Als ich am 18. Februar den Beitrag zum Thema Matching und den vielen spannenden Startups , die gerade unter dieser Überschrift starten, schrieb, dachte ich, dass ich dann gleich weitermache und Teil 2 hinterher schiebe. Immerhin hatte ich Teil 1 ja nur beendet, weil es ansonsten zu viele Beispiele geworden wären, die den Rahmen eines Blogartikels dann doch gesprengt hätten.
Aber wie das so ist vergehen die Wochen dann wie im Flug und zack ist Ostern.
Jetzt ist es ja nicht so, als hätten wir das Thema Matching seitdem ausgespart. Nein, das aus unserer Sicht sehr erfreuliche Jubiläum des 200.000sten Nutzers des Studieninteressentests SIT, den wir für die Hochschulrektorenkonferenz und ZEIT Online entwickelt haben, war ja ein ziemlich nachdrücklicher Beleg für die Relevanz von und die offensichtliche Nachfrage nach Matching-Tools. Immerhin wird dieser Test von rund einem Drittel aller Studienanfänger in Deutschland genutzt! Aber Teil 2 der versprochenen Artikelserie über die verschiedenen Matchingansätze und spannende Anbieter und Startups in diesem Themengebiet gibt es eben erst jetzt, als Osterlektüre…
Matching – was ist das eigentlich alles?
Ich habe kurz nach Erscheinen von Teil 1 auf dem HR Barcamp in Berlin eine Session abgehalten, in der ich die Fragen, warum Matching eigentlich momentan gerade so einen Hype erlebt, was für Formen von Matchingtools es eigentlich so gibt und auch, wohin die Reise denn am Ende wohl gehen wird, diskutieren wollte.
Einer der Sessionteilnehmer warf dann aber gleich zu Beginn mächtig den Anker, indem er sagte (sinngemäß):
Also, ich habe das (Matching) bislang eigentlich nicht als großes Thema wahrgenommen…
In einem Nachbericht zum HR Barcamp schob er dann noch eine Google Trends-Abfrage zum Begriff „Matching“ hinterher, die tatsächlich nicht auf eine überaus steigende oder gestiegene Bedeutung des Begriffs schließen lässt.
Ich habe mich daraufhin gefragt, ob ich nicht hinsichtlich meines Eindrucks, dass Matching wirklich der neue „heiße Scheiß“ im HR wird oder zumindest werden kann, einem Wahrnehmungsfehler aufsitze. Vielleicht nehme ich diese Thematik auch nur innerhalb meiner eigenen Filterbubble als so wichtig und schwungvoll war, weil wir uns selber eben schon seit mehr rund 15 Jahren mit Online-Assessments, Self-Assessments, Orientierungstests usw., also Matching-Instrumenten, beschäftigen.
Ich bin mir inzwischen allerdings sicher, dass dem nicht so ist. Nicht nur die zahlreichen Gespräche mit verschiedensten Anbietern von Matchingtools, die ich in den letzten Wochen geführt habe, sondern auch die quasi täglich anschwellende Liste an entweder neuen Anbietern oder neuen Projekten etablierter Anbieter in diesem Bereich lassen mich immer wieder zum gleichen Ergebnis kommen:
Vieles wird Matching.
Vielleicht liegt die unterschiedliche Wahrnehmung aber auch in der Unschärfe des Begriffs an sich. Was ist denn gemeint, wenn jemand Matching sagt? Unlängst erschien in der NEON ein überaus putziger Artikel über Matching im zwischenmenschlichen Beziehungssinne: Die Tinder-Typologie. Das ist einerseits natürlich ein vollkommen anderes Themengebiet (Dating, Partnersuche), andererseits hat aber genau eben diese Spielart von Matching wiederum sehr viel mit Matching im Kontext Personalsuche zu tun.
Das zeigt nicht nur das landläufig als „Tinder for Jobs“ titulierte Beispiel truffls, über das ich letztes Mal geschrieben habe, sondern wird eindrucksvoll dadurch unterstrichen, dass mit der US-Plattform eHarmony unlängst der erste Datingdienst in das Personalvermittlungbusiness eingestiegen ist: Elevated Careers by eHarmony…
Klar, man kann und sollte skeptisch sein, wenn eine Datingplattform den Personalvermittler macht, aber offensichtlich sieht man hier (nicht nur bei eHarmony) eine Wachstumschance…
Doch kommen wir mal ein bisschen ab von den Datinganalogien. Was gibt es sonst für Matchingansätze?
Ich sehe hier vor allem drei Stoßrichtungen, die man im Sinne einer Taxonomie unterscheiden kann, auch wenn diese nicht scharf voneinander trennbar sind, sondern oft fließend ineinander übergehen:
- Eignungsdiagnostische (Test-)Verfahren
- Ontologie-basierte und Big-Data Ansätze
- Matching durch gegenseitiges Kennenlernen
Einen Vertreter aus der Ecke Eignungsdiagnostik hatten wir mit Talerio ja auch schon im ersten Teil dieser Serie. Weitere werden in den nächsten Teilen dann auch noch folgen (Matchingbox, Talentsconnect, Prescreen), handelt es sich doch hierbei um ein Thema, das mir naturgemäß sehr am Herzen liegt.
Ontologie-basierte bzw. semantische Matchings und Big-Data Ansätze gibt es ebenfalls einige. Das dürfte ggw. auch der Bereich sein, in dem die meiste Phantasie steckt, weil man sich hier – so erscheint es mir zumindest zuweilen – auf die Suche nach dem Stein der Weisen gemacht hat, lautet doch die Vision: Man gebe eine Menge Daten in einen Automaten und am Ende kommen passende Jobs und/oder passende Kandidaten heraus. Klingt irgendwie nach Magie…
Ich meine das überhaupt nicht despektierlich. Im Gegenteil: Die Chancen, die sich aus der Zusammenführung und Verdichtung von Informationen aus verschiedensten Datenquellen ergeben, sind wirklich immens. Gleichzeitig sind hier rein technologisch auch nicht gerade dünne Bretter zu bohren. In einem der nächsten Beiträge werde ich mich daher mal den Vertretern dieser Richtung detaillierter widmen (z.B. Textkernel, JANZZ, Joinvision, Jobspotting, Berufy und natürlich Joberate).
Die dritte Kategorie möchte ich mir heute mal vornehmen: „Matching durch gegenseitiges Kennenlernen“… Das ist irgendwie keine so richtig griffige Bezeichnung, so im Sinne eines schicken Fachbegriffs, aber es trifft es eigentlich ganz gut. Bei diesen Ansätzen geht es nämlich in erster Linie gar nicht so sehr darum, dass irgendein Algorithmus etwas misst und bewertet und daraus dann ein mehr oder weniger intelligentes, vor allem aber automatisiertes Matching ableitet.
Nein, hier geht es vor allem darum, dass potentielle Kandidaten potentielle Arbeitgeber schlichtweg besser kennen lernen und umgekehrt. D.h. es geht um Plattformen, die alle auf irgendeine Weise gegenseitige Einblicke ermöglichen. Das Matching findet dabei dann soz. im Kopf des jeweiligen Betrachters statt. Also:
Ich sehe etwas und treffe dann eine Beurteilung darüber, ob mir „das“ Gesehene gefällt bzw. zu mir passt.
Mit „etwas“ bzw. „das“ sind dann – je nach Perspektive – entweder das Unternehmen bzw. der Job oder der potentielle Kandidat gemeint. Geübte Recrutainment Blog-Leser ahnen es: Diese Ansätze drehen sich um Realistic Previews, um Authentizität. Der Matching-„Algorithmus“ ist der Betrachter selbst…
Machen wir es mal konkret:
Ich habe mir mal vier Anbieter angesehen, die in diese Richtung gehen:
Klar, gegenseitiges Kennenlernen war ja schon immer Grundvoraussetzung für jedwede Personalauswahlentscheidung und liegt ja auch Dingen wie Praktika oder Tagen der offenen Tür zugrunde. Hier geht es aber um Plattformen, die dieses Kennenlernen entweder selber ermöglichen oder das Kennenlernen „organisieren“.
jobclipr – Zeig´wer du bist!
Das Prinzip von jobclipr ist schnell erklärt:
Auf der einen Seite können Jobinteressierte von sich selber erstellte Videos und/oder Fotos einstellen und sich so vorstellen. Das Ganze kann dann noch ergänzt werden durch Social Media Feeds und den Upload von Texten und Dokumenten. Auf der anderen Seite können Unternehmen das auch tun, d.h. sich selber vorstellen z.B. in Form von einblickgebenden Videos, Bildern, Social Media Feeds und weiterführenden Informationen.
Findet nun ein Jobinteressierter ein interessantes Unternehmen oder einen spannenden Job (unter dem er sich – so die Idee – nun auch etwas konkreteres vorstellen kann, als wenn er dieses Unternehmen oder diesen Job auf einer Jobbörse gefunden hätte), kann er sich direkt unter Verweis auf sein – wiederum möglichst authentisch-aussagekräftiges – jobclipr-Profil „bewerben“. Die Unternehmen wiederum können sich auch auf die Suche nach spannenden Jobinteressierten machen, sich deren Videos/Fotos/Social Media Feeds etc. ansehen und dann direkt kontaktieren.
Ich finde das ganz charmant, weil es sehr den Authentizitätsgedanken betont.
Allerdings bleibt abzuwarten, ob Jobinteressierte wirklich a) in der Lage und b) auch willens sind, Videos von sich als „latente Bewerbungsunterlage“ zu erstellen und ins Netz zu stellen. Momentan wird das Thema Bewegtbild ja sehr hochgehypet, nicht nur wg. der Livestreaming-Apps wie Meerkat, Periscope oder YouNow oder der neuen Facebook-App Riff, aber ich bin mir (noch) nicht sicher, ob und vor allem wann das wirklich Mainstream und vor allem „bewerbungstauglich“ wird.
Zweiter Punkt: Spätestens wenn auf jobclipr viele User und viele Firmen (mit vielen Jobsangeboten) vertreten sind, dann kommt jobclipr meines Erachtens auch nicht darum herum, dem „Matching durch Kennenlernen“ ein „Matching durch Algorithmus“ vorzuschalten, weil sich ja niemand (weder Unternehmen noch Jobinteressierte) auf Verdacht alle möglichen Videos ansieht, um dann mehr oder weniger zufällig einen Treffer zu finden. Das macht man sicher gern, aber eben nur dort, wo auch eine gewisse Erfolgschance vorliegt.
Talentcube – Bewerbung der nächsten Generation (?)
In eine ähnliche Richtung geht (allem Anschein nach, weil das Angebot noch nicht gestartet ist) der nächste Startup-Name auf meiner Liste: Talentcube.
Hier mutmaße ich mal aus den aktuell auf der Website verfügbaren Informationen, freue mich aber sehr, wenn die Jungs von Talentcube, vielleicht die Chance ergreifen, hierzu im Kommentarfeld noch ein wenig mehr Hintergründe beizusteuern…?
Also: Auch bei Talentcube geht es vor allem darum, dass sich Unternehmen so zeigen, dass man sich als potentieller Bewerber möglichst konkret etwas darunter vorstellen kann.
Konsequent ausgerichtet auf mobile Nutzung (die Apps für iOS und Android sollen demnächst kommen) bieten die Unternehmen einen Blick hinter die Kulissen (z.B. mit Fotos und vor allem der Vorstellung der möglicherweise zukünftigen Kollegen).
Findet man dabei dann was möglicherweise passendes, kann man sich direkt mit dem hinterlegten Profil bewerben. Damit dann mit dieser Bewerbung wiederum die Unternehmen auch etwas anfangen können, umfasst dies Informationen, die „in Punkt Aussagekraft neue Maßstäbe setzt“, so die Ankündigung auf der Website. Was das allerdings konkret heißt, konnte ich vorerst nicht herausfinden. Aber vielleicht hellt uns das Talentcube-Team ja auch hier ein wenig auf…?
Careerdate – Triff deine zukünftigen Kollegen
Careerdate begleite ich ja schon seit den Anfängen hier im Blog. Ganz grob gesagt bietet Careerdate die Infrastruktur, um jegliche Form von Unternehmensevent auch zu einem Recruitingevent werden zu lassen. Bei “jegliche Form” kann es sich um das Abteilungs-Feierabend-Bier genauso handeln wie ein Mittagessen mit dem CEO oder oder oder.
Hier werden also die vielen potentiellen Berührungspunkte zwischen potentiellen Bewerbern und potentiellen Arbeitgebern so organisiert, dass daraus auch tatsächliche Berührungs- und Kennenlernpunkte werden. Durch dieses Kennenlernen entsteht möglicherweise ein Match.
Zur Zeit bietet Careerdate noch keine in irgendeiner Form automatisierte („algorithmische“) Zuordnung passender Dates. Das ist bei der aktuellen Anzahl an Events auch noch nicht zwingend erforderlich, denn das kann man auch so noch ganz gut überblicken. Hier gilt aber auch wie bei jobclipr: Je mehr das werden, desto mehr macht ein vorgeschaltetes Matching für beide Seiten Sinn, damit man als User nicht jede Menge uninteressante Dates vorgeschlagen bekommt (und dabei dann möglicherweise die passenden übersieht) und damit die Unternehmen ihre Events auch bei aus ihrer Sicht möglichst passenden Kandidaten platziert bekommen.
Kommen wir nun zu Angebot vier und damit dem für heute erst einmal letzten auf meiner Liste:
lunchandmeet – vernetzen mit interessanten Menschen, beim Lunch
Auch bei lunchandmeet geht es um Matching durch Kennenlernen. Im Gegensatz zu Careerdate geht es hier nicht nur um das Kennenlernen zu Zwecken des Job-Matchings, sondern generell um das Kennenlernen von möglicherweise für einen selber interessanten Personen. Und in Abweichung zu Careerdate werden hier nicht alle möglichen ohnehin stattfindenden Events zu Möglichkeiten des gegenseitigen Kennenlernens gemacht, sondern es geht – wie der Name schon sagt – um gemeinsame Mittagessen.
Wenn ich also, mal ganz platt ausgedrückt, jemand bin, der sich mit dem Thema „Demografischer Wandel“ beschäftigt, dann führt das Matching auf lunchandmeet dazu, dass ich andere Personen kennen lerne, die sich auch damit beschäftigen – beim Lunch.
Daraus können dann alle möglichen interessante neue Perspektiven, Projekte, Aufträge, weitere Kontakte oder eben auch Jobperspektiven erwachsen. Personalrecruiting ist aber eben nur eine der möglichen Verwendungsformen.
Wie lunchandmeet funktioniert erklärt das folgende Video eigentlich ganz gut (bislang aber vorerst nur im Web, die Apps sind scheinbar noch nicht fertig…):
So, ich wünsche nun allen frohe Ostern! Auf dass das Matching passt und Ihr die richtigen Eier findet…
Hey Jo,
wirklich interessante Auflistung, die du da zusammengestellt hast! Bin gespannt, wie es weitergeht.
Wichtiger Punkt, dass du auch über den Tellerrand des reinen „Matching-Algorithmus-Hypes“ hinausschaust. Am Ende des Tages stellen wir (zumindest noch) Menschen ein, die miteinander arbeiten (wollen) sollen. Deshalb wird bei Talentcube die Persönlichkeit des Individuums einen besonderen Stellenwert haben.
Viel mehr kann ich leider noch nicht preisgeben, aber ihr dürft gespannt sein! Noch in diesem Jahr werdet ihr von uns hören… Versprochen ;)
Beste Grüße
Sebastian
Hallo Herr Diercks,
ich finde Ihren Blog super. Siue haben so viele Informationen über das Thema Matching zusammengetragen.
Ich selber bewege mich ebenfalls in diesem Berufsfeld und habe mit mylenstein (www.mylenstein.de) die Kombination aus Beraterkontakt und digitalisierter Kompetenzdiagnostik & semantischer Suche geschaffen. Bei der ganzen Entstehung der vielen Anbieter in diesem Feld darf man nicht unterschätzen, dass es immer einen Experten / Kompetenzdiagnostiker geben sollte und nicht nur einen automatisierten Prozess, den eine Webseite abbildet. Denn wir sind und bleiben Menschen.
Ganz liebe Grüße,
Susanne Busch