Personalmarketing für Berufskraftfahrer: “Kampagne” Fahrgut.eu setzt sich für die Speditions- und Logistikbranche ein

Der Gedanke an LKW und Berufskraftfahrer/-innen fördert sicherlich bei den Meisten negative Klischees zu Tage: Elefantenrennen auf der Autobahn, tätowierte, raue Typen, die, wie es auf der Seite fahrgut.eu heißt, „nichts in der Birne haben, außer die Straßen zu beherrschen und das mit aller Gewalt“, LKW als Sicherheitsrisiko und Störfaktoren auf deutschen Autobahnen. Klingt nicht nach einem Berufsbild, das man sich für seine Kinder wünscht.

Idee der Kampagne fahrgut.eu ist es, diese Vorurteile anzugehen, aufzuklären, eine breitere Akzeptanz und ein gesteigertes Ansehen von Berufskraftfahrer/-innen in der Öffentlichkeit zu erreichen und damit das Image des Berufsbildes „Berufskraftfahrer/-in“ zu verbessern. Der Initiator FangAnDu-ProLogistic, der sich hinter dieser Website verbirgt, ist offenbar ein Unternehmen für Fahrer-, Logistik- und Regional-, Industrie- und Transportmarketing. Bei tieferem Einsteigen in die Website gewinnt man dann aber sehr schnell den Eindruck, dass sowohl die Seite selbst als auch das Vorgehen des Initiators eher fragwürdig und nicht mehr als semiprofessionell sind, wenngleich von Partnerschaften mit beispielsweise der BVL, dem BVT oder dem TüV NORD die Rede ist. Auch stellt man sich schnell die Frage, welches Konzept, welche Inhalte und welche Maßnahmen (hierzu zählt z. B. eine meinem Eindruck nach wenig wissenschaftliche Umfrage unter Berufskraftfahrern und anderen Teilnehmern am Straßenverkehr) dieser Kampagne tatsächlich zugrundeliegen. Soweit ich verstanden habe, bietet der Initiator als Lösung für die beschriebene Ausgangsproblematik die Konzeption und Umsetzung von Werbemitteln für LKW-Auflieger, öffentliche Werbeflächen, aber auch Give-Aways an – Schlüsselfigur bzw. „Testimonial“ ist dabei ein merkwürdiger Drache, der als „Sympathieträger“ wohl stellvertretend für die Berufsgruppe promotet werden soll :-). (Interessant ist dabei übrigens zusätzlich, dass dieser regelmäßig – auch auf dem „Gütesiegel für mehr Sympathie“ – dann auch noch ein Sektglas in der Hand halten muss,  „als Symbol für besondere Anlässe und/oder Erfolge“ mit prognostizierten positiven Auswirkungen auf das Image des (offensichtlich alkoholisierten?) Berufskraftfahrers, Details lassen sich im Konzeptpapier zur „Kampagne“ nachlesen.) Als neue Dienstleistung hat das Unternehmen dann noch das Recruiting von Berufskraftfahrerinnen und -fahrern für sich entdeckt.

Wenngleich der dort skizzierte „Kampagnen“-Ansatz mich jedenfall angesichts der beschriebenen Zielsetzung, der erkennbaren „Maßnahmen“ und damit nicht zuletzt der dahinterstehenden Firma vollständig irritiert, kommt man zumindest nicht umher, für sich festzustellen, dass auf ein Thema aufmerksam gemacht wird, das in jedem Fall einer intensiveren Auseinandersetzung würdig ist. Und Hinweise darauf, dass das schlechte Image der Branche und des zugehörigen Berufsstandes nicht nur zu Nachwuchsproblemen führt, sondern aktive Berufskraftfahrer/-innen tagtäglich mit Vorurteilen zu kämpfen haben, geben die vergleichsweise große Anhängerschaft der „Kampagne“ auf der Fahrgut-Facebook-Fansite (immerhin aktuell knapp 7.400 Fans) und die substantielle Zahl von mehr als 11.600 Twitter-Followern. Ein über fahrgut.eu eingebundenes Video, von dem man vielleicht „technisch“ halten mag, was man möchte, deutet die Bedeutung des LKW-Verkehrs für alle Lebensbereiche und der (mindestens) zum Teil sicherlich zu Unrecht gescholtenen Berufsgruppe an.

Eins macht der Redakteur von fahrgut.eu dann aber vermutlich zu Recht klar: Die Transportbranche hat Nachholbedarf in den Bereichen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in Zeiten, in denen moderne Zugmaschinen schon lange „keine verkehrsunsicheren, stinkenden und mechanischen Spritfresser mehr“ sind und der LKW-Fahrer, der „als rücksichtsloser Verkehrsrowdy, der alkoholisiert, gefrustet und übermüdet Angst und Schrecken auf unseren Straßen verbreitet“ (wenngleich düstere RTLII-Reportagen das Gegenteil zu behaupten scheinen) wahrscheinlich die Ausnahme bildet. Seine Anregungen in dem Sinne, dass auch oder insb. Berufe mit falschen und stereotypen Bildern eine Lobby brauchen, um aufzuklären, sind sicherlich richtig. Die Umsetzungsvorschläge hingegen sind meinem Eindruck nach dann doch ein wenig undurchsichtig, weil hier ein bedeutsames Berufsorientierungs- bzw. Personalmarketingziel mit offensichtlich privatwirtschaftlichen Interessen eines Dienstleisters vermengt wird.

Mein Fazit: Das Stolpern über die beschriebene Seite hat mich mindestens zum Nachdenken angeregt und gibt Impulse, die eigenen Vorurteile kritisch zu hinterfragen und sich für eine imagebedingte Problematik mitsamt ihrer personellen Konsequenzen zu öffnen. Die Konzeption und Realisierung einer darauf aufbauenden Kampagne sollte man dann aber vielleicht doch eher in professionellere Hände geben, wie das auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks, als er die Kampagne „Das Handwerk“ ins Leben rief, getan hat, mit unter anderem diesem Spot:

Ich wünsche einen besinnlichen Nikolaustag im Namen des Drachen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3 Gedanken zu „Personalmarketing für Berufskraftfahrer: “Kampagne” Fahrgut.eu setzt sich für die Speditions- und Logistikbranche ein

  1. Sehr geehrter Verfasser,

    zum einen möchte ich darauf hinweisen, dass FangAnDu-ProLogistic keine Personalvermittlung oder Zeitarbeitsfirma ist sondern lediglich sich für eine Verbesserung für Quereinsteiger engagiert. Zum anderen möchte ich darauf aufmerksam machen, dass ich selber 15 Jahre Erfahrung in den Bereichen Marketing und Öffentlichkeitsarbeit für namhafte Unternehmen habe und sich die Arbeit des Zentralverbandes für “Handwerk” keinesfalls mit ähnlichen Organen in der Transport- und Logistikbranche vergleichen lässt. Vergleichen Sie alleine die Popularität verschiedener Kampagnen, wie z.B. Pro LKW in sozialen Netzwerken und Sie werden sehr schnell feststellen, dass der obligatorische Fingerzeig auf Problematiken mehr auf Ablehnung als auf Sympathie trifft, da bei den von Ihnen sogenannten professionellen Kampagnen (wobei es meiner Kampagne nach Aussagen verschiedener Ministerien und Verbänden nicht an Professionalität mangelt) der psychologische Aspekt wenig bis keine Berücksichtigung findet.

    Zu Ihrer Aussage, dass wir nur behaupten mit verschiedenen Verbänden zusammenzuarbeiten möchte ich Sie an dieser Stelle an folgende Links verweisen:

    http://www.tag-der-logistik.de/partner/partnerinitiativen/partnerinitiativen

    http://www.prologistic.de/BVT-Mitgliederinfo%209-2012.pdf

    http://fahrgut.prologistic.de/Newsletter_Logistikcluster_NRW.pdf

    Mit freundlichen Grüßen
    Jörg Kibbat

  2. Ich finde es schön, dass man für das Ansehen von LKW Personal etwas tut. Es halten sich nach wie vor unbegründete Gedanken in der Gesellschaft zum Berufsbild von Berufskraftfahrer/-innen fest. Wie der Redakteur der Website feststellt, besteht Nachholbedarf in der Öffentlichkeitsarbeit, da kann ich nur zustimmen. Vielen Dank für Ihren Beitrag!

  3. Hallo zusammen,

    ja FahrGut ist immer noch da und mit mittlerweile über 57.000 registrierten Bus- und LKW-Fahrerinnen und -Fahrern konnten wir in den letzten Jahren schon einiges erreichen.

    So auch in der aktuellen Corona-Krise, in der wir aktives Krisenmanagement für Trucker/innen betreiben. Denn mit unserer Initiative “Trucker sucht Hilfe” in der wir neben Aufklärung und Informationsfluss zum sicheren Umgang mit LKW-Fahrerinnen und -Fahrern vor allem aktive Unterstützung in Form von Anleitungen, Beschilderungen zum Download sowie dem aktiven Nachgehen von Beschwerden seitens LKW-Fahrerinnen und -Fahrern betreiben sind wir mit unserem kleinen Team sogar ein wenig stolz, dass wir doch schon weit über 1.000 Unternehmen zu Umdenken bewegen konnten.

    Leider müssen wir aber auch immer noch gegen die dominierenden Verbände ankämpfen zumal sich gerade einer dieser ungefragt an unserem Krisenplan bediente, sich medial mit Unterstützung des BMVI in Szene setzte und uns sogar mit einer Unterlassungsklage droht, weil wir die die Dreistigkeit besaßen uns bei diesem VERBAND zu beschweren. Aber das ist Deutschland 2020.

    Aber dennoch kämpfen wir weiter und wen unsere aktuellen Initiativen zur Krise interessiert darf gerne Mal hier vorbeischauen, mich würde es freuen:

    Beste Grüße und bleibt gesund
    Jörg Kibbat
    Vorstand FahrGut

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