Interview mit beesocial-Chef Sven Wiesner: Erfahrungen mit Social Recruiting aus erster Hand

Die beesocial GmbH ist eine Tochtergesellschaft der Hamburger Agentur beebop media. Als Spezialdienstleister konzentriert sich beesocial voll und ganz auf Kommunikationskonzepte in und über soziale Medien und im Web 2.0. Geschäftsführer Sven Wiesner ist einer der profiliertesten Köpfe der Social Media Szene. So ist nicht nur die Veranstaltungsreihe „beesocial #x“ inzwischen eine Art Pflichttermin, sein Name ist auch untrennbar mit der Gadgetnight oder der Hamburger twittnite verbunden.

Ich habe hier im Blog ja gestern die interessante Jobvite-Infografik über den aktuellen Stand des Social Recruitings in den USA veröffentlicht. Da passte es ganz wunderbar, dass ich die Gelegenheit hatte, Sven nach seiner Meinung hierzu, vor allem nach seinen ganz praktischen Erfahrungen im Social Recruiting zu befragen.

Los geht´s…

Hi Sven, ein Schwerpunkt Eurer Agenturarbeit liegt auf dem Thema Social Media. Was für Mitarbeiter sucht Ihr denn hierfür?

Spannende Frage. Da es in diesem noch sehr neuen Berufszweig praktisch keine ausgebildeten Fachkräfte gibt, jedoch massig talentierte Quereinsteiger aus Werbung, Marketing und PR, ist sie nicht so leicht zu beantworten. Wir suchen in erster Linie frische Köpfe, die jede Menge Interesse für die Eigenheiten der neuen Online-Mediennutzung mitbringen. Social Media ist kein nine-to-five-Job, die Branche ist ständig in Bewegung. Deshalb ist es wichtig, dass unsere Leute aus eigenem Antrieb am Thema bleiben, und soziale Medien selbst intensiv nutzen. Das setzen wir voraus, eigene aktive Profile im Social Web sind Einstellungskriterium.

Aber nicht jeder, der einen Twitter Account betreibt, ist auch in der Lage, Marken im Social Web sicher zu beraten. Deswegen erwarten wir ab dem Junior-Level auch Erfahrung mit Marken und Unternehmen. Idealerweise haben Bewerber bereits Agenturluft geschnuppert und sich beim Kunden neben blutigen Nasen auch schon mal ein Lob abgeholt. Das Grundverständnis für Chancen und Risiken in der Markenkommunikation im Social Web ist essentiell.

Und dann muss noch der persönliche Draht stimmen. Wir sind ein kleines, schnell wachsendes Team mit flachen Strukturen. Unser Büro ist eine alte, komplett offene Lederfabrik am Rande der Schanze. Wir sind also allein räumlich darauf angewiesen, dass die Kollegen sich aufs Fell gucken können. Die Stimmung im Team ist uns sehr wichtig, die Leute sollen Spaß an der Arbeit haben. Deswegen wird jeder neue Kollege auch noch mal auf seine Teamfähigkeiten hin gescannt.

Wenn das dann alles passt, haben wir in der Regel eine Menge gemailt und gesprochen. Doch das lohnt sich meiner Meinung nach.

Wie gewinnt eine Agentur, die sich voll dem Thema Social Media verschrieben hat, eigentlich ihr eigenes Personal?

In erster Linie, indem wir uns selbst im Social Web präsentieren. Das machen wir hauptsächlich auf Facebook (http://www.facebook.com/beebopmedia), auf Twitter (https://twitter.com/#!/beebopmedia) und auch im Blog auf unserer Webseite (www.beesocial.de). Wir posten hier einen gesunden Mix aus erledigten Jobs, Branchennews und Agenturalltag, und geben potentiellen Kollegen so ein ganz gutes Gefühl dafür, was sie bei uns erwartet. Das ist natürlich nur ein ganz oberflächliches Bild, jedoch reicht es aus, dass wir nicht selten ein „Ich folge Euch bei Twitter und habe einfach Bock bei Euch zu arbeiten“ kassieren, das macht uns natürlich stolz.

Jobs kommunizieren wir folglich auch über unsere Profile im Social Web. Das Team twittert, facebooked und xingt neue Stellen über die privaten Accounts, was ich auch nicht für selbstverständlich halte. Schließlich ist das auch eine Art der Empfehlung. Auf der Webseite gibt’s dann alle Infos. Klassische Jobbörsen oder gar Anzeigen nutzen wir bisher nicht.

Spannend! Dass Ihr wahrscheinlich keine Stellenanzeigen in Print schaltet, hatte ich ja erwartet. Aber dass Ihr Online-Jobboards wie Monster und Co. scheinbar schon als „zu klassisch“ anseht, finde ich bemerkenswert. Wie sind denn Eure Erfahrungen im „Social Recruiting“? Also bezogen auf Bewerberzahlen, Bewerberqualität und -passung und auch bezogen auf Euren Aufwand damit.

Wenn Kollegen potentielle neue Kollegen empfehlen passt das meistens schon ziemlich gut. Außerdem erreichen wir über diesen unkonventionellen Weg meist auch gute Köpfe, die eigentlich grad gar nicht auf der Suche sind, und wecken ihr Interesse. Wir setzen Aktivität bei Twitter und Facebook voraus, deswegen legen wir hier auch unsere Angel aus. Anzahl und Qualität der Bewerber ist eigentlich immer überraschend gut. Was mich ärgert sind Leute, die sich schlecht bis gar nicht präsentieren. Dafür haben wir unter http://www.beebop.de/ueber-uns/jobs/ schließlich genau beschrieben, was wir bieten und erwarten. Besonders wichtig: „Warum brauchen wir Dich im Team? (plz no bullshit!)“.

Siehst du hier substantielle Unterschiede zwischen verschiedenen Sozialen Medien, also z.B. Facebook versus XING? Twitter versus g+?

Die Qualität der Interaktion ist allein schon wegen dem zur Verfügung stehenden Platz für Postings unterschiedlich. Aber auch sonst unterscheiden sich die Netzwerke schon elementar. Während man sich auf Facebook in der Regel nur mit Menschen vernetzt, die man real schon mal getroffen hat, ist eine „Freundschaft“ auf Google+ und Twitter schnell geschlossen. Bei Xing hingegen geht es sehr oberflächlich zu. Logisch, denn hier geht es allein um die berufliche Vernetzung. Kontakte über Facebook, Twitter & Co. sind meist von Anfang an sehr persönlich und immer per „Du“, von Kontakten über Xing bekommt man meist das klassische Anschreiben mit Lebenslauf und Lichtbild.

Kennst du Apps wie BranchOut oder BeKnown? Die funktionieren ja eigentlich ein bisschen wie Jobboards – BeKnown ist ja auch von Monster -, nur eben innerhalb von Facebook mit entsprechenden sozialen Features. Nutzt Ihr diese Apps? Taugt das aus deiner Sicht?

Nee die kannte ich jetzt gar nicht, wird‘ ich mir mal angucken, wenn Du meinst, dass die was taugen. Generell finde ich es wichtig, dass Empfehlungen für neue Kollegen aus unserem engeren Dunstkreis kommen. Empfehlungsmarketing ist nützlich, jedoch sollte das im engen Zirkel stattfinden.

Der Gesetzentwurf zum Arbeitnehmerdatenschutz sieht ja vor, dass es gar nicht mehr so ohne Weiteres möglich sein wird – oder sagen wir mal ´erlaubt´ – sich einen potentiellen Kandidaten in ´privaten´ Netzwerken näher anzuschauen. Würde es Euer Recruiting nicht vor ein unlösbares Dilemma stellen, wenn du zwar z.B. mit jemandem über Facebook befreundet bist, aber in dem Moment, wo er ein „Bewerber“ oder sogar Mitarbeiter wird, nicht mehr hingucken darfst?

Da es bei uns Grundvoraussetzung für neue Köpfe ist, in sozialen Netzwerken aktiv zu sein, ist es für mich auch völlig legitim, da nachzuschauen. Das geschieht ja auch immer im gegenseitigen Einvernehmen: Wenn bei mir eine Bewerbung auf dem Tisch liegt, ich die Person daraufhin bei Facebook adde, und sie mich dort annimmt, dann ist das kein verdecktes Ermitteln.

Davon abgesehen finde ich die Regelung total unsinnig. Man müsste dann auch verbieten, dass der Arbeitgeber sich per „Was hältst Du von dem?“ bei Bekannten oder alten Kollegen über den Bewerber erkundigt. Für mich ist es sehr entscheidend, wie sich jemand im Netz darstellt und gibt.

Was meinst du, wie sich das Thema in den kommenden Jahren weiterentwickeln wird? Wird alles „social“, also auch das Recruiting oder wird die Mitarbeitergewinnung über Social Media nur eine weitere Methode, ein weiterer Kanal?

Bei unserem beesocial #3 Event ging es um die Zukunft des Netzes. Frank Schmiechen von der WELT hat dort etwas sehr Wichtiges gesagt, nämlich dass in der Zukunft alles ohne digitale Entsprechung verschwinden wird. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass sich schon in fünf Jahren die Präsenz von Produkten im Social Web kaufentscheidend auswirken wird. Das lässt sich natürlich auch auf den Bereich der Mitarbeitergewinnung übertragen. Speziell für die frischen und wertvollen Köpfe wird es zur Voraussetzung werden, dass sich das Unternehmen, bei dem man sich bewirbt, im Social Web attraktiv darstellt. Wie im Marketing bleibt Social Media jedoch auch im HR-Bereich nur ein Teil eines gesunden Maßnahmenpaketes. Aus meiner Sicht jedoch ein sehr entscheidender.

Sven, ich danke dir für das Interview. Wir sehen uns dann bei beesocial #4?

Sehr gern, ein Event zum Thema Personalmarketing 2.0 hatten wir ja bereits: http://www.beebop.de/beesocial-2-social-media-recht-personalmarketing-2-0/.

5 Gedanken zu „Interview mit beesocial-Chef Sven Wiesner: Erfahrungen mit Social Recruiting aus erster Hand

  1. Die Twittnite in Hamburg ist nicht das Werk von Sven Wiesner, sondern von Cem Basman, dieser hat die Twittnite in Hamburg etabliert. Sven Wiesner hat nur ein paar Partys veranstaltet, die mit dem ursprünglichen Konzept der Twittnite nichts mehr zu tun hatten.

  2. Yep, korrekt. Ich mache dann auch demnächst mal ein Interview mit Cem. Wo steht denn, dass die twittnite Sven´s Werk gewesen sein soll? Leute, Ihr habt echt Sorgen. Mein Bac, dein Bac.

  3. Social Recruiting ist ein wichtiger Bestandteil der aktuellen Personalbeschaffung geworden. Toller Beitrag! Danke!!

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