2012 haben wir hinter uns gelassen und auch wenn der zweite Teil meines Jahresrückblicks erst diese Woche erschienen ist, startet der Recrutainment Blog eigentlich erst heute so richtig mit den aktuellen Themen. Ich habe gleich mal ein Fundstück zu vermelden. Und zwar bin ich bei den Kollegen des Markenartikel-Konzerns Reckitt-Benckiser (Hersteller von so bekannten Marken wie Vanish, Calgon, finish, Veet oder durex und immerhin Zweiter im Twitter-Karrierekanal-Ranking) fündig geworden.
Das Fundstück heißt “Profile DeRBy“. Dabei handelt es sich um einen Selbsttest zur beruflichen Orientierung, der die Persönlichkeit entlang der vier folgenden vier Charaktermerkmale testet:
- Fearlessness
- Directness
- Cool-headedness
- Ambition
Die Funktionsweise des unter der Leitung von Dr. Tomas Chamorro-Premuzic, Head of Engagement and Employability an der Goldsmiths University of London entwickelten Tests ist szenarienbasiert und ipsativ. D.h. dem Nutzer werden insg. 20 kurze Situationen geschildert, in denen er sich dann jeweils für eine von zwei Handlungsweisen oder Einschätzungen entscheiden muss.
Ein Beispiel: Man hatte im Restaurant einen furchtbaren Service. Wie reagiert man auf die Frage des Kellners, ob alles okay war? Direkt und ehrlich mit der schonungslosen Wahrheit oder in dem man ohne etwas zu sagen geht.
Die jeweiligen Einschätzungen laden entsprechend auf den vier Merkmalen. Worauf das jeweilige Szenario einzahlt ist mal besser, mal weniger einfach zu erkennen. Lt. Aussage des Testentwicklers ist in die Entwicklung und finale Auswahl der 20 Fragen sehr viel Aufwand geflossen, was man sich, wenn man selber Tests entwickelt, auch durchaus vorstellen kann. Zu mutmaßen, ob das jeweilige Verhalten in der oben beschriebenen Situation z.B. auf “Direktheit” schließen lässt, heißt nämlich nicht, es zu wissen. Das setzt entsprechend umfangreiche Validierungen voraus, z.B. an Außenkriterien wie durch andere Tests gemessenen Befunden oder Mitarbeiterbeurteilungen. Nur so kann letztlich beurteilt werden, was man aus der Einschätzung zu der Frage, was eigentlich zuerst da war, Henne oder Ei, oder der Frage, ob man nach dem Ableben lieber komplett vergessen oder in haßerfülltem Gedenken erinnert werden möchte, ableiten kann.
Je weniger der Zusammenhang mit dem gemessenen Konstrukt offensichtlich ist, desto besser bekommt man das Problem der sog. Sozialerwünschtheit (also die Abhängigkeit des Antwortverhaltens nach dem jeweiligen Wunschergebnisses des Tests) in den Griff. Aber: Je obskurer einem die Frage vorkommt (was wollen die denn wohl daraus ableiten?), desto größer die Gefahr geringer Akzeptanz, niedriger Sozialer Validität und sogar Testreaktanz (Ablehnung). Dieses Dilemma bekommt Profile DeRBy ganz gut in den Griff, weil es sich erstens um einen anonymen Selbsttest handelt (der einzige, den man letztlich beschuppst, ist man ja selber) und dieser zweitens sehr ansprechend gestaltet ist.
Damit wären wir beim Thema Recrutainment. Reckitt Benckiser hat eine bemerkenswerte Tradition im Einsatz von spielerischen Elementen zu Zwecken des Personalmarketings. Ich habe hierzu ja in der Vergangenheit schon die das Online-Spiels “Urban Thrill” und vor allem das Facebook Spiel “poweRBrands” behandelt. Und auch Profile DeRBy punktet durch den Gestaltungsaspekt. Klar, es ist und bleibt im Kern ein psychologisches Testverfahren, da beißt die Maus keinen Faden ab, aber er ist spielerisch verpackt. Insofern ist die Bezeichung “Game” hier evtl. etwas euphemistisch, aber sie ist auch nicht ganz falsch.
Methodisch ist Profile DeRBy daher sicherlich eher in der unteren Hälfte der Vier-Felder-Matrix von SelfAssessments (siehe “Welche Arten von SelfAssessments gibt es? Ein Modell.“) zu verorten.
Nachdem man alle zwanzig Fragen beantwortet hat, bekommt man ein individuelles Feedback auf den vier gemessenen Dimensionen, grafisch nebst erläuternden Texten. Das kann man dann auch – ganz Social Media – auch entsprechend sharen sowie – ganz Gamification – sich auf Facebook mit anderen vergleichen und Freunde herausfordern.
Laut Aussage des Testentwicklers eignet sich der Test zwar im Prinzip zum allgemeinen Einsatz, das heißt “für jedermann”, doch deckt sich das hier verwendete Raster der vier gemessenen Charaktermerkmale schon sehr mit dem Kompetenzmodell bei Reckitt Benckiser. Insofern ist Profile DeRBy in der Vier-Felder-Matrix des SelfAssessment-Typologie im unteren rechten (also vierten) Quadranten, also im Bereich “SelbstTEST plus Person-Organisation-Fit” zu verorten. Vergleicht man Profile DeRBy dann auch mit den dortigen Nachbarn (dem Haniel-Wertekompass oder dem Unilever Facebookspiel “Could it be U?”) so erkennt man deutliche Ähnlichkeiten.
Fazit: Ich finde Profile DeRBy durchaus gelungen. Wer ein “Spiel” erwartet, der ist hier wohl nicht richtig, wer einen ansprechend und mit spielerischen Elementen (“Funktionslust”) versehenen Selbsttest sucht, um sich selber besser kennenzulernen und evtl. seine Passung zu Reckitt Benckiser zu überprüfen, der ist hier gut aufgehoben.
Also: Mit Profile DeRBy bin ich zufrieden. Mit dem tollen Sagrotan Einhand-Seifenspender, den wir kurz vor Weihnachten gekauft haben und der nun leider schon zwei Wochen später seinen Geist aufgegeben hat, leider nicht. Hier könnte Reckitt Benckiser den Recrutainment Blogger durchaus milder stimmen, indem man für Ersatz sorgt, Kontaktdaten im Impressum. Mal schauen, ob Social Media wirkt – das wäre mir dann wohl auch wieder eine Meldung wert… ;-)
Erfrischend, danke für die BEschreibung. So muss ich den Test nicht durchspielen ;-) Besonder schmunzeln musste ich beim letzten Absatz – denn Beschreibung marketionggetriebener Aktionen hin oder her, die Wirksamkeit von Kommunikationskanälken misst sich doch an den kleinen Dingen. Wie einem Feedback zum Sagrotanspender. Das belegt ja auch das alte DELL Beispiel, bei dem massive Beschwerden zu einem gänzlich neuen Serviceverständnis beigetragen haben.