Selbstselektion – das Aschenputtel im Recruiting. Google zeigt mit Foobar wie man das richtig clever macht…

An was denkt Ihr, wenn Ihr an Recruiting denkt? Ans lesen von Anschreiben und Lebensläufen, die Sichtung von Zeugnissen, das Einholen von Referenzen und natürlich die Klassiker der Personalauswahl: Tests, Assessment Center und Interviews?

Die fortschrittlicheren unter Euch werden vielleicht auch an solche Dinge wie Active Search und Sourcing denken, also das Aufspüren und die aktive Ansprache/Gewinnung solcher Kandidaten, die sich nicht aktiv beworben haben.

Und die noch aufgeklärteren werden sogar das Schalten von Stellenanzeigen dem Bereich Recruiting zurechen. Nein, nicht weil Stellenanzeigen etwas so unglaublich modernes wären, sondern weil sie begriffen haben, dass auch die Kommunikation dessen, wen oder was man sucht, zum Recruiting gehört. Viele sortieren das nämlich immer in Personalmarketing ab und tun so, als wenn das eine andere Disziplin wäre. Nun, in vielen Unternehmen ist es das auch irgendwie, weil “das Recruiting” (im Sinne von “Abteilung”) ja nun auch wirklich auf einem ganz anderen Flur als “das Personalmarketing” (im Sinne von “Abteilung”) sitzt. Jeder macht eben seinen Job, aber miteinander zu tun hat das halt nichts.

Wat n Unfug…

Beides ist untrennbar miteinander verbunden. Das sind noch nicht mal zwei Seiten der selben Medaille. Das steht beides auf der gleichen Seite!

Die oben aufgezählten typischen Recruiting-Instrumente, also Tests, Interviews usw. sind relativ unstrittig “Auswahlinstrumente”. Klar, der Recruiter wählt ja aus… Was dabei oftmals irgendwie ausgeblendet wird (ist ja auch die andere Abteilung, der andere Flur und so…) ist, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem ein Recruiter sein Instrumentarium überhaupt erst zum Einsatz bringen kann, bereits ein ganz maßgeblicher Teil der Auswahl stattgefunden hat:

Die Selbstauswahl…

Die Selbstauswahl – also etwa die Entscheidung einer Person, sich bei einem bestimmten Unternehmen auf eine bestimmte Stelle zu bewerben – findet nämlich in aller Regel weitestgehend ohne das Recruiting der Unternehmen statt.

Beim Active Sourcing nimmt der Sourcer zwar ein Stück weit Einfluss darauf und gutes Personalmarketing steigert sicherlich die Chance, dass sich ein höherer Anteil passender Personen tatsächlich bewirbt (und hoffentlich ein höherer Anteil unpassender Personen es sein lässt…). Aber egal wie man es dreht und wendet: Die Entscheidung, ob sich eine Person letztlich bewirbt und damit überhaupt erst dem klassischen Werkzeugkasten des Recruitings aussetzt, trifft diese Person selbst und damit außerhalb der Armlänge des Recruiters…

Man kann sich diesen Zusammenhang an einem sehr simplen Beispiel vergegenwärtigen:

Wenn sich zwar viele Personen bewerben, die aber alle unpassend sind, kann auch der beste Auswahlprozess – das beste Recruiting – keinen passenden Treffer (“Hire”) landen. Umgekehrt: Bewerben sich nur passende Kandidaten, kann das Recruiting auch Kollege Schimpanse übernehmen – wo nur Treffer im Lostopf sind, wird jedes gezogene Los ein Treffer sein… Man erkennt:

Je besser die Selbstselektion, desto höher die Trefferquote…

Wer das ein wenig akademischer erklärt haben möchte, der lese hier mal zum sog. Taylor-Russell Modell nach…

Diese simple Erkenntnis sickert so langsam in die Köpfe der Entscheider, was man an der deutlichen Zunahme von Self-Assessment- und Matching-Verfahren etwa als Element der Karriere-Website aber auch an im Schnitt mehr an Transparenz und Authentizität orientiertem Arbeitgebermarketing festmachen kann (wenngleich von sehr niedrigem Niveau kommend…).

Auch dass sich zumindest der eine oder andere Recruiter inzwischen einen Kopf darüber macht, wie denn der dem Bewerber oktroyierte Bewerbungsprozess bei diesem wohl so ankommt – Stichwort: Candidate Experience – ist als positives Signal zu werten. Man scheint zumindest zu verstehen, dass Recruitingprozesse, die die Bewerberperspektive allzu sehr vernachlässigen, möglicherweise dafür sorgen, dass Kandidaten – auch solche, die man eigentlich gern eingestellt hätte – von sich aus absagen. Sicht selbst “aussortieren” sozusagen…

Dennoch: Selbstselektion ist immer noch so ein bisschen das Aschenputtel im Recruiting. Gehört irgendwie nicht so richtig zur Familie und ist irgendwie auch so ein bisschen schmuddelig… Dabei steckt wie beim Aschenputtel auch in der Selbstauswahl eigentlich eine wunderschöne Prinzessin…

Wie Selbstselektion par excellence funktioniert, zeigt nun einmal mehr Suchmaschinengigant Google.

Wenn man so will basiert das gesamte Google-Imperium auf dem Prinzip Selbstselektion: Man tippt in die Suchmaschine einen oder mehrere Suchbegriffe ein, damit diesem einem passende Treffer anzeigt. Wenn man zum Beispiel als Staubsauger-Hersteller möchte, dass Staubsauger-Interessenten auch bei einem landen, dann sollte man entweder seine Website oder seinen Webshop so gut suchmaschinenoptimiert haben, dass man bei Eingabe des Suchbegriffs “Staubsauger” im organischen Suchindex möglichst weit oben steht oder (und…?) man bucht über Google Adwords diesen Suchbegriff und erscheint dann über den oder rechts der organischen Treffer in Form von Anzeigen. Landet darüber dann ein Staubsauger-Interessent auf der Website/Webshop des Staubsauger-Herstellers, dann hat dieser sich soz. selbst-selektiert. Dieses so simple wie geniale Geschäftsmodell generierte einen Großteil der knapp 18 Milliarden Dollar, die Google allein in Q2 2015 umsetzte…

Mir ist bis heute schleierhaft, warum nicht viel viel mehr Unternehmen diesen Weg der Selbstselektion für ihre Personalgewinnung einsetzen; es sind ja nicht nur Staubsauger-Hersteller daran interessiert, Staubsauger-Interessierte auf ihr Angebot zu locken… Nun, wer Google als Personalmarketingkanal mal ausprobieren will, der kann sich gern mal melden – wir machen das für einige Kunden recht erfolgreich…

Aber das wollte ich zu Google ja gar nicht erzählen. Nein, Google nutzt “sich selber” auf noch viel subtilere – man könnte auch sagen “pfiffigere” Art, um Selbstauswahl-Mechanismen in der Personalgewinnung zu nutzen.

google_billboard_riddle

Vielleicht kann sich der eine oder andere noch an die Google Billboard Riddles erinnern? Google schaltete im Jahr 2004 große Werbeplakate (sog. Billboards) auf dem Stück des Highway 101, der durchs Silicon Valley führt, auf denen ein Rätsel zu sehen war. Dessen Lösung führte auf eine Website, die zu weiteren Rätseln führte usw. Am Ende dieser Schnitzeljagd stand für diejenigen, die die Rätsel lösen konnten ein Job bei Google. Da haben sich dann völlig freiwillig Personen einer Art Assessment Center unterzogen, dessen erfolgreiche Absolvierung sie als neue Google Mitarbeiter qualifizierten – und zwar als reine Selbstselektion!

Gut, 2004 war Google noch weit davon entfernt, einen User, der aufgrund des Rätsels bzw. dessen Lösung auf einer versteckten Google-Website gelandet war, automatisch sofort mehr oder weniger akkurat personenbezogen identifizieren zu können, d.h. man war darauf angewiesen, dass sich der erfolgreiche Schnitzeljäger dann am Ende auch irgendwann bewarb. Aber wenn er es tat, dann war die Wahrscheinlichkeit, dass dieser passte aufgrund der vorangegangenen Selbstauswahl deutlich höher als bei anderen Bewerbern.

Google Foobar

Das wäre im Prinzip auch heute noch für die allermeisten Unternehmen ein höchst innovativer Ansatz, aber wir schreiben ja inzwischen das Jahr 2015. Aus dem 1000-Mitarbeiter Unternehmen Google des Jahres 2004 mit einer Bewertung von rund 2,7 Milliarden Dollar ist ein Gigant mit rund 60.000 Mitarbeitern und einer Bewertung von mehr als 350 Milliarden Dollar geworden.

Heute weiß Google im Prinzip wer man ist. Dennoch nutzt man immer noch das Prinzip Selbstselektion für Recruitingzwecke. Das ist zu beobachten unter einem mysteriösen Projekt namens Foobar. Wobei, um ehrlich zu sein, ist es noch nicht einmal offiziell klar und bestätigt, dass Foobar ein Recruitinginstrument ist oder wenn, für welche Zielgruppe genau…

Was ist denn Foobar eigentlich?

Im Sommer ging die Geschichte des Programmierers Max Rosett durchs Netz. Dieser hatte auf der Suche nach einem Python-Programmierproblem nach “python lambda function list comprehension” gegoogelt. Damit hatte er offensichtlich eine versteckte Tür entdeckt, denn die normale Google-Seite klappte auf und es erschien eine Seite, die ihn zu Google Foobar einlud.

Google Foobar ist dabei offensichtlich eine Art Spiel, das in verschiedenen Levels (nach meinem letzten Kenntnisstand sind es 8 Levels) rund 30 zu lösende Rätsel bereithält. Diese Rätsel stammen aus der – sagen wir mal – Welt der Mathematik, Informatik oder Kryptografie. Diese heißen dann zum Beispiel “undercover_underground”, “zombic_pandemic” oder “a_pirate_walks_into_a_bar” und drehen sich um solche Fragen wie der Berechnung der Anzahl an Integer Points in einem Dreieck etc..

Das ist natürlich Stoff, der meinen Horizont weit übersteigt, weshalb ich aber auch weder auf Google nach so etwas suche (und damit auch die versteckte Eingangstür nicht finde) noch jemals einen Job anstreben würde, der die Lösung solcher Probleme von mir verlangte.

Aber solche Leute gibt es natürlich und die sind für Google offensichtlich hochinteressant. Im Falle des oben genannten Max Rosett führten ihn die Rätsel in Google Foobar nach etwa 3 Monaten zu einem (neuen) Job – bei Google.

Scheinbar sind die ersten Level noch mehr oder weniger anonym nutzbar (wobei: wer glaubt denn allen Ernstes heute noch irgendetwas anonym im Netz machen zu können, noch dazu bei Google…?), danach fragt Google Foobar dann so etwas wie “Bewerberdaten” ab und es folgt ein Kontakt durch einen Google Recruiter…

Die Lösungen der entsprechenden Probleme stellen letztlich nichts anderes als sehr aussagekräftige und anforderungsbezogene Arbeitsproben dar, nach verschiedenen Meta-Analysen diejenigen Auswahlinstrumente mit der höchsten Vorhersagekraft bzgl. des Berufserfolgs…

Nun, wie gesagt: Es ist nicht offiziell von Google bestätigt, dass es sich bei Foobar überhaupt um ein Recruitingtool handelt, aber eine entsprechende Anfrage der Techie-Site <re/code> wurde von Google vielsagend mit dem folgenden Hex-Code beantwortet:

\u0050\u0075\u007a\u007a\u006c\u0065\u0073\u0020\ u0061\u0072\u0065\u0020\u0066\u0075\u006e\u002e\ u0020\u0053\u0065\u0061\ u0072\u0063\u0068\u0020\u006f\u006e\u002e

Übersetzt: “Puzzles are fun. Search on.” Deutlicher kann man ja eigentlich kaum vage sein, oder…? Nun, da es auch eine Google-Website gibt, die sich bar.foo nennt, und bei der es sich ganz offensichtlich um eine Recruiting-Website handelt, ist die Sache für mich eigentlich klar…

BarFoo

Also, es mag ja sein, dass die Selbstauswahl immer noch das Aschenputtel des Recruitings ist, aber wir wissen ja alle, was am Ende aus Aschenputtel wurde… “Prinz Google” findet mit Foobar für eine sehr besondere Zielgruppe sehr clever den passenden Fuß zum Schuh…

Klar, Otto-Normalunternehmen hat eben keine Suchmaschine, die am Tag von Milliarden Menschen genutzt wird, um darin Recruiting-Eastereggs zu verstecken, aber ein bisschen mehr dieser Denke könnten diese Unternehmen sich eigentlich schon leisten. Man kann ja mit einfachem Suchmaschinenmarketing anfangen…

Ich schließe für heute dann auch mal mit einem kleinen Rätsel:

53 65 6c 62 73 74 61 75 73 77 61 68 6c 20 69 73 74 20 64 61 73 20 41 73 63 68 65 6e 70 75 74 74 65 6c 20 64 65 73 20 52 65 63 72 75 69 74 69 6e 67 73 2e 20 57 65 72 20 66 69 6e 64 65 74 20 64 65 6e 20 70 61 73 73 65 6e 64 65 6e 20 53 63 68 75 68 3f

In diesem Sinne wünsche ein hoffentlich inspiriertes Wochenende…!

Ein Gedanke zu „Selbstselektion – das Aschenputtel im Recruiting. Google zeigt mit Foobar wie man das richtig clever macht…

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