Ego-Shooter als Employer Branding Instrument – America´s Army III

Immer wieder befassen wir uns in diesem Blog auch mit dem Thema der Serious Games, also Spielen, die neben dem reinen Unterhaltungswert auch weitergehenden Zwecken dienen und so zum Beispiel im Recruiting Kontext Anwendung finden können.

Zu dieser Gattung zählen zum Beispiel die Berufsorientierungsspiele der RWE oder auch das Tool CyPRESS von Gruner & Jahr, über das wir im letzten Jahr hier im Blog berichtet haben. Beide Beispiele können mit relativ kurzem zeitlichen Aufwand Durchlaufen werden und es werden primär anhand von kleinen Aufgaben bestimmte Berufsbilder oder Abteilungen in den jeweiligen Unternehmen dargestellt.

Der Fokus des Serious Games, das wir vor Kurzem ausprobiert haben, ist da ein anderer: Im Ego-Shooter America’s Army, der 2002 von der amerikanischen Armee vorgestellt und seitdem mehrfach überarbeitet wurde, steht das Spielerlebnis über mehrere Stunden oder Tage klar im Vordergrund. Aktuell kann man das Spiel in der dritten Auflage spielen und nach wie vor frei im Internet herunterladen. Zuvor muss jedoch die ebenfalls kostenfreie Software Steam heruntergeladen und installiert werden, die auch bei anderen bekannten Ego-Shootern Anwendung findet. Der ganze Prozess ist nicht „mal eben so“ gemacht. So hat das Herunterladen des 5GB großen Spiels für unseren kleinen Test die Surfgeschwindigkeit der Abteilung durchaus temporär gemindert.

Beim ersten Start hat das Spiel ziemlich stark geruckelt, sodass die Grafik-Einstellungen auf ein Minimum heruntergeschraubt werden mussten – zugegeben, der hier verwendete Laptop soll in erster Linie zum Arbeiten verwendet werden und dem typischen „Gamer“ steht heute wahrscheinlich deutlich bessere Hardware zur Verfügung, aber sicherlich hat nicht jeder innerhalb der Zielgruppe das nötige Kleingeld seine PC Hardware immer auf den neuesten Stand zu bringen. Auch vor dem Hintergrund der Zielsetzung des Spiels als Personalmarketinginstrument (s.u.) ist das sicherlich nicht unbedingt förderlich.

Nach dem Starten des Spiels kann man sich einen Avatar auswählen und ihm einen Nickname verpassen. Interessanterweise kann hier nur aus einer Vielzahl von männlichen Gesichtern gewählt werden, weshalb ich mich als Frau zunächst nicht bis ins Letzte mit meinem Avatar „LAShooter“ identifizieren konnte :-) Insgesamt bemüht sich die amerikanische Armee aber trotzdem auch Frauen für das Soldatentum zu begeistern, was man an einigen Bildern mit Soldatinnen im Vordergrund in der „Go Army“ Werbesektion im Spiel erkennen kann (hierzu weiter unten mehr).  Ich frage mich natürlich: „Warum nicht auch bei den Avataren für das Spiel?“

Grundsätzlich sollen neue Spieler (analog zum echten Leben) zunächst das „Basic Combat Training“ absolvieren, man kann sich jedoch auch gleich in den Einsatz begeben, hat dann aber nur eine Waffenart zur Verfügung, um nicht zu viel Schaden anrichten zu können. Als extremer Anfänger in Sachen Ego-Shooter war ich ohne anfängliches Training überhaupt nicht in der Lage, im Einsatz zurechtzukommen und wurde gleich mehrfach erschossen…

Daher startete ich lieber mit dem Training. Mit einem kleinen Moodfilm wird die Ankunft in der Kaserne eingeleitet. Anhand einer Übersicht kann der Spieler erkennen, welche Schritte die Grundausbildung auch im echten Leben bei der Army beinhaltet. Sechs davon müssen zum Absolvieren der Grundausbildung im Spiel tatsächlich durchlaufen und erfolgreich abgeschlossen werden. Zu allen Ausbildungsinhalten können jedoch kurze Beschreibungen angesehen werden. Zunächst gibt es eine Einheit um sich mit der Steuerung des Avatars vertraut zu machen, bei der ein Hindernisparcours durchlaufen werden muss.

In der nächsten Übung, dem Treffsicherheitstraining, begrüßt mich ein „netter“ Drill-Sergeant und schickt mich gleich zu einer Hütte, wo die Waffe und scharfe Munition abgeholt werden sollen. Beim anschließenden Schießtraining müssen (für das ungeübte Auge) recht kleine Ziele getroffen werden, wobei per Leertaste die Luft zum Zielen angehalten werden kann.

Hat man genug trainiert, kann die Qualifikation beginnen: Es müssen mit 40 Schuss 23 von 40 Zielen getroffen werden. Glücklicherweise hatte ich bei dieser und den anschließenden Übungen tatkräftige Unterstützung durch unseren AA3-erfahrenen Azubi Benny ;-) Unten unsere Ergebnisse beim Handgranaten-Werfen im Vergleich.

Die weiteren Qualifikationen des Basistrainings laufen nach dem gleichen Muster ab: Begrüßung, mit dem Gerät vertraut machen und sobald man bereit ist, in die Qualifikation starten.

Interessant ist auch eine Trainingseinheit zur „Ersten Hilfe“. Im Gegensatz zu den anderen Schieß- und Laufeinheiten, bei denen man schon etwas Geschick im Umgang mit Tastatur und Maus mitbringen oder sich aneignen muss, reicht es den verletzten Kameraden anzusehen und die Leertaste gedrückt zu halten, um ihn erstzuversorgen. Weiterhin werden vier Symptome vorgestellt, zu denen es jeweils eine Behandlungsmöglichkeit gibt. Im späteren Einsatzszenario kann man so verletzte Kameraden selbst behandeln. Aus meiner Sicht alles doch recht stark vereinfacht, aber zugegeben, die Zielgruppe ist wahrscheinlich auch nicht in erster Linie an der Versorgung der Verletzten interessiert…

Am Ende des Basic Trainings müssen alle gelernten Kompetenzen vereint und ein gesamter Parcours durchlaufen werden (Papp-Feinde erschießen, Kameraden erkennen und nicht erschießen…, Rauchgranaten werfen, Gegenstände aufheben, einen Verletzten versorgen etc.).

Hat man die Grundausbildung absolviert, erhält man ein Zertifikat, in einem weiteren kleinen Film wird eine Ehrungszeremonie dargestellt und anschließend ist man bereit, sich in vier Bereichen zu spezialisieren, wodurch weitere Waffen für das eigentliche Spiel freigeschaltet werden können. A propos eigentliches Spiel: Die im Spiel zu absolvierenden Einsätze drehen sich alle um ein Kriegsszenario in der fiktiven Odporzhia Region, die aus mehreren kleinen Ländern besteht. Hierzu gehören das zu bekämpfende Land „Czervenia“ und die „Republik Demokratzny za ta Ostregals“ (RDO), die wiederum um militärische Hilfe bei den Vereinten Nationen gebeten hat.

Der Spieler kämpft natürlich für die USA. Insgesamt wirkt die konstruierte Geschichte auf mich etwas klischeehaft, nach dem Motto der gute Westen gegen den bösen Osten, da die fiktiven Orte und auch die optische Ausstattung des „Feindes“ auf mich doch sehr osteuropäisch wirken – vielleicht aber die richtige Aufmachung, vor dem Hintergrund, dass es darum geht junge Amerikaner für die Armee zu begeistern.

Insgesamt soll America’s Army 3 möglichst realitätsnah das echte Soldatenleben widerspiegeln. So wird immer wieder betont, dass die sogenannten „Rules of Engagement“ gültig sind und sich jeder Mitspieler danach zu richten hat.

Das wahllose Abschießen von Personen im Spiel wird auch dadurch verhindert, dass man – um Punkte zu erhalten und aufzusteigen – nicht nur Missionen erfüllen muss. Vielmehr kann man Punkte in sieben Bereichen sammeln, die den „Army Values“ entsprechen:

  • Loyalty (indem man Mitspielern hilft),
  • Duty (durch das Beenden von Missionen),
  • Respect (indem z.B. verwundete, feindliche Soldaten nicht hingerichtet, sondern gefangen genommen werden),
  • Selfless Service (Erstversorgung verletzter Kameraden),
  • Integrity (Wert sinkt, wenn andere wahllos verletzt werden),
  • Personal Courage (wenn Missionen trotz starken Verletzungen noch beendet werden) und
  • Honor (Durchschnitt der anderen Werte).

Sir, yes Sir!

Um interessierte Spieler gleich weitergehend zu informieren – was ja der weitergehende Zweck dieses Serious Games sein soll – ist weiterhin in der Spielübersicht ein kompletter Abschnitt mit Personalmarketing-Inhalten untergebracht. In den Kapiteln „About the Army“, „Careers“, „Benefits“, „Lifestyle“ und „Real Heroes“ werden in kurzen Texten mit ansprechender Bilduntermalung Informationen zur Army präsentiert und Geschichten von Soldaten und „echten Helden“ präsentiert. Die Bilder zeigen an dieser Stelle wie schon eingangs angekündigt auch recht prominent Frauen in Uniform. Die „Real Heros“ können darüber hinaus in kurzen Videosequenzen kennengelernt werden.

Insgesamt wirkt das Spiel auf mich recht gut gemacht, wenngleich ich zugeben muss, dass ich die Spielqualität im Vergleich zu anderen (käuflich zu erwerbenden) Ego-Shootern aufgrund mangelnder Erfahrungen nicht wirklich vergleichen kann. Vielmehr möchte ich aber auf die Funktion des Spiels als Serious Game im Recruiting Kontext eingehen:

Es wurde viel Wert darauf gelegt, realitätsnah ein Einsatzszenario zu simulieren, in dem der Einzelne nur weiterkommen und auch aufsteigen kann, wenn er oder sie das eigene Verhalten an den tatsächlich in dieser Form existierenden Army Values ausrichtet. Weiterhin wird sehr realistisch aufgezeigt, was einen Rekruten erwartet, wenn er oder sie die Grundausbildung bei der amerikanischen Armee beginnt. Das Leben in der Army besteht aber ja nicht grundsätzlich daraus, ununterbrochen im Einsatz in fremden Ländern die Interessen der USA mit Waffengewalt zu vertreten und vorher den Waffeneinsatz zu trainieren, sondern ist sicherlich noch deutlich vielfältiger, schließlich existieren in der amerikanischen Armee auch Berufsbilder wie im zivilen Leben. Dieser Aspekt wird m.E. ein wenig zu stark ausgeklammert, wodurch wahrscheinlich schlussendlich in erster Linie junge Menschen angesprochen werden, die Spaß daran haben, mit Waffen verschiedenster Art umzugehen.

Würde man in diesem Spiel jedoch den „Serious“-Anteil noch weiter erhöhen, wäre es mit Sicherheit auch nicht mehr so erfolgreich und könnte nicht mit Ego-Shootern konkurrieren, die komplett aufs Spielerlebnis ausgerichtet sind. So steht man auch bei der Gestaltung eines Serious Games wieder vor dem Dilemma, dass es die „eierlegende Wollmilchsau“ einfach nicht erreichbar ist.

America’s Army 3 soll in jedem Fall ein Spiel mit Unterhaltungswert sein (ein dementsprechendes Budget war nebenbei bemerkt für die Entwicklung nötig) und dieses Ziel erfüllt es m.E. definitiv. Wenn es um die umfassende Darstellung des Arbeitsgebers in seiner Vielfalt geht, stößt das Spiel aber wiederum an seine Grenzen.

Es ist insg. durchaus erstaunlich, was insb. das Militär im Bereich Recrutainment so auf die Beine stellt. Wen es interessiert, der kann sich hier z.B. hier über eine Plattform der US Marines, hier über eine Applikationen der RAF (Royal Air Force) oder hier über ein Tool der Swedish Armed Forces informieren. „War for Talent“ bekommt hier immer eine ganz eigene Bedeutung… Im Laufe dieses Jahres wird die Bundeswehr ihrerseits ein Serious Game vorstellen, dass jedoch stärker dem SelfAssessment-Gedanken folgen wird und Interessenten eine Hilfestellung bei der Orientierung geben soll, welche Karrierewege bei der Bundeswehr existieren.

In jüngster Zeit wurde die Selbstdarstellung der Bundeswehr auf ihrer Jugendseite verstärkt kritisiert nachdem in einer Pilotstudie die „Selbstinszenierung der Bundeswehr gegenüber Jugendlichen“ untersucht worden war, mit dem Ergebnis, dass in der Selbstdarstellung der Bundeswehr auf der Jugendseite treff.bundeswehr.de die potenziell negativen Aspekte (Kriegsszenarien) fast nicht thematisiert werden.

Bei der Erstellung des SelfAssessment für die Bundeswehr arbeiten wir intensiv mit, wobei  America’s Army 3 eine spannende Inspiration darstellt. Zwar soll das SelfAssessment der Bundeswehr schlussendlich keine Ego-Shooter-Elemente aufgreifen, jedoch ebenso wie bei AA3 den Blick auf mögliche Einsatzszenarien lenken und aufzeigen, wie die verschiedenen Organisationsbereiche zusammenwirken. Sobald das Tool fertig ist, werden wir natürlich wieder darüber berichten.

Autorin: Lisa Adler.

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