Jobboards gibt es wie Sand am Meer. So viele, dass es ohne algorithmische Unterstützung nahezu unmöglich ist, Stellenanzeigen noch halbwegs gescheit im Markt zu platzieren – ein Umstand, den sich Anbieter wie VONQ zunutze machen. Es sind aber auch so viele, dass für mich eine Bereinigung des Marktes eigentlich nur eine Frage der Zeit sein kann. Schlichtweg, weil sie es immer schwerer haben werden, die für eine hinreichende Conversion erforderliche Reichweite der Stellenanzeigen zu gewährleisten. Hierzu hatten Eva Zils und auch Wollmilchsau Alexander Fedossov in der Vergangenheit ja auch schon sehr interessante Überlegungen und Rechenbeispiele geliefert.
Auch wenn es dem gelernten Verhalten vieler Personalmarketer fremder ist, sind Jobsuchmaschinen für mich da schon etwas zukunftsgerichteter. Hier werden Stellenanzeigen nicht „geschaltet“, sondern diese werden gecrawlt, sprich: maschinell gesucht und ausgelesen. Wenn man die Entwicklungen rund um ESCO (European Skills, Competences, Qualifications and Occupations, ich werde dazu in Kürze mal etwas mehr Hintergründe liefern) oder Googles Cloud Jobs API (dazu hatte auch Alex von der Wollmilchsau kürzlich einiges an Infos zusammengestellt) verfolgt, kann man erahnen, dass es zukünftig immer mehr automatisiert zugehen wird…
Nun, Jobsuchmaschinen gibt es allerdings auch reichlich. Von daher bin ich immer wieder überrascht, wenn es dennoch immer wieder neue Anbieter gibt, die auf diesen Markt drängen. Klar, man hat auch gedacht, wozu braucht man noch eine weitere Suchmaschine, man hat doch Alta Vista. Bis Google kam. Aber es bedarf auf jeden Fall immer eines besonderen Alleinstellungsmerkmals, wenn man sich als Newcomer ein Stückchen von der Torte sichern möchte, speziell in Märkten mit starker Tendenz zu „The Winner takes it all“…
Ein solches Alleinstellungsmerkmal sehe ich allerdings in der Tat bei meinem heutigen Beispiel. Die Jobsuchmaschine „JOIN – The Jobinnovator“ verspricht zwar wie viele andere auch „den Job zu finden, der passt“, bezieht sich bei dieser Passung jedoch vor allem auf Aspekte, die zwar alle immer für „suuuperwichtig“ halten, die aber gleichwohl in den Suchmasken und Filtermöglichkeiten immer noch viel zu wenig auftauchen:
Aspekte, die sich darauf beziehen, ob der Job zu meinem restlichen Leben passt.
Aspekte, die sich darauf beziehen, ob das Unternehmen auch zu meinen Werten passt.
Bietet der Job hinreichend Flexibiltät, in Bezug auf Arbeitszeiten und deren Einteilung? Kann ich den Job mit meinen familiären Pflichten und Wünschen vereinbaren? Begegnet man sich dort auf Augenhöhe?
Das hat alles sehr viel mit unternehmenskulturellen Merkmalen zu tun, von denen zwar auch immer schon alle Personaler behaupteten, dass diese immens wichtig seien („es muss passen“), die aber nichtsdestotrotz in der Personalkommunikation und -Auswahl bislang immer noch deutlich unterrepräsentiert sind. Nun, daran arbeiten wir ja – mit dem Kulturmatcher wird ab 2017 ein entsprechendes Mess- und Matchingverfahren zur Verfügung stehen, um ebensolche Merkmale mess- und quantifizierbar und somit zu Datenpunkten fürs Matching zu machen.
Aber zurück zu „JOIN“. Wie gesagt, mich hat die Positionierung, mit der die Macher das Angebot im Markt der Jobsuchmaschinen positionieren wollen, aufhorchen lassen. Deshalb habe ich mir mit Anja Dehghan eine der Gründerinnen zum Interview geschnappt…
Here we go…
>>
Hallo Anja, Ihr seid kürzlich mit JOIN an den Start gegangen. Einer Suchmaschine für Jobs. Ich sag es mal etwas ketzerisch: Jobsuchmaschinen gibt es doch schon wie Sand am Meer. Was ist bei Euch anders? Was ist das Besondere?
Wir verändern die Online Jobsuche. Jobinnovator setzt bei den Bedürfnissen der Bewerber an: Wie will ich arbeiten? Was muss mir ein Unternehmen bieten, damit ich mich für den Job bewerbe? Wir selbst taten uns schwer, in den Kategorien, die uns Suchmaschinen dafür angeboten haben, einen Job zu finden. Also haben wir versucht, neue Kategorien zu definieren, die zeitgemäße Bedürfnisse besser widerspiegeln, zum Beispiel: flexible Arbeitszeiten, persönliche Weiterentwicklung oder flache Hierarchien. Die Stellenanzeigen werden gewertet, je nachdem in welchem Maß sie die gewählten Kategorien erfüllen. So sind nicht mehr nur Jobtitel und Ort Kriterien für die Online Jobsuche, sondern vor allem auch die eigenen Ansprüche an einen Job bzw. an einen Arbeitgeber.
Ich bekomme pro Woche 3-5 Anfragen, weil jemand auf dem Recrutainment Blog in irgendeiner Form mit seinem Angebot erscheinen möchte. Das allermeiste davon lehne ich ab. Zum einen weil der Blog bei uns ja eher ein Hobby und eine Herzensangelegenheit ist, zum anderen weil mir oft einfach nicht einleuchtet, was an dem jeweiligen Angebot denn nun besonders „berichtenswert“ sein soll. Bei Euch hat mich sofort angesprungen, dass Ihr z.B. gezielt nach Jobs in Teilzeit, nach Jobs, die sich mit Familie vereinbaren lassen oder auch nach Jobs „auf Augenhöhe“ filtern lasst. Trotz aller Lippenbekenntnisse liegt hier ja bei vielen Unternehmen immer noch enorm viel im Argen. Was hat Euch bewogen, genau diese Kriterien so prominent zu machen?
Unser Ziel ist es, transparent zu zeigen, was Unternehmen ihren Mitarbeitern bieten. Ähnlich wie bei Flugpreisrechnern: Wenn man plötzlich genau sehen kann, wer was bietet, werden diese Kriterien zu klaren Wettbewerbsvorteilen. Das führt dann wiederum dazu, dass andere nachziehen, um ebenfalls attraktiv zu sein in ihrer Bewerberansprache und ihre Angebote besser zu kommunizieren.
Wie genau lest Ihr denn aus den Stellenanzeigen heraus, ob diese „vereinbar“ oder „auf Augenhöhe“ sind?
Wir suchen in den Stellenanzeigen nach konkreten Angeboten, die Unternehmen machen. Diese werden kategorisiert, so dass Bewerber, die auf unser Portal kommen, ihren Bedürfnissen entsprechend nach einem Job suchen können. Denn wir können nicht voraussetzen, dass Bewerber alle Möglichkeiten kennen, die Unternehmen haben um eine zeitgemäße Unternehmenskultur leben. Das Angebot wird ja auch immer vielfältiger. Wenn ich all diese Begriffe in meine Volltextsuche integrieren möchte, muss ich mich zum Einen sehr gut auskennen und zum Anderen sehr viel Zeit mitbringen. Wenn ich zum Beispiel auf der Suche nach Flexibilität bin, muss ich auch Angebote wie Job Sharing oder Arbeitszeitkonto berücksichtigen, um fündig zu werden.
Wir erbringen diese Transferleistung für den Bewerber und zeigen ihm genau die Jobs, die seinen Bedürfnissen entsprechen. Uns ist wichtig, dass wir tatsächlich nur solche Stellenanzeigen berücksichtigen, die konkrete Angebote machen. Häufig werden Buzzwords und Floskeln verwendet, die zwar schön klingen, aber keinerlei Rückschlüsse erlauben bzw. völlig nichtssagend sind. Die klammern wir bewusst aus.
Ihr steht ja noch sehr am Anfang. Was kommt als nächstes? In welche Richtung wollt Ihr euch entwickeln?
Unser Fokus liegt auf der Vermittlerrolle zwischen Unternehmen und Jobsuchenden. Es gibt auf beiden Seiten Verständnisschwierigkeiten, die Ansprüche und Bedürfnisse des Gegenübers betreffend. Stellenanzeigen sind oft so verklausuliert formuliert, dass es den Bewerbern schwer fällt, sie zu verstehen. Unternehmen hingegen tappen häufig im Dunkeln darüber, was Fachkräfte von attraktiven Arbeitgebern heute erwarten. Hier wollen wir ansetzen.
Langfristig planen wir eine fähigkeitsbasierte Jobsuche, jenseits von Berufsbezeichnungen und starren Vorgaben. Ein Grafikdesigner zum Beispiel beherrscht bestimmte Softwareanwendungen, die möglicherweise auch für andere Jobs relevant sind. Eine fähigkeitsbasierte Jobsuche führt ihn dann möglicherweise zu ganz anderen Jobs, von denen er noch gar nichts weiß. Wenn der Anspruch an die Kultur eines Unternehmens gepaart mit den eigenen Fähigkeiten Grundlage für die Jobsuche ist, dann steigen die Chancen, dass es zwischen dem suchenden Unternehmen und dem Bewerber einen erfolgreichen Match gibt.
Liebe Anja, ich glaube da seid Ihr auf dem richtigen Weg. Das zu bohrende Brett ist dick, aber wenn wir alle irgendwann zu wirklicher Passung kommen wollen, müssen wir da durch. Ich drücke Euch die Daumen!