Vor einer Woche haben wir 2014 zum Jahr der Berufsorientierung ausgerufen und ich muss sagen, dass ich ob der Resonanz immer noch ganz überwältigt bin. Nicht nur, dass ich würde fast sagen die gesamte einschlägige Blogosphäre ihr Mitwirken an der Blogparade zugesagt hat (die ersten fünf Beiträge sind ja auch schon eingegangen…), sondern dass auch gleich große Leitmedien wie WELT und SPIEGEL auf das Thema gesprungen sind… ;-)
Naja, zu behaupten, dass die dort erschienenen Artikel „Berufswahl – Hilfe ich kann mich nicht entscheiden“ (SPIEGEL) und „Sie sind jung und schlau, aber ratlos“ (WELT) in direktem Zusammenhang mit der Blogparade stehen, wäre dann vielleicht doch ein wenig anmaßend. Was dadurch aber zweifelsohne zum Ausdruck kommt, ist dass das Thema offensichtlich wirklich inzwischen die von mir postulierte dramatische Relevanz hat.
Nun, wir sind ja aber nicht nur Berichterstatter, sondern auch Akteur in diesem Feld. Und als solcher waren und sind wir an einem Projekt beteiligt, das – und jetzt mal wirklich alles Eigenlob ausklammernd – das Zeug dazu hat, die Orientierungslosigkeit vieler junger Menschen zu lindern…
Gestern startete auf den Seiten der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) – dem sog. Hochschulkompass – und ZEIT ONLINE gleichzeitig der SIT, kurz für Studium-Interessentest.
SIT – Studium Interessentest von HRK und ZEIT ONLINE (und CYQUEST…;-)
Wie ich ja letzte Woche schon geschrieben habe, listet Hochschulkompass.de aktuell nahezu 10.000 grundständige Studiengänge auf (insg. sind es sogar mehr als 16.000 aber die konsekutiven Masterstudiengänge klammern wir hier mal aus, weil man sich auf diese ja eh erst mit einem passenden Bachelor in der Tasche bewerben kann).
Immerhin gibt es wenigstens diese Übersicht der HRK, so dass man zumindest eine Instanz hat, die es sich zur Aufgabe gemacht, die Gesamtausmaße des „Dschungels“ zu vermessen. Aber die schiere Anzahl von 10.000 Studiengängen ist selbstverständlich für junge Menschen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Hochschulstudium zu beginnen, unüberschaubar groß.
Die Entscheidungsheuristiken – also der Versuch, diese unüberschaubar große Zahl auf ein vertretbares Maß zu reduzieren – vieler Studieninteressierten basieren häufig auf Stereotypen und Ratgebern wie Eltern oder Freundeskreisen oder aber vermeintlich extern vorgegebenen Zwängen wie etwa der räumlichen Nähe der Hochschule zum eigenen (bzw. dem der Eltern) Wohnort.
Eigentlich sollte aber als erstes die Frage „Was interessiert mich eigentlich?“ kommen. Die steht zwar bei jungen Menschen nicht immer hintenan – nein nein, unsere Schüler sind viel mehr an der Zukunft, auch ihrer eigenen, interessiert, als es uns unsere eigenen Klischeevorstellungen oft einzureden versuchen – aber mit der Beantwortung der Frage nach den eigenen Interessen ist es ja leider auch noch lange nicht getan. Vielleicht weiß ich als selbstreflektierter junger Mensch, dass ich mich auch beruflich gern irgendwann „irgendwie künstlerisch“ betätigen oder dass ich „Menschen helfen“ möchte. Aber welcher der 10.000 Studiengänge dabei der für mich richtige ist? Diese Übersetzung fehlt. Nein. Fehlte…
Genau an dieser Stelle setzt der SIT nämlich an. Er beantwortet die Frage, was mich interessiert UND er verwendet dieses Ergebnis, um ergänzend zu anderen Entscheidungskriterien die Frage zu beantworten:
Welcher Studiengang, in welcher Hochschulform, an welcher Hochschule passt zu mir?
Ganz wichtig: Auch der SIT kann jungen Menschen die Entscheidung nicht abnehmen, welchen Weg sie letztlich einschlagen sollen. Aber: Er kann die zu komplexe Welt soweit vorsortieren, dass junge Menschen ihre Energie der Detailorientierung und Informationssuche gezielt auf diejenigen Angebote lenken können, die auch mit hoher Wahrscheinlichkeit passend sind. SIT ist kein Wundermittel, was einen direkt zum Ziel führt. Aber ein Instrument, das sehr intelligent den Weg abkürzen kann…
Das wirklich einmalige an dem Test ist, dass es der einzige Interessentest ist, der wirklich auf das gesamte deutsche Studienangebot matcht, eben weil es keine andere Institution als die HRK gibt, die alle Studiengänge aller Hochschulen auflistet.
Wie funktioniert das ganze nun?
Auf dem Hochschulkompass ist der Menüpunkt Studium-Interessentest prominent in der Top-Navigation aufgeführt. Bei ZEIT ONLINE findet sich der Test im Menüpunkt Studium.
Dort gelangt man nach vorheriger Registrierung zum Test. Dieser besteht aus insg. 72 Interesseneinschätzungen. Der SIT basiert auf dem von CYQUEST entwickelten allgemeinen Interessentests zur Studienwahl interest_st, der auf dem in der Interessenforschung etablierten Modell von John Holland (1997) aufbaut und sechs grundlegende Interessenbereiche unterscheidet:
- Kreativ-kulturelle Interessen
- Soziale Interessen
- Wirtschaftlich-unternehmerische Interessen
- Administrativ-verwaltende Interessen
- Technisch-praktische Interessen
- Theoriegeleitet-forschende Interessen
Nach max. 15 Minuten Bearbeitungszeit gelangt man zum Ergebnis. Dieses ist erstens eines allgemeine Rückmeldung auf den sechs Interessendimensionen, die man sich sowohl in der Übersicht…
…als auch im Detail ansehen kann.
Dieses Interessenprofil kann man sich als PDF runterladen und abspeichern.
Soweit, so (halbwegs) interessant. Richtig spannend wird es aber jetzt:
Dieses Ergebnis, also die persönlichen Interessenausprägungen, kann man nun verwenden, um es als Filterkriterium bei der Studiengangssuche einzusetzen. In der Suchmaske kann man dabei quasi den gewünschten Grad der Übereinstimmung zwischen den persönlichen und den von einem konkreten Studiengang auch bedienten Interessen einstellen. Als Default-Einstellung gelten hierbei 80 % Übereinstimmung, aber das kann man wie gesagt individuell rauf oder runterstellen.
Die Anzahl an Treffern wird dabei dynamisch und fortlaufend verändert.
Natürlich sind Interessen nicht das einzige Kriterium. Man kann – analog der Filterfunktionalitäten, die man bspw. von Automobil- oder Immobilienportalen kennt – weitere Filter definieren. Dazu gehören z.B. Fächergruppen, Studienbereiche oder Studienfelder…
… dazu gehören aber natürlich auch z.B. geografische Präferenzen…
…oder der präferierte Hochschultyp:
Wie gesagt, man erfährt unterwegs immer dynamisch, wie viele einzelne Studiengänge sich bei den vorgenommenen Entscheidungen noch auf der individuellen Shortlist befinden.
In meinem Fall waren es zu diesem Zeitpunkt noch genau 10, wobei ich eine 100-Prozent-Interessenübereinstimmung kombiniert habe mit einer geografischen Präferenz von max. 150 km um meinen Wohnort und dem Wunsch, an einer Universität zu studieren.
Dann der Moment der Spannung: Natürlich will man nun wissen, welche Studiengänge dies sind, und wo man diese angeboten bekommt. Also klick auf „Suchen“ und man erhält eine überschaubare Liste derjenigen Angebote, die den gewünschten Kriterien entsprechen.
In meinem Fall mitten auf dieser Liste: BWL in Hamburg. Genau da(s) habe ich auch unter anderem studiert und würde rückblickend sagen, dass das auch so schlecht nicht gepasst hat…
Auf jeden Fall kann der Studieninteressierte nun ausgehend von dieser Shortlist in die Detailrecherche einsteigen, d.h. sich z.B. auf den Websites der genannten Unis weitergehende Informationen einholen.
Auf dem Angebot von ZEIT ONLINE sind von zahlreichen Hochschulen bereits direkt weiterführende Informationen hinterlegt, so dass man hier auch direkt vor Ort weiter recherchieren kann (hier am Beispiel der Bauhaus Uni Weimar illustriert).
Auch die inzwischen sehr populären Online-Studienorientierung oder oft auch OSA (Online-Self-Assessment) genannten Angebote vieler Hochschulen, mittels derer man sich detailliert über einzelne Studienangebote informieren kann, lassen sich hier sehr gut anschließen. Wenn man weiß, dass ein spezieller Studiengang dem Grunde nach ganz gut passen könnte, dann lohnt es sich ja auch viel mehr, sich mit diesem intensiv auseinander zu setzen. Exemplarisch sei hierbei etwa das inzwischen recht umfassende Angebot der Uni Göttingen genannt.
Nachweis der Studienorientierung
Der SIT bietet neben dieser individuellen Filterfunktion noch ein weiteres Feature, was absolut bemerkenswert ist: Den Nachweis der Teilnahme.
Manche Hochschulen in Deutschland, unter anderem alle baden-württembergischen, verlangen nämlich einen Nachweis, dass Studienplatzbewerber ein Studienorientierungsverfahren absolviert haben, bevor sie sich bewerben, anmelden oder einschreiben können. Die Teilnahme am SIT erfüllt dieses Kriterium. Man kann sich nach Teilnahme auf der Seite ein entsprechendes Zertifikat als PDF generieren und dieses bei einer späteren Bewerbung um einen Studienplatz beilegen.
Aus dem Zertifikat geht dabei nur hervor, DASS man eine Orientierung durchlaufen hat, NICHT welches Ergebnis dabei herauskam.
So. Wie ich gerade parallel mitbekommen habe, ist inzwischen auch die Pressemitteilung von der ZEIT hierzu rausgegangen. Ich bin mal gespannt, was für Kreise das Thema jetzt so schlagen wird. Die ersten etwa 600 Nutzer (seit gestern…) verheißen hier ja durchaus einiges…
Glückwunsch Jo!
Ist ne super Sache, die meiner Meinung nach viel Zuspruch finden dürfte.
Ich werde den Test gleich mal machen und schauen, ob das Studienfach auch bei mir rückwirkend gepasst hat :)
Halt uns bezüglich der Nutzerzahlen auf dem Laufenden.
VG
Christoph
Naja als Meilenstein würde ich das nun nicht bezeichnen, schließlich erhalte ich, wenn ich nach „Studienwahltest“ google genügend gute Tests, die kostenlos und vor allem ohne Registrierung möglich sind. Das einzige innovative ist, dass man sich die Suche danach spart, an welchen Hochschulen der jeweilige Studiengang angeboten wird, aber ob das nun rechtfertigt, den Test so zu hypen. Ich weiß nicht…
@Maike: „Das einzige“ wäre aber in der Tat genau das und das ist eine ganze Menge. Ansonsten bekommt man ein Ergebnis eines Interessentests und kann sich dann auf die Suche machen, wo man das studieren kann. Eine solche Suche geht sinnvoll eh nur über den Hochschulkompass, weil das die einzige Stelle ist, die alle Studiengänge auflistet. Hier kann man jetzt das Ergebnis des Interessentests direkt in diese Suche einbeziehen. Ich würde das schon zumindest als „großen Schritt nach vorn“ bezeichnen…