Wird der Robot Assistent, Kollege oder Chef? Recruiting 4.0 – Was ist, was bleibt, was sich ändert…

Autorin: Julia Marx

Wie (fast) alles in der heutigen (Arbeits-)Welt stehen auch das Recruiting und die HR-Bereiche dem ständigen Wandel gegenüber. Klassisches Ausschreiben in der Zeitung, per Post gesendete Bewerbungsmappen und das typische Stärken-Schwächen-Bewerbungsgespräch sind schon länger veraltet, sogar fast schon ausgestorben. Online-Jobbörsen, Online-Bewerbungen und Bewerbermanagement-Systeme sind heute eher die Devise. Die zunehmende Digitalisierung bietet unzählige Möglichkeiten und Hilfen, die den Recruitern teilweise schon vieles einfacher machen.

Der Wandel der Digitalisierung zeigt sich schon länger im HR, doch dort hört er noch lange nicht auf. Im Gegenteil, Industrie 4.0 verändert die Arbeitswelt immer weiter, zum Recruiting 4.0.

Der typischen Zielgruppe dieses Blogs muss ich vermutlich nichts mehr erzählen über Online-Bewerbungen oder Bewerber-Management-Systeme. Doch die Tendenzen gehen mittlerweile noch einen Schritt weiter. Die Themen „Data Driven Recruiting“ und „Robot Recruiting“ treten in letzter Zeit – auch im Rahmen der Blogparade #NextRecruiting17 – immer öfter in den Vordergrund.

Was bei dem ein oder anderen „altmodischen“ Personaler Assoziationen zum Terminator am Nachbarschreibtisch hervorruft, bereitet auch Personalern, die sich schon länger dem technischen Wandel hingegeben haben, teilweise noch ein paar Bauchschmerzen.

Der Grund für diese Unsicherheit ist die Angst, dass Roboter die Weltherrschaft übernehmen dass die zunehmende Automatisierung eine Entmenschlichung des Recruiting Prozesses zur Folge haben könnte.

Möglicherweise ist aber eher das Gegenteil der Fall. Was sich im ersten Moment paradox anhört, ist eigentlich ganz einfach. Mit mehr Maschinen im Einsatz kommt evtl. sogar mehr Menschlichkeit in die Arbeitswelt zurück. Warum? Weil den Personalern die zeitraubenden verwaltenden Abläufe von unterstützenden Technologien abgenommen werden.

So bleibt endlich mehr Zeit, um die Bewerber besser kennenzulernen und die Passung zum Unternehmen auf einer breiteren Informationsbasis einschätzen zu können.

Doch was genau steckt hinter Data Driven Recruiting und Robot Recruiting? Und vermutlich noch wichtiger: Was bedeuten diese Schlagworte für das zukünftige Arbeitsumfeld der Personaler dieser Welt?

Unter Data Driven Recruiting versteht man das Nutzen von bestimmten Daten für eine anstehende Entscheidung. Klingt zunächst nicht neu, schließlich hat man schon immer Daten als Entscheidungsgrundlage genommen. Das Zauberwort hier heißt Big Data. Es werden nicht nur ein paar, sondern große Mengen von Daten (sowohl intern als auch extern) gesammelt und mit Hilfe von Analysen so zusammengestellt, dass Aussagen über alle möglichen Wahrscheinlichkeiten getroffen werden können.

Mal heruntergebrochen: Alle unsere Führungskräfte haben ihre Bewerbung mit „freundliche Grüße“ statt „mit lieben Grüßen“ beendet. Dementsprechend besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass Bewerber, die ebenfalls „freundliche Grüße“ verwenden, in Zukunft als potentielle Führungskraft in Frage kommen. Auf den in diesem Zusammenhang nicht unentscheidenden Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität gehe ich an dieser Stelle mal nicht weiter ein…

Robot Recruiting geht sogar noch eine Stufe weiter als das Data Driven Recruiting.

Dabei werden gleich mehrere Schritte und Aufgaben von Maschinen übernommen. Bewerbungsunterlagen werden zum Beispiel von Algorithmen nach festgelegten Kriterien analysiert, gewertet und aussortiert, Persönlichkeitsprofile automatisiert aus öffentlich zugänglichen Social-Media Profilen abgeleitet und sogar echte Auswahlinterviews mit dem Bot geführt.

Foto: La Trobe University Melbourne

Maschinen haben hierbei nicht nur den Vorteil, dass sie dabei nicht ermüden, sondern auch, dass sie – sofern der Algorithmus entsprechend eingestellt ist – völlig vorurteilsfrei bewerten können.

So viel erstmal zum Hintergrund. Jetzt geht´s ins Eingemachte. Was davon wird denn tatsächlich schon genutzt? Wo sehen Experten Potential? Wo liegen eventuelle Herausforderungen und was wird sich in Zukunft ändern?

Die Jobbörse JobStairs hat im März 2017 in einer Experten-Umfrage unter Personalentscheidern aus deutschen Top-Unternehmen Antworten zu genau diesen Fragen gesucht.

Datenbasierte Tools

Zu datenbasierten Tools, sprich Data Driven Recruiting Tools, zählen zum Beispiel Bewerber-Management-Systeme oder Matching-Technologien, aber auch große Analyse-Software. Erstere Hilfsmittel sind dem Großteil der Recruitern zumindest bekannt. Matching-Verfahren werden sogar schon von 45,83% genutzt – Tendenz steigend.

Aber auch sogenannte Chatbots, die eher Richtung Robot-Recruiting gehen, sind vereinzelt bereits im Einsatz (10,53%). Diese Technologie wird für die Ansprache von tatsächlichen und potentiellen Bewerbern eingesetzt.

Die allgemeine Meinung zum Einsatz von smarten und datenbasierten Tools fällt in der Befragung positiv aus. Die befragten Personaler sind sich sehr sicher, dass sich diese Tools nicht nur durchsetzen werden, sondern zusätzlich auch große Potentiale, etwa in der Auswertung von Bewerbungen, bieten (92,31%).

Ganz klar, Maschinen können die analytischen Anforderungen, die z.B. beim Auswerten von Bewerbungen benötigt werden, problemlos – teils sogar besser als Menschen – erfüllen. Kein Ermüden, kein Übersehen, ausschließlich objektive Kriterien.

Zwar sparen die Maschinen dem Unternehmen perspektivisch einen Haufen Zeit und Geld, aber kritisch hinterfragt: geht bei der reinen Fakten-Betrachtung nicht ein Stück weit die Individualität und Persönlichkeit unter?

Man muss gestehen, es ist ein zweischneidiges Schwert. Der Bewerber spart zwar Zeit, indem er auf aufwendige Formulierungen und Gestaltungen verzichten kann, aber verliert dadurch auch die Möglichkeit, durch genau diese Aspekte bei der Bewerbung zu punkten.

Genau aus diesem Grund wird es auch nicht zur vollkommenen Ersetzung der Recruiter kommen. Spätestens, wenn Faktoren wie Sympathie oder andere menschliche Faktoren mitentscheidend dafür sind, welcher Bewerber wirklich auf die Stelle passt, sind die Grenzen der Fähigkeiten von Programmen und Technologien erreicht. Was bleibt ist trotzdem die Herausforderung, wie man am besten mit dieser Frage umgehen kann.

Kommunikation

Während der generelle Einsatz von datengestützten Tools eher positiv bewertet wird, stehen die Befragten der Weiterentwicklung von Kommunikationskanälen noch skeptischer gegenüber. Die Kommunikation mit Bewerbern über ChatBots, die von etwa 10,53% bereits genutzt werden, halten nur etwa 50% der Befragten für tatsächlich sinnvoll. Noch sind die meistgenutzten Kommunikationskanäle das persönliche Gespräch oder Telefonate, allerdings gefolgt von digitaler Kommunikation, wie zum Beispiel Video-Konferenzen oder Instant Messaging Dienste.

Im Rahmen des Recruiting 4.0 werden die digitale und Chatbot-basierte Kommunikation klar zunehmen.

Bereits jetzt planen 71,44% der Personalentscheider Virtual- und Augmented-Reality-Anwendungen, um sie in den Recruiting Prozess einzubinden.

Digitale Daten, Unterlagen und Kommunikationsverläufe können dank Cloud und Co. praktisch verwahrt werden, schneller und einfacher für mehr Leute zugänglich gemacht werden und verkürzen die Arbeitswege in Unternehmen enorm. Obwohl digitale Kommunikation auf dem Vormarsch ist, sind 75% der Befragten der Meinung, dass das persönliche Gespräch seine hohe Bedeutung beibehalten oder sogar noch wichtiger werden wird (29,83%). Passend zum Thema „Recruiting wird immer mehr eine Dienstleistung werden“.

Nichtsdestotrotz: die Abhängigkeit von Technik – mal losgelöst von jeder Wertung – wird so oder so drastisch zunehmen.

Ausblick ins Jahr 2020 und Meinungen

Die Liste der bedeutendsten Bewerbungsformen bis 2020 führen im Moment noch One-Click- und Online-Vorab-Bewerbungen, sowie das Online-Bewerbungsformular an (100-91,30%).

Robot-Recruiting, sprich die Vermittlung von Bewerbern durch Algorithmen, wird allerdings ebenfalls stark aufgeholt haben und wird bereits an vierter Stelle der bedeutendsten Bewerbungsformen in 2020 genannt (82,61%).

Bewerben wird in Zukunft also nicht nur durch den aktuellen „Mobile first“ Trend beeinflusst, sondern ebenfalls durch stärker automatisiertes Recruiting.

Die Mehrheit der Befragten ist sicher, dass der Mensch zukünftig den „Roboter als Kollegen“ haben wird (82,61%). Ein etwas kleinerer Teil der Befragten (69,57%) sieht den „Roboter als Assistenten“, der menschliche Entscheidungen auf eine objektive Grundlage stellt. Nur ein sehr kleiner Teil glaubt, dass Recruiter langfristig durch Roboter und Algorithmen ersetzt werden können (13,05%).

Diese Sorge spiegelt sich auch in der Umfrage wieder. Die „Entmenschlichung“ des Recruitings wird von 73,91% der Befragten als größte Herausforderung des Recruitings 4.0 gesehen. Dicht gefolgt von der Sorge um den Datenschutz (65,22%).

Sowohl Data Driven Recruiting als auch Robot Recruiting haben gemeinsam, dass sie auf Informationen und Daten über konkrete Personen zurückgreifen. Die Frage des Datenschutzes ist daher unerlässlich. Viele der Suchalgorithmen greifen hierbei allerdings nur auf Informationen zurück, die die fragliche Person zuvor selbst preisgegeben hat (Facebook und Co.). Datenschutzrechtliche Fragen sind damit natürlich nicht aus der Welt; es zeigt sich aber, dass ein beträchtlicher Teil der Verantwortung auch beim Bewerber selber liegt.

Nichtsdestotrotz bleibt der Datenschutz eine Herausforderung. Denn nicht selten nutzen es unseriöse Unternehmen aus, dass niemand die Datenschutzerklärung liest. Manche Anbieter geben persönliche Daten, die eigentlich nicht zur Veröffentlichung oder Nutzung bestimmt sind (ohne Wissen oder Kontrollmöglichkeit der betreffenden Person) an Drittanbieter weiter.

Schlussendlich kann man also sagen, dass sich hinter Data Driven Recruiting und Robot Recruiting durchaus Potential verbirgt. Zugegeben, es liegen noch einige Herausforderungen auf dem Weg zur Umsetzung. Allerdings lassen sich diese durch informierte und aufmerksame Personaler identifizieren, benennen und bewältigen.

Veränderung ist nie einfach anzunehmen, ganz besonders nicht, wenn es eine so grundlegende Veränderung ist wie das Robot-Recruiting. Wer dem Recruiting 4.0 allerdings eine Chance gibt, gibt sich nicht nur einfach „dem Wandel der Zeit hin“, sondern auf den warten viele zusätzliche Entlastungen, Potentiale und Hilfen, die den Arbeitsalltag deutlich vereinfachen werden und zusätzlich ganz neue Perspektiven auf den Job des Recruiters ermöglichen werden.

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Julia Marx absolviert zur Zeit ein Praktikum bei CYQUEST und hat sich in diesem Zusammenhang so ihre Gedanken zum Recruiting der Zukunft gemacht. Dies ist ein Beitrag zur Blogparade #NextRecruiting17

2 Gedanken zu „Wird der Robot Assistent, Kollege oder Chef? Recruiting 4.0 – Was ist, was bleibt, was sich ändert…

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