´Altruistischer Content´ – die magische Kugel im Personalmarketing?

„Geben ist seliger denn Nehmen“ heißt es in der Apostelgeschichte des Lukas… Huch, was ist denn mit ihm los? Auf die alten Tage unter die bibelfesten Verkünder des Evangeliums gegangen? Nein, dafür habe ich mich in der letzten Zeit viel zu sehr darüber gewundert und um ehrlich zu sein auch geärgert, dass die Kirche sich bspw. als Betreiber von Kitas – wohlgemerkt kommunal finanzierten Kitas – herausnehmen darf, Kirchenrecht über deutsche Grund- und Arbeitsrechte zu stellen und so z.B. Erziehern kündigt, deren familiäre Situation („geschieden, das geht gar nicht…“) oder sexuelle Neigung („homosexuell…?“) ihr nicht passen…

Nein, um einen Bibelkurs soll es hier nicht gehen, wir bleiben beim Personalmarketing. Also, was soll das mit dem Geben und dem Nehmen?

Altruistischer Personalmarketing-Content

Ich möchte auf etwas hinaus, was ich in Ermangelung eines anderen bereits etablierten Begriffs „Altruistischen Content“ genannt habe. Was meine ich damit? Ich meine damit „Inhalte – z.B. einer Karriere-Website oder eines anderen Karriereauftritts (z.B. in sozialen Netzwerken) -, die vor allem dem Nutzer einen informatorischen und praktischen Mehrwert bieten und nicht (oder nur sehr nachrangig) etwas mit der eigenen Arbeitgebermarke und deren Kommunikation zu tun haben“. Inhalte also, die zuallererst einmal „Geben“.

Gut, im Prinzip sind alle Informationen, die auf einer Karriere-Website vermittelt werden zunächst einmal etwas „Gegebenes“, also auch Informationen über das eigene Unternehmen, die eigenen Standorte, Sozialleistungen, Verdienstmöglichkeiten, Bewerbungsprozesse, Mitarbeiter, Werte, Unternehmensbereiche etc. Was ich aber meine sind keine Informationen über das eigene Unternehmen, sondern Informationen, die für einen Nutzer hilfreich sein können und dabei erst einmal nichts mit dem eigenen Unternehmen zu tun haben – insofern „altruistisch“.

Beispiel: Die RWE Bewerberakademie

Ein aus meiner Sicht gelungenes Beispiel hierfür stellt die „Bewerberakademie“ der RWE Karriere-Website dar. Als zentraler Baustein der Website bietet die Bewerberakademie nützliche Hilfestellungen rund um die Themen “Bewerbung” und “Berufseinstieg nach dem Studium”. Hier finden sich z.B.

  • Bewerbungstipps (z.B. zu der Frage “Was ist ein Online-Assessment-Center?“),
  • Veranstaltungen (z.B. Jobmessen, nicht nur von RWE),
  • Checklisten (z.B. „Was sollte ich alles zur Vorbereitung auf ein Assessment-Center machen?“)
  • Karriere-Wissen (z.B. Management-Hörbücher oder Videos zu Präsentationstechniken) und nicht zuletzt
  • verschiedene Selbsttests zur Überprüfung des eigenen Kompetenz-Profils.

So bietet die Bewerberakademie bspw. auch die Möglichkeit, sich interaktiv zeigen zu lassen, wie man einen Lebenslauf aufbaut. Dies kann man auf zwei Arten tun: In einer schrittweise erklärenden „Step by Step“-Version oder in einer selbstgesteuerten Explore-Version.

Bewerberakademie_Lebenslauf_StepbyStep_1Bewerberakademie_Lebenslauf_StepbyStep_2Bewerberakademie_Lebenslauf_StepbyStep_3 Bewerberakademie_Lebenslauf_Explore_1

Bewerberakademie_Lebenslauf_Explore_2

Ein anderes Beispiel: Die interaktive Anleitung zur Erstellung eines Bewerbungsanschreibens. Auch hier wieder entweder schrittweise erklärt oder zum Selbsterkunden.

Bewerberakademie_Anchreiben_StepbyStep_1Bewerberakademie_Anchreiben_StepbyStep_2Bewerberakademie_Anchreiben_Explore_1Bewerberakademie_Anchreiben_Explore_2

Magische Kugel?

All diese Inhalte sind zunächst einmal generisch und haben keinen direkten Bezug zu RWE als Arbeitgeber. Die Zielsetzung dieses Contents ist zunächst einmal, dem User (der, sonst wäre er ja nicht da, sich offensichtlich gerade für Bewerbungsthematiken interessiert, also evtl. in einer Bewerbungssituation ist) zu helfen. Es geht ja bspw. beim Muster-Bewerbungsanschreiben nicht um ein Anschreiben, wie es sich RWE selber wünscht, sondern es geht darum, worauf man allgemein bei der Erstellung von Anschreiben achten sollte.

Vergleichbare Informationen findet man typischerweise nicht auf Unternehmens-Karriere-Websites, sondern auf Angeboten, deren primärer Zweck es ist, redaktionell zu informieren. Seiten also, die entweder aufgrund eines „Auftrags“ zur Berufsorientierung da sind (z.B. abi.de von der Bundesagentur für Arbeit) oder die im Sinne eines Presseangebots ihre Inhalte zu Markte tragen (z.B. Squeaker.net o.ä.).

Warum macht es dennoch Sinn, derartigen Content auf die eigene Karriere-Website zu nehmen und – das ist ja nun mal auch so – dafür im Zweifel auch noch Geld zu investieren? Nun, erstens schafft Content Traffic. Die „altruistischen“ Inhalte werden natürlich suchmaschinensichtbar und infolgedessen kommen möglicherweise User auf die Website, die ansonsten keine Veranlassung gehabt hätten vorbeizuschauen. Dass darunter unter Umständen auch für das Unternehmen interessante Kandidaten sind, ist nicht unwahrscheinlich. Zweitens: Content is King. Das Unternehmen tritt mit diesem Content nicht vordergründig als Absender der Botschaft auf, sondern fungiert eher als „Gastgeber“, als „Host“. Im Sinne von „das Unternehmen verschenkt wertvolle Tipps, dann finde ich das Unternehmen auch nett“ fungiert der Inhalt als positiver Image-Transmissionsriemen und zahlt insofern auch auf die Arbeitgebermarke ein.

Beide Effekte sind indirekt und ein wenig „durch die Brust ins Auge“, aber wie ich an anderer Stelle bereits einmal ausgeführt habe, ist das genau das Prinzip, nach dem erfolgreiche Online-PR heute abläuft. Diese Kugel kann um Ecken fliegen, sie ist magisch…

4 Gedanken zu „´Altruistischer Content´ – die magische Kugel im Personalmarketing?

  1. Prinzipiell eine gute Idee für Berufseinsteiger und Großunternehmen die sich den „Aufwand“ leisten können. Allerdings existieren solche Angebote bereits wie Sand am Meer (1.7 Mio. Treffer bei Google „Bewerbungstipps“). Kann man sich damit als Unternehmen als Content-King positionieren oder ist das nicht schon commodity?

  2. Im Prinzip ein absolut berechtigter Einwand. Hier hilft es – auch unter SEO-Gesichtspunkten – glaube ich nicht allzu generisch vorzugehen bzw. mit der Gieskanne zu kommunizieren. Im Detail wird dann nämlich mE durchaus ein Schuh daraus. Ich glaube nämlich nicht, dass User wirklich etwa nach „Bewerbungstipps“ suchen (außer sie stehen ganz am Anfang des Informationsprozesses), sondern schon sehr viel gezielter nach Detailaspekten aus diesem Themenbereich.

    Zwei Beispiele: User suchen z.B. nach dem Begriff „Einstellungstest“ oder nach dem Begriff „Online-Assessment-Center“, wenn sie zu einem eingeladen wurden, um sich zu informieren, was sie da erwartet. Gibt man diese beiden Begriffe mal exemplarisch bei Google ein, dann erhält man in einem Fall 1,2 Mio., im anderen Fall mehr als 125 Mio. Treffer. Beim Begriff „Einstellungstest“ ist der entsprechende Link aus der RWE Bewerberakademie dabei Treffer Nr. 12, im Fall „Online-Assessment-Center“ sogar Treffer Nr. 3 im generischen Suchindex! D.h. der Content geht absolut nicht unter, sondern steht sogar recht prominent neben den „klassischen Ratgeber-Seiten“.

  3. Hallo,

    toller Artikel – auch wir versuchen mit unserem Onlineangebot einen Mehrwert für Studenten und Absolventen zu liefern und behandeln deswegen auch die Themen rund um Karriere und Berufseinstieg – und eben so spezifisch wie von Hr. Diercks im Kommentar beschrieben.

    Liebe Grüße

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