Absagen als Employer-Branding-Booster? Interview mit Buchautorin Andrea Kern über die Kunst des „Nein“…

Dass ein Unternehmen nicht jeden Bewerber oder jede Bewerberin einstellen kann, liegt selbst in Zeiten zunehmendem Arbeitskräftemangels in der Natur der Sache.

Aber wie sagt man KandidatInnen, die den Job nicht bekommen, am besten ab?

Erstmal gebietet es ja schon der Anstand und eine gute Kinderstube, an dieser Stelle „gut“ zu kommunizieren. Aber auch unter dem Gesichtspunkt einer guten Candidate Experience sollte man diesem Thema durchaus ein wenig Augenmerk widmen, man weiß ja nicht, ob diese Person nicht zukünftig durchaus nochmal interessant für das Unternehmen wird. Zudem sprechen abgelehnte BewerberInnen natürlich auch mit anderen potenziellen KandidatInnen über die gemachten Erfahrungen. Und schließlich gilt für viele Unternehmen, z.B. solche, die sich als Marke auch an Endverbraucher richten, dass man eine Person ja nicht als Kunden vergraulen will, nur weil man diese nicht einstellen kann oder möchte.

Also: Absagen und wie man diese gestaltet, sind nicht unwichtig. Anfang des Jahrtausends wurde diese „Disziplin“ übrigens unter dem Begriff Eis-Schreiben durchaus prominent in der Szene diskutiert. Es gab hierfür sogar einen eigenen Award

Ich finde das Thema muss wieder weiter oben auf die Agenda!

Darum freue ich mich sehr, dass ich mit Andrea Kern eine Gesprächspartnerin für ein Interview gewinnen konnte, die hierzu wirklich was sagen kann. Andrea ist Korrespondenz-Expertin, ehemalige HR-Leiterin und Autorin des Buchs „Frischer Wind für E-Mails und Briefe“, das morgen erscheinen wird.

Können negative Nachrichten wie Absagen tatsächlich Employer-Branding betreiben? Andrea Kern sagt «Ja». Im Interview teilt sie außerdem konkrete Tipps, wie Absagen das Arbeitgeberimage aufwerten können. Inklusive einiger Textideen.

Andrea, wollen wir?

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Andrea, manche würden sagen: „Absagen als Employer-Branding-Booster klingt doch paradox“. Wie kommst du auf diese Aussage?

Es stimmt schon, dass es sehr ungewöhnlich klingt, mit Absagen das Arbeitgeberimage aufzuwerten. Aber es widerspiegelt genau meine Erfahrungen. So waren mir in meiner Zeit als HR-Leiterin die 08/15-Absagen stets ein Dorn im Auge. Deshalb schrieb ich eines Tages alle Absagen neu.

Die Reaktionen darauf waren sehr eindrücklich: Die Bewerbenden freuten sich derart über die modernen und wertschätzenden Worte, dass sie mir Dankeskarten und Dankes-E-Mails zuschickten. Zudem sprach sich unsere HR-Kommunikation herum und wir erhielten trotz Fachkräftemangel wieder mehr Bewerbungen. Dieselben Rückmeldungen höre ich heute auch von den HR-Personen, die das Gelernte aus meinen Korrespondenz-Seminaren umsetzen.

Warum glaubst du, reagieren die Bewerbenden so stark auf diese Absagen?

In der Korrespondenz zählt nicht nur die Botschaft, sondern auch die Art und Weise, wie wir diese vermitteln. Bei einer Absage ist die Nachricht in jedem Fall negativ. Allerdings macht es einen großen Unterschied, ob wir einen Standardsatz schreiben wie «Wir bedauern, Ihnen hiermit mitzuteilen, dass wir uns für eine andere Person entschieden haben.» Oder ob wir dieselbe Botschaft frischer formulieren:

  • Bei so vielen talentierten Bewerbenden waren es letztlich Kleinigkeiten, die den Unterschied gemacht haben. Dieses Mal hat eine andere Person ein bisschen besser ins Bild gepasst.
  • Die Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen. Nichtsdestotrotz haben wir uns für eine andere Person entschieden, deren Profil uns einen Tick besser entspricht.
  • Deine Bewerbung hat uns sehr angesprochen. Umso mehr tut es uns leid, dich heute zu enttäuschen – unsere Wahl ist diesmal auf eine andere Person gefallen.
  • Obwohl du prima qualifiziert bist, hat es diesmal nicht geklappt. Eine andere Person hatte knapp die Nase vorn – und wir haben uns für sie entschieden.

Wichtig: Ausdrücke wie «Tick» oder «die Nase vorn» passen nicht zu jedem Unternehmen. Sie sind vielleicht für ein Startup mit Du-Kultur stimmig. Für eine klassische Anwaltskanzlei würde ich hingegen andere Ausdrücke wählen. Schreibstil und Wortwahl sollten daher auch immer zur Unternehmenskultur passen.

Wenn ich dich richtig verstehe, sollten Absagen individuell formuliert werden. Gilt das auch für den Absagegrund?

Nein, denn dazu fehlt in den HR-Abteilungen schlicht die Zeit. Zudem ist es oftmals schwierig und auch rechtlich heikel, den genauen Absagegrund auszuformulieren. Ich empfehle vielmehr, mit unterschiedlichen Vorlagen zu arbeiten. Dabei unterscheide ich beispielsweise auch zwischen Absagen für grundsätzlich passende Personen und solchen, die gar nicht in Frage kommen.

Du hast zu Beginn immer wieder das Wort «Wertschätzung» verwendet. Was meinst du genau mit einer wertschätzenden Absage?

Die Bewerbenden haben Zeit und Mühe in ihre Unterlagen investiert, was meiner Meinung nach wertgeschätzt werden sollte. Dies kann einerseits durch einen wohlwollenden Schreibstil erfolgen. Andererseits können wir beim Einstieg die Floskel «Wir danken Ihnen nochmals für Ihr Interesse an unserem Unternehmen» durch ein paar nette Worte ersetzen:

  • Hinter jeder Bewerbung steht viel persönlicher Einsatz. Wir haben es sehr geschätzt, dass Sie die Zeit investiert und sich bei uns gemeldet haben. Vielen Dank.
  • Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, dich bei uns zu bewerben. Wir wissen das zu schätzen und es war schön, mehr über dich zu erfahren.
  • Ihre Bewerbung hat uns gezeigt, wie engagiert und motiviert Sie sind. Herzlichen Dank dafür.
  • Danke, dass du den Schritt gemacht hast, dich bei uns zu bewerben. Du hast bestimmt viel Zeit und Mühe in deine Unterlagen investiert – das wissen wir zu schätzen.

Bei grundsätzlich passenden Bewerbenden würde ich zudem die zukünftigen Möglichkeiten aufzeigen.

Welche zukünftigen Möglichkeiten? Es handelt sich ja um eine Absage, welche die bewerbende Person erhält.

Das stimmt schon. Allerdings: Nur weil diesmal kein Miteinander zustande gekommen ist, heißt das nicht, dass sich nicht zukünftig eine Möglichkeit ergeben könnte. Es kann sich daher lohnen, grundsätzlich in Frage kommende Bewerbende zu ermutigen, sich für andere Stellen oder zu einem späteren Zeitpunkt erneut zu bewerben. Zum Beispiel mit Worten wie diesen:

  • Übrigens: Das heutigen «Nein» muss nicht für die Zukunft gelten. Bewirb dich daher gerne wieder, wenn du eine passende Stelle bei uns siehst – vielen Dank.

  • Auch wenn es heute nicht geklappt hat, behalten Sie uns gerne im Hinterkopf. Ihre Bewerbung ist auch in Zukunft herzlich willkommen.

  • In unserem Bereich tut sich viel. Vielleicht ergibt sich schon bald eine neue Chance, die zu Ihnen passt. Melden Sie sich daher gerne bei einer nächsten Vakanz wieder bei uns.

  • Unser Team wächst und verändert sich ständig. Daher freuen wir uns, wenn du uns weiter im Blick behältst – und bei passender Gelegenheit wieder an uns denkst.

Und wie endest du eine Absage, wenn die Bewerbung nicht ganz so passend ist?

Auf keinen Fall schreibe ich den 08/15-Schlusssatz «Wir wünschen Ihnen auf Ihrer weiteren Stellensuche alles Gute.» Auch hier verpacke ich dieselbe Botschaft etwas anders. Zum Beispiel so:

  • Wir wünschen dir, dass du genau die Stelle findest, die für dich stimmt.

  • Wir wünschen Ihnen, dass Sie eine Position finden, die Ihrem Profil ideal entspricht. Gutes Gelingen!

  • Wir wünschen Ihnen, dass Sie bald eine Stelle finden, bei der Sie Ihre Talente voll entfalten können.

Du veröffentlichst am 10. April 2024 das Buch «Frischer Wind für E-Mails und Briefe». Können HR-Leute davon ebenfalls profitieren?

Ja, auf jeden Fall. Denn es zeigt, was 2024 in der Korrespondenz gilt und wie wir mit unseren E-Mails und Briefen positiv auffallen können. Zudem enthält das Buch viele Tipps zum Schreibstil und eine Fülle an Vorher-Nachher-Beispielen und Mustertexten. Nicht zuletzt zeigt es, wie wir E-Mails und Briefe auch visuell attraktiv gestalten können. Gerade von diesen Tipps können HR-Leute sicher sehr profitieren. Es ist übrigens bestellbar unter www.textbox.ch.

Andrea, herzlichen Dank für das Interview und auf viel frischen Wind in Absagen!

3 Gedanken zu „Absagen als Employer-Branding-Booster? Interview mit Buchautorin Andrea Kern über die Kunst des „Nein“…

  1. Top. Wir haben bereits seit 15 Jahren unterschiedliche Absagen.

    -Bewerber, die sich auf jeden Fall wieder bewerben sollen.
    -Bewerber, die sich gerne wieder bewerben können.
    -Bewerber, die überhaupt nicht passen.

    Und an die HRler, die jetzt sagen, es gibt keine Bewerber, die nicht passen: doch, die gibt es. Es gibt auch welche, die keinen Respekt haben. Ist keine Einbahnstraße :-)

  2. Den o.g. Award für schlechte Absagen finde ich Interessant. Leider ist der Link falsch verknüpft. Können Sie dies bitte korrigieren? Herzlichen Dank!

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