (und immer stärker zum Arbeitnehmermarkt neigenden) Entwicklung der letzten Jahre. Der „Schock“ ist deutlich erkennbar.

Aber wie es weitergeht ist bei weitem weniger eindeutig. Ich persönlich würde mich als Arbeitgeber nicht darauf verlassen, dass alles wieder so schön betulich und bequem wird wie früher, wenn sich die Bewerberschaft glücklich schätzen konnte, aus dem Waschkorb gefischt worden zu sein. Mindestens in ausgewählten Branchen könnte es rubbeldiekatz wieder heißen: Auf in den War for Talent! Wer jetzt also allzu rigoros im Personalmarketing spart, der wird dann später umso mehr ausgeben müssen…

Die Arbeitsmarktstudie 2020 der Wollmilchsau könnt Ihr übrigens hier kostenlos herunterladen.

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