Auch STIHL wirbt mit 360°-Video um Nachwuchs. Warum ich das hier aber nur für mäßig gelungen halte…

Wir haben in der Vergangenheit ja immer mal wieder über den Einsatz von Virtual Reality und 360°-Videos als Instrument des Arbeitgebermarketings berichtet. Unter dem Leitgedanken des “Realistic Job Preview” steckt für mich auch nach wie vor sehr viel Potential in dieser Technik. Dass wir bspw. Oliver Erb von EnBW letztes Jahr den Titel “Personalmarketinginnovator des Jahres” um den Hals gehängt haben, hatte unter anderem auch mit seiner Pionierrolle beim Thema “VR im Personalmarketing” zu tun.

Und so könnte man meinen, es sei nur folgerichtig, dass dann auch die Auszeichnung “HR-Innovation des Jahres” bei den HR Excellence Awards an ein solches Projekt ging.

STIHL wurde für sein “360°-Recruiting Video” mit der begehrten Auszeichnung bedacht.

Dieses ist nun auch sehr prominent in die Karriere-Website des Unternehmens integriert. Das besondere an diesem Tool ist, dass der 360°-Film sozusagen die Bühne für zahlreiche weitere Filme bietet.

Man wird in dem 360°-Film von einer jungen Dame an die Hand genommen und dann durch ein Kunstsetting geführt, eine Halle, in die Trennwände, verschiedene Gegenstände und Personen platziert wurden. Sieht für mich sehr nach Filmstudio aus.

Dabei kann man seinen Blick – 360° eben… – auch in andere Richtungen wenden, den eigentlichen Erzählfaden der jungen Damen aber nicht verändern.

An verschiedenen Stellen wird man in dem 360°-Video thematisch zu Schaltflächen gelenkt, über die man, wenn man sie anklickt, zu weiterführenden Informationen gelangt – konkret zu entsprechenden Videos. Etwa zu einem Imagevideo zum Unternehmen…

…oder Info-Videos speziell zu den verschiedenen Einstiegs- und Karrieremöglichkeiten.

Klickt man diese Schaltflächen an starten sich die Videos, bei denen es sich dann aber nicht um 360°-, sondern um animierte Erklärvideos klassischer Art handelt.

Das 360°-Video bildet also soz. den Rahmen, über den weiterführende Informationsvideos aufgerufen werden können. Das 360°-Video selber ist dabei knapp 3 Minuten lang, die rund 15 weiterführenden Erklärvideos sind zumeist deutlich kürzer (in der Regel unter einer Minute). Will man also den gesamten Durchlauf absolvieren und sich alles ansehen, muss man so rund 20 Minuten einplanen. Da man sich aber höchstwahrscheinlich nur für ausgewählte Inhalte interessiert, dürfte die Nutzungszeit netto in aller Regel deutlich darunter liegen.

Und? Wie finde ich das nun?

Tja, ich fang mal so an: Ich finde die Idee des “Video-im-(360°)-Videos” charmant, weil es dem Nutzer Auswahl bietet. Und sicherlich gibt es auch durchaus noch einige Neugierige, die speziell 360°-Content lockt (z.B. weil sie es noch nicht genutzt haben).

Mir erschließt sich dabei jedoch nicht, warum für den hier umgesetzten Zweck das Rahmenvideo 360° sein musste, denn dieses bietet an sich keinen Mehrwert (Einblick etc.). Es hat eigentlich “nur” die Funktion, den Nutzer zu den einzelnen Detailvideos zu führen. Das wäre aber auch sehr viel simpler gegangen – entweder über eine simple Auflistung der einzelnen Erklärvideos oder von mir aus auch über ein Video.

Aber warum 360°?

Vielmehr stellt das 360°-Video selber eher eine Nutzungshürde auf. Zum einen finde ich die 360°-Bedienung hier eher kontraintuitiv, zumindest am Desktop – man dreht sich soz. immer in die genau entgegengesetzte Richtung als man möchte – schlimmer aber wiegt für mich, dass die Videos – insb. das 360°-Video selber – nicht gerade kleine Datenmengen schaufeln. Das ist für viele Nutzer prohibitiv, weil das Laden an normalschnellen Internetleitungen durchaus einen Moment dauert, bei mobilen Nutzern aber unter Umständen auch zuviel wertvolles Datenvolumen schluckt.

Man hätte sicherlich die gleiche Orientierungswirkung mit einem simplen Video plus Schaltflächen erreicht. Das leistet heute schon das Standardbesteck von Youtube. Das würde dann wirklich jeder über jedes Gerät von jedem Ort aus (auch mobil) gut nutzen können.

360°- bzw. Virtual Reality Content ist ja kein Selbstzweck an sich, sondern sollte Mehrwerte liefern. Zum Beispiel indem man darüber immersiv Bereiche sehen und erkunden kann, die ansonsten schwer oder gar nicht zu erkunden sind (siehe etwa das Innere des menschlichen Körpers bei Boehringer Ingelheim oder einen ICE von unten bei der Deutschen Bahn) oder in die Außenstehende normalerweise nicht dürfen (wie Labors oder Produktionsbereiche, z.B. bei BAYER) oder wollen (z.B. Gefechtssituationen beim Militär). Ein eher artifizielles Studio mit Requisiten und Statisten würde ich hier nicht zu zählen…

Mein Eindruck also: Ja, charmant, aber den Nutzen von 360° für diesen Einsatzzweck kann ich so nicht erkennen. Den zentralen Hauptnutzen, den 360°-Content liefern kann – nämlich eben gerade realistische Previews zu bieten -, entdecke ich hier nicht…

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