Ausbildungsmarketing: Funken Unternehmen und Schüler aneinander vorbei? Interview mit Prof. Daniela Eisele

Wie ich vor kurzem in einem Interview mit dem Magazin Human Resources Manager behauptet habe, ist das Thema Ausbildungsmarketing innerhalb der Arbeitgeberkommunikation der Bereich mit der größten Dynamik.

Ich bin aber auch immer ein großer Freund davon, Meinung nicht nur auf Meinung aufzubauen, sondern diese regelmäßig empirisch abzusichern.

Ich habe mir daher Daniela Eisele, Professorin für Personalmanagement an der HSBA (Hamburg School of Business Administration), der Hochschule der Handelskammer Hamburg, über die zahlreiche Unternehmen den akademischen Teil sog. dualer und berufsbegleitender Studiengänge abwickeln, geschnappt und ihr zum Thema Ausbildung und Ausbildungsmarketing ein paar Fragen gestellt.

Daniela ist in der Szene natürlich keine Unbekannte – Ende letzten Jahres habe ich hier im Blog ein Interview mit ihr zu der “Online-Bewerbungsstudie 2013” geführt, die sie gemeinsam mit Softgarden durchgeführt und die einige spannende empirische Befunde zum aktuellen Stand des Mobile Recruitings – vor allem der bewerberseitigen Sicht auf dieses Thema – geliefert hat.

Seit einigen Jahren befragt sie gemeinsam mit U-Form und Yousty sowohl junge Menschen als auch Ausbildungsverantwortliche im Rahmen der Studie Azubi-Recruitingtrends und liefert so eine hervorragende Basis zum Thema Azubimarketing, auf der sich dann Meinung aufbauen lässt…

Daniela, wollen wir starten?

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Hallo Daniela,

du befasst dich sehr intensiv mit der Frage der Nachwuchsgewinnung, speziell dem Thema Azubimarketing. Haben wir hier einen – sagen wir mal – “Kräftemangel”, gibt es War for Talent, Kampf um gute Azubis?

Daniela-Eisele_Portrait_2012Guten Nachwuchs zu finden, ist immer eine anspruchsvolle Angelegenheit. Wie schwierig es ist, hängt von vielen Faktoren ab:

  • Zu allererst spielen Größe, Branche und Geschäftsmodell eine Rolle. Bei jungen Leuten haben Unternehmen im B2B Markt eine geringe Bekanntheit und damit auch weniger Vertrauensvorschuss. Während die Automobil- aber auch Konsumgüterindustrie daher gute Karten haben, haben es der Einzelhandel oder Versicherer schwerer. Während im ersten Fall die Arbeitsbedingungen als weniger attraktiv empfunden werden, ist im zweiten Fall die Dienstleistung selbst eher abstrakt, eine unmittelbare Identifikation ist daher für Berufseinsteiger nicht so leicht.

  • Wichtig sind natürlich auch die Berufsbilder in denen ausgebildet wird. Im kfm. Bereich gibt es meist genügend Interessenten. Schwieriger ist es da schon in der (Informations-)Technik. Ähnlich ist dies in ganz anderen Bereichen: Während nach wie vor viele (insbesondere jungen Frauen) Friseur werden wollen, ist die Gewinnung von Lastkraftwagenfahrern eine große Herausforderung.

  • Ebenfalls eine bedeutende Rolle spielt der Standort. So sind zwar durchaus einige Azubis bereit für den Job zu pendeln oder sogar den Wohnort zu wechseln.

Mobilität_Schüler

Allerdings gilt dies wohl eher für die Bewerber, die aus strukturschwachen Regionen in die Ballungsräume ziehen. D.h. eine Großbäckerei in einer – für junge Leute – wenig attraktiven Region muss tatsächlich kämpfen, während der Markenartikler in der FMCG Industrie mit Hauptsitz in einer Metropole nach wie vor wenig Probleme hat, seine Lehrstellen nach Wunsch zu besetzen – wenn letztgenannter Probleme hat, dann sind diese wohl eher hausgemacht. Denn natürlich haben auch (Top) Management, Kultur und Personalpolitik einen Einfluss auf die Attraktivität eines Unternehmens als Arbeitgeber.

Wichtigkeit_Faktoren_Ausbildung

Generell wird der Markt allerdings enger. Das liegt an der demografischen Entwicklung und damit dünner besetzten Jahrgängen. Das liegt aber aber auch an einigen politische und gesellschaftlichen Weichenstellungen, die unserem dualen System keinen Vorschub gebracht haben. Die Studierneigung ist gestiegen, diese Personen fehlen in der Ausbildung. Allerdings bewährt sich hoffentlich auch hier Qualität, was man zunehmend auch international sehen kann. Vermehrt wird das duale System auch von anderen Ländern, z.B. Chile oder China, interessiert betrachtet und stellenweise sogar adaptiert.

Besetzen denn die rekrutierenden Unternehmen ihre verfügbaren Ausbildungsplätze hinreichend? Und wie hat sich etwa die Zahl angebotener Verträge pro Azubi entwickelt? Das könnte ja ein Indiz für zunehmenden Wettbewerb sein…

Die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze steigt seit Jahren nach Zahlen des BIBB (Bundesinsititut beruflicher Bildung) kontinuierlich an – auf der anderen Seite gibt es nach wie vor nicht wenige Bewerber, die am Ende ohne einen Ausbildungsplatz dastehen. Ich mache die Studie mit dem U-Form Verlag nun auch schon seit fünf Jahren: Die Zahlen von diesem Jahr sind, was die Bewerbungszahlen, wie auch die Besetzungsquoten angeht, aus Sicht der Unternehmen eher etwas höher als die letzten Jahre. So konnten die über 500 Unternehmen, die wir befragt haben, 2013 im Schnitt über 90% ihrer Ausbildungsplätze besetzen. Dies gilt auch für den technisch-handwerklichen Bereich, für den die Bewerbungszahlen nach wie vor mit Abstand am geringsten sind. Für den kaufmännischen Bereich und insbesondere für (die meisten) dualen Ausbildungsstudiengänge dagegen gibt es – den Bewerberzahlen nach – genügend Interessenten.

Dabei variieren die Zahlen natürlich stark von Betrieb zu Betrieb. Während mit Blick auf die Bewerberzahlen die Branche rein statistich betrachtet keinen ausschlaggebenden Aspekt darstellt, ist hier ein deutlicher Größeneffekt zu verzeichnen. Die größeren Unternehmen bekommen dabei nicht nur absolut, sondern auch relativ wesentlich mehr Bewerbungen pro Ausbildungsplatz. In der Spitze sogar über 500 Bewerbungen pro Platz. Auf der Azubiseite haben wir in diesem Jahr zum ersten Mal nach der Anzahl der angebotenen Verträge gefragt, d.h. hier kann ich leider (noch) keinen Zeitvergleich ziehen. Über 40% der Befragten haben dabei gesagt, dass ihnen mehrere Verträge vorliegen bzw. vorlagen, im Schnitt sogar etwas über drei.

Stichwort “Berufsorientierung“: Finden die jungen Menschen sich in dem Dickicht an Informationen überhaupt zurecht? Wie finden sie den richtigen Beruf? Und vor allem, wie das dazu passende Unternehmen?

Zum Ausbildungsberuf scheint nach wie vor die Agentur für Arbeit eine wichtige Anlaufstelle zu sein. Außerdem sind Meinung und Rat von Eltern, Lehrer und Bekannten gefragt. Konkrete Ausbildungsplätze suchen die Befragten einmal übers Internet, hier sind – neben den Jobbörsen – die Homepages der Unternehmen eine zentrale Anlaufstelle. Anders als bei Studierenden geben die Schüler / Auszubildenden zudem an, nach wie vor auf Printmedien zurückzugreifen. Auch Schülerpraktika und Ausbildungsmessen haben sich als gern genutze Kanäle etabliert.

Aus meiner Sicht wird es zukünftig immer wichtiger von der sehr ZeitPUNKT-bezogenen Betrachtung (Schule ist zu Ende – jetzt muss man sich entscheiden) wegzukommen und viel stärker ZeitRAUM-bezogen zu agieren, also die jungen Menschen idealerweise über einen längeren Zeitraum, dafür in kleineren Portionen an die Arbeitswelt heranzuführen. Siehst du das auch so? Und siehst du Entwicklungen in diese Richtung?

Da kann ich mich Dir nur anschließen.

In Baden-Württemberg soll 2016/2017 ein Schulfach zur “Wirtschafts, Berufs- und Studienorientiertung” eingeführt werden. Wie das genauer aussehen soll, weiß ich leider auch noch nicht – aber das klingt auf jeden Fall gut. Ich hoffe, das sich das – auch in anderen Bundesländern – etablieren kann. Außerdem sind einige Firmen und Arbeitgeberverbände hier auch durchaus aktiv und engagieren sich – bspw. mit technischen Projekten wie bei technolino – bereits in Kindergärten, Grundschulen und Schulen.

Funken die Azubis-suchenden Unternehmen und die jungen Menschen – die vielzitierte GenZ – denn überhaupt auf der gleichen Wellenlänge? Das heißt sowohl bzgl. der Kanäle, über die die Kommunikation läuft als auch natürlich bzgl. der kommunizierten Inhalte… Ich sag mal ein bisschen flapsig: Die Unternehmen kommunizieren über Facebook, dass sie Weltmarktführer für XY sind, während die potentiellen Auszubildenden lieber über Übernahmechancen oder Jobsicherheit mit ihren Eltern diskutieren wollen… Wie steht es mit der vielzitierten Augenhöhe?

Mit den zwei von Dir genannten Beispielen triffst Du sehr gut ins Schwarze:

  • Eltern und auch Printmedien wurden von den (angehenden) Auszubildenden ggn. den Ausbildern mehr Gewicht zugesprochen. Facebook & Co. stehen dagegen für beide Gruppen nicht im Mittelpunkt.

  • Übernahmechancen, Jobsicherheit sowie Vergütungs- und Entwicklungsmöglichkeiten nach der Ausbildung, das sind für die (angehenden) Azubis wichtige Themen, während die Unternehmensvertreter alle genannten Punkte als weniger wichtig einschätzen.

Ansonsten passen allerdings laut den Antworten, die wir erhalten haben, sowohl gewählte Kanäle, wie auch Inhalte ganz gut zusammen.

Kanäle

Letztes Thema: Relationship-Management… Wie lange ist eigentlich so der Zeitraum typischerweise zwischen der Zusage für einen Ausbildungsplatz und dem Antritt des Ausbildungsverhältnisses?

Die Unternehmen geben im Schnitt eine Dauer von über sechs Monaten an. Dabei muss man bedenken, dass das bei einzelnen Unternehmen/einzelnen Berufsbildern und Auszubildenden noch einmal deutlich länger ist. Für einen jungen Menschen also eine recht lange Zeit.

Und was unternehmen die Firmen in dieser Zeit, damit ihnen der frisch gewonnene Azubi nicht doch vorher noch wieder abspringt?

Da können die meisten Firmen noch erheblich mehr tun. Eine E-Mail zum Geburtstag und die Mitarbeiterzeitschrift nach Hause sind sicherlich nette Gesten, aber nicht der Grund, weswegen sich ein junger Mensch auch schon vorher an eine Organisation gebunden fühlt. Auch hier haben persönliche Kontakte (z.B. der Azubis untereinander) die höchste Wirksamkeit. D.h. ein Kennenlerntreffen schon vor der Ausbildung, einen Paten aus den Reihen der Auszubildenden im Unternehmen, einen Mentor aus dem Führungskräftekreis, sind Aktionen, die ein Unternehmen angehen sollte. Eigentlich verwunderlich, dass sich das noch nicht etabliert hat.

Und wie sieht es mit dem Fairplay aus? Ich höre oft, dass Auszubildende trotz Ausbildungsvertrag ihre Ausbildung dann doch nicht antreten und dabei häufig genug noch nicht einmal absagen. Ist das so eine Geschichte von wegen “die Jugend von heute…” oder hat das tatsächlich zugenommen, vielleicht auch weil sich die GenZ das (vermeintlich) eher leisten kann, weil sie Alternativen hat…?

Ich höre das durchaus auch des Öfteren. Die jungen Leute sind heute auch selbstbewusster und haben – wenn sie aktiv und gut sind – meist mehrere Alternativen. Den Zahlen nach ist das aber kein Massenphänomen. Nur 6% der (angehenden) Azubis berichten, dass Sie einen bereits unterschriebenen Vertrag dann doch nicht angetreten haben. Dieser Prozentsatz erscheint mir keinesfalls zu hoch, sondern mit Blick auf das Alter und Lebensphase der meisten (angehenden) Auszubildenden sogar eher niedrig. Auch dieser Frage haben wir zum ersten Mal dabei. Ich berichte dann gerne in den nächsten Jahren, wie sich das entwickelt :-)

Daniela, ich danke dir vielmals für das spannende Interview! Vielleicht sehen wir uns ja am 24. September bei der Recruiting2015? Da wird es unter anderem ja auch intensiv um diese Themen gehen…

5 Gedanken zu „Ausbildungsmarketing: Funken Unternehmen und Schüler aneinander vorbei? Interview mit Prof. Daniela Eisele

  1. Sehr interessant! Auf welcher Studie genau basieren die Statistiken, die sich auf die Aussagen der potenziellen Azubis zum Bewerbungsverfahren beziehen? Ich habe die Quelle im Text nicht gefunden … ?

  2. Danke für das interessante Interview.Es ist immer wieder gut, wenn der persönliche Eindruck mit Zahlen belegt werden kann…

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