Auch am vergangenen Freitag auf der Quadriga Tagung „Personalmanagement Online“ war er wieder allgegenwärtig:
Der Ruf nach Authentizität. Authentische Arbeitgeber-Kommunikation, authentisches Employer-Branding, authentisches Recruiting usw. Und das unabhängig davon, ob wir über Online- oder Offline, ob wir über die Karriere-Website oder Social Media Aktivitäten sprechen.
In meinem Workshop fragte einer der Teilnehmer sinngemäß folgendes:
Muss ich dem potentiellen Bewerber denn gleich von unseren häßlichen, seit 20 Jahren nicht mehr renovierten Großraumbüros erzählen? Dann ist der doch gleich weg. Wie weit soll das mit der Authentizität denn gehen? Muss man nicht doch eher werben?
Nun, ich habe da meine Meinung zu: Die Metapher der Beziehung und der Beziehungsanbahnung lässt sich m.E. gut übertragen. Wer am Samstagabend auf Partnersuche ausgeht, der wird sich sicherlich auch nicht in die Sonntagsmorgen-Schlumpfklamotten werfen – auch wenn das vielleicht durchaus „authentisch“ wäre… Also, sich ein wenig herauszuputzen, speziell beim „anbahnen“ der Beziehung, gehört sicherlich dazu. Das gilt im Übrigen natürlich wie immer für beide Seiten… Doch wenn aus der „Bekanntschaft“ irgendwann eine – möglichst lange haltende und „gute“ – Beziehung werden soll, dann wird man um diese schonungslosen Einblicke nicht herumkommen. Das eingehen eines Arbeitsverhältnisses ist auch eine Beziehung und je langfristiger und besser diese werden soll, desto mehr Offenheit gehört eben auch dazu. In diesem Zusammenhang ganz empfehlenswert ist ein Blick in den Beitrag „Anständigkeit und Authentizität werden erwartet – mehr denn je.“ von achtung! Geschäftsführer Mirko Kaminski.
Aber diese Sicht der Dinge nimmt natürlich nicht für sich Anspruch „wahr“ und letztgültig zu sein. Das Wort „Authentizität“ ist nicht nur schwer auszusprechen, sondern auch irgendwie schwierig zu greifen. Jeder hat so seine eigene Interpretation und seine eigene Meinung dazu.
Diese Ansichten würden mich interessieren. Was ist Ihrer Meinung nach „authentisch“? Wie drücken sich „authentisches“ Employer Branding bzw. Personalmarketing aus? Muss es überhaupt „authentisch“ sein oder ist das nur wieder so eine Mode?
Ihre Kommentare bitte!
mein e Meinung, und tolle Gadanken dazu sind hier:
http://uknaus.posterous.com/konnen-unternehmen-authentisch-sein
meinte „Gedanken“ …
Unternehmen können „nur“ mittelbar authentisch sein, d.h. durch seine Mitarbeiter – frei nach dem Motto: „Zeige mir Deine Freunde (Mitarbeiter) und ich sage Dir wer Du bist!“
Alles was das Unternehmen auszeichnet ist eine Folge von Entscheidungen und Verhalten der Mitarbeiter – auch die Büroausstattung.
Arbeite ich lieber mit Menschen, bei denen man weiß woran man ist, wo ein klares Wort mehr wert ist als „zwischen den Zeilen“ – dann erfolgt daraus auch ein authentisches Unternehmen – was nicht zwangsläufig ein sympathisches Unternehmen sein muss! ;o)
Wichtiger Punkt! Authentisch heisst nicht zwingend sympathisch. Ehrlichkeit hat nichts mit Gutmenschentum zu tun. Wenn ein Unternehmen z.B. deutlich sagt, dass es normal ist bis 23 Uhr zu arbeiten und die Work-Life-Balance nur aus „Work“ besteht, dann muss man das nicht gut finden, aber es wird die richtigen, die „Passenden“, ansprechen. Wenn es allerdings normal ist, bis 23 Uhr zu arbeiten, dies aber im Personalmarketing verschwiegen wird, dann ist das nicht authentisch… Dann kann die Selbstselektion kaum funktionieren.
Authentizität steht und fällt damit, dass ich im Employer Branding das verkaufe, was mir die Mehrheit der Mitarbeiter jederzeit bestätigen – oder am besten selber sagen – würden. Kein Unternehmen ist in allen Bereichen top aufgestellt, aber jedes Unternehmen hat seine Stärken. Wer es schafft diese mit Hilfe seiner Mitarbeiter gut herauszustellen ohne zu verneinen, dass es durchaus Baustellen gibt, der bleibt authentisch und ist dabei durchaus werbend. Wie Jo oben schon sagt: erfolgreiches Employer Branding muss die „Passenden“ ansprechen – es lohnt sich also ein ganzheitliches Bild seines Unternehmens zu bieten. Und in Zeiten wachsender Bedeutung von (Online-) Netzwerken sind die Zeiten des bewußten Verschweigens von negativen Aspekten sowieso vorbei.
Auch ich bin der Meinung, dass vor allem bei Fachkräften und Spezialisten Ehrlichkeit und Authentizität in Zukunft mehr und mehr Stellenwert bekommen, wenn sie sich für einen Arbeitgeber entscheiden. Unternehmen sollten in Zukunft stärker priorisieren, die ‚Right Potentials‘ zielgruppengerecht anzusprechen. Heißt: unterschiedliche Bewerber haben unterschiedliche Prioritäten, dem einen ist das Ambiente, Prestige oder Arbeitszeiten wichtiger, dem anderen die Aufgabenstellung oder Karrieremöglichkeiten – um nur einige Kriterien zu nennen. Je früher und genauer hier ein Matching erzielt werden kann, um so größer wird die Zufriedenheit und Bindung auf beiden Seiten sein. Die Kriterien können sich je nach Lebenssituation auch immer wieder verändern – auch dem sollten Unternehmen Rechnung tragen!
Sehr spannende Diskussion. Muss unbedingt bei Gelegenheit dazu bloggen.
Ich habe dazu passend auch just eben gerade Ihren Artikel „Der neue Kommunikationsstil“ in der Personalwirtschaft gelesen. 1:1 das, was ich meine…
Ihrem Kommentar hierzu vom 04.10.10 habe ich nichts mehr hinzuzufügen – außer meinem persönlichen Credo in Sachen Employer Branding:
„Gib deinem Unternehmen ein Gesicht, das von innen strahlt.“.
Dazu passend habe ich heute auch den Blogpost >>„Personalisierung“ des Unternehmens durch Social-Media?<< von Josef Buschbacher gefunden: http://unternehmen20.wordpress.com/2010/10/11/personalisierung-des-unternehmens-durch-social-media/
Dazu habe ich gerade was ganz schönes im Blog von Marcus Reif gefunden – read: http://blog.reif.org/2010/11/authenticity-do-you-really-think-applicants-believe-that-crap-on-your-corporate-site/
Als Autor des Buches „Professionelle Authentizität – Warum ein Juwel glänzt und Kiesel grau sind“ definiere ich Authentizität neu. Was ist die übliche Definition? Das Wort bedeutet echt und in der Soziologie heißt das, dass alles Handeln aus der Person selbst heraus kommt.
Die Folge wäre jedoch ein egoistisches, nur den eigenen inneren Werten folgendes Verhalten. Landläufig wird unter Authentizität auch so etwas verstanden, wie „bleib wie Du bist“. Auch das hilft wenig, denn wenn jemand zwar ein „Original“ ist, doch dieses Verhalten wenig beiträgt zum Erreichen der Ziele.
Ein reales Beispiel: Ein Mitarbeiter eines großen Unternehmens hat die Angewohnheit, sich selbst – sogar während er präsentiert, – wiederholt an allen unmöglichen Stellen des Körpers zu Kratzen, und das auch noch sehr auffällig. Kein Verlegenheits-Kratzen, sondern ein unverhohlenes. Er ist in diesem Verhalten sehr echt, sehr authentisch. So wird er jedoch kaum ernst genommen.
Meine Definition der „Professionellen Authentizität“ zielt daher auf etwas anderes ab – und da gibt es durchaus Parallelen zu oben genannter Frage des Unternehmens mit den veralteten Büroräumen. Das optimale Verhalten ist das, das demjenigen hilft, seine Ziele zu erreichen und dabei auf andere vollkommen authentisch wirkt. Ich spreche dabei durchaus von bewusst inszenierten Rollen, die genau das Image erzeugen das förderlich ist.
Jemand der authentisch sein will, will in der Regel seriös, kompetent, glaubwürdig und vertrauenswürdig wirken. Authentizität spielt nur in sofern eine Rolle, wie dieses Verhalten auf andere wirken soll. Das hat nichts mit Verstellen, Schauspielerei oder Blenden zu tun, mehr dazu jedoch in meinem Buch.
Und noch etwas: heutzutage wird alles mögliche als authentisch bezeichnet. Ich denke, nur Menschen (Mitarbeiter) können authentisch sein. Nicht Produkte, Hotels oder Unternehmen. Hier wird die wörtliche Übersetzung von echt verwendet: authenticós. Ich mag das nicht.
Mit herzlichen Grüßen
Michael Moesslang
PreSensation Institute
Ein gelungener kompakter Beitrag zu einem wirklich sperrigen Thema. Deine Metapher werde ich noch häufig wieder aufgreifen, die bringt es absolut auf den Punkt! Allen, die sich für die Vielfalt der möglichen Deutungen von Authentizität interessieren, empfehle ich auch den Post „Authentizität – eine Bestandsaufnahme“ bei My Skills: http://bit.ly/eS9U0X
Martin Grothe von complexium hat ein paar kommentare zur „authentizitätsanmaßung“ im Personalmarketing geschrieben: http://www.wuv.de/nachrichten/karriere_job/karriere_tipps/personalmarketing_social_media_und_die_authentizitaetsanmassung
Das fasst ein paar der Anmerkungen zusammen, die kürzlich am 3.2. beim Competitive Intelligence Tag in Berlin (http://bit.ly/eo5GY1) geäußert wurden. Wichtig: Authentisch ist NICHT automatisch mit „nett“ oder „sympathisch“ gleichzusetzen!
Eine schöne Diskussion.
Wenn man „nett“ meint, dann soll man schlicht „nett“ sagen.
Wenn man aber sagt, dass Personalmarketing authentische Mitarbeiterbilder generieren muss, dann sagt man dadurch, dass die Mitarbeiter dies – warum auch immer – nicht schaffen. Oder wenig für sich sprechendes darstellen.
Bemerkenswerterweise sind aber gerade die vielfältigen Fragen, Beiträge und Anmerkungen der irgendwo arbeitenden Menschen eine tragende Säule vieler Social Web-Plattformen (inklusive Tiefendiskussionen auf pseudonymen Foren und – konträr zu vielen gängigen Proklamationen – weniger auf den hochtransparenten sozialen Netzwerken). Diese Eindrücke werden durch einen Personalmarketingalleinvertretungsanspruch quasi ausgeblendet.
Macht man sich dies klar, dann möchte man allen, die dieses Authentizitätsmantra weitertragen, zuraunen, dass es eigentlich eine gewisse Ignoranz dem Social Media-Phänomen gegenüber verrät. Einsnull. … und dies meint nicht Schalke-Bayern.
Employer Branding sollte sich nicht dabei verzetteln, B-Videos zu produzieren, sondern die tolle Einzigartigkeit eines Arbeitgebers artikulieren und vermitteln.
Mitarbeiter sind per se authentisch.
http://www.personalmarketingblog.de/?p=5941 – ist das etwa ein passendes Beispiel?
Hierzu auch ein ganz passender Post aus der Karrierebibel: http://karrierebibel.de/ich-bin-ich-was-ist-eigentlich-authentizitaet/
Hallo zusammen,
„Sei nicht authentisch!“ von Stefan Wachtel hat meine Wahrnehmung von „authentisch sein“ (spricht sich wirklich leichter als Authentizität!)
nachhaltig verändert.
Das Zitat, welches mir da am ehesten einfällt:
Es gab zwei Kandidaten auf die Stelle „Bundeskanzler“. Einer war authentisch, die andere hat die Wahl gewonnen.
Meiner Meinung nach sollten wir die Frage „Bin ich authentisch?“ dahin abwandeln:
Welche Rolle spiele ich (momentan)? Welche möchte ich (morgen) spielen? Welche bin ich bereit (noch) zu übernehmen?
Wie viel meiner Authentizität/ Originalität verkraftet mein Gegenüber?
Einer meiner Coachingkunden meinte: Ich lasse mich nicht verbiegen!
(Hauptsache authentisch!!!)
Das ist für mich völlig ok. Aber was ist, wenn er selbst erkennt, daß er mit dem bisherigen Verhalten (z.B. im Vertrieb) nicht so erfolgreich ist, wie er sein könnte? Daß bestimmte Veränderungen, die er selbst beschließt und dann vornimmt, ihm und seinem Gegenüber/Kunden von Nutzen sind? Ist er dann immer noch authentisch?
Hat er sich selbst verbogen?
Ich denke, er zeigt Flexibilität, wo diese wichtig ist und Standfestigkeit, wo jene unabdingbar ist.
Übrigens: Die wichtigste Veränderung für diesen Menschen war, zu beginnen, andere Menschen zu fragen, wie er auf andere wirkt und was er ihrer Meinung nach anders und besser machen könnte!
herzliche Grüße
Michael
Der vorliegende Beitrag ist äußerst bemerkenswert. Er verdeutlicht, dass die Mitarbeitergewinnung im Jahr 2023 von noch größerer Bedeutung ist als je zuvor.