Verliert man Bewerber durch den Einsatz valider Auswahltests? Nein, sagen wissenschaftliche Studien.

Momentan hört man oft: “Wir bekommen weniger Bewerbungen, wir haben also nicht mehr so viel Auswahl. Darum können wir nicht mehr so wählerisch sein. Und wenn die KandidatInnen auch noch einen Test machen sollen, dann werden es ja noch weniger…”.

Man könnte nun durchaus die Frage stellen, ob diese Unternehmen wirklich glauben, dass sich jemand später in seinem Beruf (!) voll reinhängen und engagieren wird, wenn er oder sie schon die potenziellen Stellen danach aussucht, ob die Bewerbung möglichst wenig Anspruch hat und Anforderungen stellt.

Aber ich möchte heute eher auf einen anderen Aspekt hinaus:

Wer sagt denn eigentlich, dass eine fundierte und qualitative Auswahl und eine hohe Akzeptanz und gute Candidate Experience ein Widerspruch sein müssen?

Oder anders formuliert: Schrecken valide Auswahlinstrumente (gute) KandidatInnen ab?

Die Antwort lautet: In der Tendenz nein.

Letztes Jahr förderte z.B. die Studie Azubi Recruiting Trends folgenden sehr aufschlussreichen Befund zutage:

Und eine Untersuchung (Uni Zürich in Zusammenarbeit mit Avenir Group) zeigt:

Gute (iSv. valide, wissenschaftlich) Auswahlinstrumente und hohe (Bewerber)Akzeptanz / Candidate Experience (Praktikabilität) korrelieren deutlich positiv.

Der aktuell durchaus verbreitete Glaube, dass man Bewerbern keine Auswahl “zumuten” dürfe, weil diese dadurch vermeintlich abgeschreckt würden, ist falsch.

Science says.

D.h. das Dilemma zwischen “guter” Auswahl und Candidate Experience gibt es eigentlich gar nicht.

Natürlich kommt es auf die konkrete Ausgestaltung des Auswahlprozesses an. Aber z.B. Tests (diese wurden in der Züricher Studie analysiert) kommen sogar ziemlich gut weg.

Wenn es also Bewerbern möglichst angenehm gemacht werden soll (wofür es ja sehr gute Gründe gibt), dann sollte man vllt. eher über das Uralt-BMS mit Registrierungszwang, die Reaktionszeiten auf Nachfragen oder Transparenz hinsichtlich des Bewerbungsstatus usw. nachdenken und diese verbessern. Sinnvolle Auswahlmethoden (insb. Tests) abzuschalten, macht weder die Auswahl besser noch steigert es die Akzeptanz.

Vor diesem Hintergrund habe vor kurzem bei LinkedIn einmal eine kurze Umfrage (“Poll”) gestartet, worin denn die eigentliche Hauptaufgabe des Recruitings liegt. Die Frage lautete sinngemäß: Wenn man auf die Essenz runterdampft, was ist das wichtigste Ziel für das Recruiting – Time to Hire, Quality of Hire, Candidate Experience oder Cost per Hire.

Auch wenn es sich hierbei natürlich nicht um eine wissenschaftliche Erhebung handelte, so zeigen die Zahlen doch eine sehr deutliche Tendenz: Am wichtigsten ist es, die passende Person zu finden und einzustellen. Die Quality of Hire setzten fast 80% der knapp 150 Befragungsteilnehmer an Platz 1. Die anderen Ziele sind sicherlich auch alle wichtig und erstrebenswert, aber eben nachrangig. D.h. schnell, angenehm und billig bringt alles nichts, wenn das eigentliche Ziel, nämlich passend zu besetzen, nicht erreicht ist…

Naja, zudem sind “gut” und “angenehm” ja auch offenkundig gar kein Widerspruch, wie die eingangs zitierten Studien zeigen.

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