SO geht Berufsorientierung. NICHT. Ein eher belustigendes Beispiel der Bundesagentur für Arbeit

Da rollt was auf uns zu… Nein, nicht der Arbeitskräftemangel, der ist ja schon da. Ich meine etwas anderes, etwas das eher bei der Bewältigung des Arbeitskräftemangels helfen soll. Egal wo ich momentan hinkomme, egal mit wem ich spreche, bei allen scheint irgendwie die Erkenntnis zu reifen, dass ein maßgebliches Element der Personalgewinnung in Zukunft die “berufliche Orientierung” sein wird und sein muss.

Insofern scheint sich dadurch auch zu bestätigen, dass sich das Recruiting-Paradigma wirklich wandelt und zwar dahingehend, dass der Ausgangs- und Startpunkt der Überlegungen nicht die zu besetzende Stelle ist, sondern die Frage der potenziellen zukünftigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen “was will ich?”. Das Unternehmen und die zu besetzende Vakanz steht dann erst am Ende der Journey, nämlich dann, wenn die Antworten auf die vorher zu klärenden Fragen (wohlgemerkt die Fragen der KandidatInnen!) diese Personen zu dieser Stelle bei diesem Unternehmen geführt haben.

Das bedeutet für das Recruiting der Unternehmen, sich zukünftig viel stärker als Karrierecoach und Berufsberater zu verstehen statt lediglich “zu besetzen”.

Und das bedeutet für Karriereplattformen und Intermediäre sich viel stärker berufsorientierend zu betätigen statt lediglich Stellenanzeigen zu publizieren.

Und so dachte man wohl auch bei der Bundesagentur, ja letztlich DEM Intermediär schlechthin. Und herauskamen jede Menge Bilderstrecken, die einem mal so richtig “realistic job preview-mäßig” zeigen, wie sie denn sind, die Berufsrealitäten.

Exemplarisch habe ich hier mal ein paar dieser “Einblicke” aus dem Berufsbild “Rechtsanwalt” herausgegriffen. Warum ich hier nicht gendere? Naja, schaut selbst…

Also: Was macht ein Rechtsanwalt?

-> Rechtsanwälte sind ältere Herren. Die Mitarbeiter [sic] sind Frauen und sitzen im Gemeinschaftsbüro, wo ihnen Aufträge zugeteilt werden.

-> Die Unterlagen kommen und gehen postalisch und werden papierbasiert in der Poststelle geprüft.

-> Kollegen (also die mit denen man auf Augenhöhe Fälle analysiert) sind ebenfalls ältere Herren.

-> ReFas wiederum sind Frauen. Diese haben den Schreibtisch voller Handakten in verschiedenen Farben (na klar, aus Papier) und viele Stempel.

-> Recherchiert wird in dicken Wälzern, die im Regal stehen. Natürlich macht man das nicht digital in entsprechenden Portalen wir Juris oder Beck online.

-> Man arbeitet mit Bürotechnik der frühen 2000er und diktiert Korrespondenz (damit obige – weibliche – Mitarbeiter [sic] im Gemeinschaftsbüro dies dann abtippen).

Soweit zum Rechtsanwalt… Wisst Ihr Bescheid.

Es gibt auf der Plattform jede Menge weiterer Berufsbilder, über die man sich auf diese Weise “informieren” kann. Das ist zuweilen ähnlich “erheiternd”. Zum Beispiel das hier zum “Fachinformatiker Anwendungsentwicklung”:

Oder zum “Informatiker”:

Oder (finde ich auch super!): “Personaler”

Ihr könnt ja selber mal im BERUFENET nach Eurem Job suchen und dann schauen, ob und inwieweit Ihr diesen durch diese Form der Einblickgebung treffend dargestellt findet…

Ich jedenfalls würde sagen: Ja, an Berufsorientierung wird zukünftig kaum noch etwas vorbeiführen, liegt darin doch ein Schlüssel zur Bewältigung des Arbeitskräftemangels.

Aber wie die obigen Beispiele zeigen, ist es nicht damit getan “irgendwie Orientierung” anzubieten, sondern diese sollte auch gewissen Ansprüchen an Realitätsnähe, Aktualität, Vermeidung von Stereotypen etc. genügen. Sonst läuft es schnell Gefahr, das genaue Gegenteil dessen zu bewirken, wofür es eigentlich gut sein soll…

5 Gedanken zu „SO geht Berufsorientierung. NICHT. Ein eher belustigendes Beispiel der Bundesagentur für Arbeit

  1. Na, da freuen sich in Hamburg Schüler:innen aber, dass sie im Programm Weekendschool echte Vorbilder und Perspektivgeber:innen kennenlernen können und die Berufe sogar ausprobieren. „Danke, dass sie sich Zeit für uns nehmen, danke, dass sie uns ernst nehmen“, sind nur zwei Feedbacks der Weekendschool Kids.

  2. Doch, das sind die Bilder/Fotos. Zu sehen gibt es die bei BERUFENET bei der Suche nach Rechtsanwalt. Leider sind die Bilder bei anderen Berufen auch nicht aktueller.

    Zum Glück gibt es in Internet auch große Informationsportale, die aktuelle Berufsfotos von Ausbildungsbetrieben in den Berufsinfos vorstellen.

  3. Es ist interessant zu lesen, dass nicht alle Berufe ein gleiches Verhältnis zwischen Männern und Frauen aufweisen. Ich denke jedoch, dass sich dies in den kommenden Jahren ändern wird. Meine Nichte möchte zum Beispiel ein kompetenter Strafverteidiger für versuchten Mord werden und wir unterstützen sie dabei von ganzem Herzen! Wenn mehr Eltern dies tun, werden sich die Unterschiede natürlich ausgleichen.

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