Wird der aktuelle Referentenentwurf zur Neuregelung des Arbeitnehmer-Datenschutzes tatsächlich Gesetz, so wird zukünftig beim Einsatz von Eignungstests auf eine Durchführung nach wissenschaftlich anerkannten Methoden zu achten sein.
Vor diesem Hintergrund war ich halb belustigt, halb erschrocken als vor drei Wochen die WELT am Sonntag doch allen Ernstes der Psycho-Physiognomik, also der Ableitung von Persönlichkeitsmerkmalen aus den Gesichtszügen beinahe eine halbe Seite Platz eingeräumt hat. Doch die Gesichtsdeuterei ist keineswegs die einzige “Pseudo- oder Para-Wissenschaft”, die Einsatz findet. Laut einer Schätzung von Prof. Schuler greifen z.B. über 2% der deutschen Unternehmen auf die Analyse des Schriftbilds (Graphologie) zurück.
Prof. Uwe Kanning, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Fachhochschule Osnabrück und Autor einer Reihe von Fachbüchern, hat die verschiedenen sog. Methoden einzeln seziert. Er widmet sich in seiner Kurzanalyse der Psycho-Physiognomik, der Graphologie und der Namenspsychologie, also der Ableitung von Persönlichkeitsmerkmalen aus dem Vornamen.
Das Gesamturteil ist eindeutig: Es mangelt nicht nur an vernünftiger empirischer Evidenz, es mangelt sogar an einer plausiblen Theorie, die die munter behaupteten “Zusammenhänge” zu erklären vermochte. Schade eigentlich, wo es doch so spannend wäre, wenn man die Unterscheidung zwischen Generaldirektor und Sexualmörder einfach so am Gesicht, am Schriftbild oder noch besser “am Vornamen” ablesen könnte. Ach ja: Nicht funktionierende Fusionen wie die von TimeWarner und AOL hätten auch verhindert werden können, wenn man vorher auf die Namen (der Unternehmen wohlgemerkt!) geguckt hätte… Ne, klar…
Ich empfehle einen Blick in den Beitrag von Uwe Kanning. Ist erhellend, zuweilen amüsant, im Kern macht er aber auch nachdenklich, bedenkt man, dass solche Instrumente tatsächlich zuweilen darüber entscheiden, ob jemand einen Job bekommt oder nicht… Es steht zu hoffen, dass die neuerliche Debatte darüber, wie ein Auswahltest beschaffen sein muss (oder besser: wie er nicht beschaffen sein darf) hier für mehr Seriösität sorgt.
Wie aktuell das Thema ist, zeigt ein Blick in das Programm der Zukunft Personal 2010,
dort findet sich die Psycho-Physiognomik im Programm. Und das nicht auf einer Esoterikmesse, sondern einer Fachmesse für Personalmanagement:
http://www.zukunft-personal.de/content/e22/e6071/index_ger.html
Wer bist Du?? Was Gesichts- und Körperausdruck über einen Menschen verraten
Institut für “Erlernbare Menschenkenntnis”
Referent: Stefanie Dedenbach