Hochschulwahl ist Vertrauenssache: Beziehungsmarketing mit Self-Assessments

Die Leser des Recrutainment-Blogs kennen das ja schon: Von Zeit zu Zeit bitten wir externe Autoren um die Beisteuerung von Gastbeiträgen rund um die Themen eAssessment, SelfAssessment und webbasiertes Employer Branding. Heute freue ich mich sehr, dass wir Ulrich Künzel, Herausgeber der “Hochschulwebsite” gewinnen konnten, einen Artikel zum wichtigen Thema der Studienorientierung zu schreiben. Ich kann mich da nur wiederholen: Enmployer Branding und “Hochschulbranding”, Personalmarketing und Studierendenmarketing haben erheblich mehr miteinander zu tun als dies vielen Personalern bewusst ist. Wettbewerb um Köpfe herrscht hüben wie drüben. Von einander lernen kann helfen…

Ulrich Künzel, Herausgeber Hochschulwebsite
Ulrich Künzel, Herausgeber Hochschulwebsite

Hochschulwahl ist Vertrauenssache: Beziehungsmarketing mit Self-Assessments

Befragungen unter Oberschülern und Studienanfängern kommen regelmäßig zu dem Ergebnis: Bei der Studienentscheidung sind Fachwahl und Heimatnähe die herausragenden Motive. Für geringe Mobilität erscheinen jedoch pragmatische Erwägungen wie kostengünstiges Wohnen bei den Eltern zur Begründung nicht ausreichend. Besonders die Vorbehalte, die Studieninteressierte aus den alten Bundesländern regelmäßig gegenüber Hochschulen und Studienorten in den neuen Bundesländern äußern, zeigen: Oft fehlt es an Vertrauen, um sich auf eine neue Umgebung einzulassen.

Erklärungsbedürftige Angebote müssen vertraut gemacht werden.

Vertrauen, so Luhmann, sei ein soziales Phänomen der Gedächtniskonstruktion, durch das es  gelingt, aus einer unendlichen Fülle von Handlungsoptionen eine Entscheidung zu treffen. Denn das kognitive System ist in der Lage dazu, Sinnesreize zu selektieren und so die Unsicherheit über das nicht vorhersehbare Ergebnis einer Handlung zu minimieren – durch Erfahrungen aus ähnlichen Situationen, im besten Fall sogar mit den gleichen Interaktionspartnern.

Die Intensität des Selektionsvorgangs hängt vom Charakter der nachgefragten Leistung ab. Gemäß dem Marketingansatz der Nordic School gilt: Je erklärungsbedürftiger die Leistung ist, desto eher ist in ihrem Erwerb ein langfristiger, von zahlreichen vertrauensbildenden Interaktionen geprägter Prozess als eine einmalige Transaktion zu sehen.

Zur Verdeutlichung bietet es sich an, Produkte und Dienstleistungen allgemein als Werte zu betrachten, laut Meffert „Auffassungen von etwas Wünschenswertem“. Wie groß ein Wert ist, hängt vom Nutzen ab, der mit ihm verbunden wird – konkret: dem Potenzial, das dem Produkt oder der Dienstleistung beigemessen wird, die Differenz zwischen dem eigenen Status Quo und einem wünschenswerten Zustand zu verringern. Eine 2007 vom Centrum für Hochschulentwicklung CHE unter Oberstufenschülern vorgenommene Entscheidertypisierung zeigt, dass die mit einem Studium verbundene Wertvorstellung im Spektrum zwischen beruflicher Qualifikation bis zu persönlicher Selbstverwirklichung individuell sehr verschieden sein kann. Genauso vielfältig sind die mit dem Studium verbundenen Erwartungen an die Hochschule. Im Studium ist folglich ein komplexer, erst in Co-Produktion von Studierenden und Hochschulmitarbeitern geschaffener Wert zu sehen.

Wertschaffung durch Interaktion – über welche Kanäle?

Praktische Vorteile wie orts- und zeitunabhängige Verfügbarkeit sowie die Mediennutzung von Jugendlichen weisen darauf hin, dass die ersten Schritte des Vertrauensaufbaus über das WWW statt finden sollten. Zur Generierung von Aufmerksamkeit dienen z.B. Hochschulkampagnen, die attraktive Versprechen an Studieninteressierte abgeben. Dem Webauftritt der Hochschule fällt dann die Aufgabe zu, auf diese Versprechen einzugehen und sie im besten Fall zu bestätigen.

Die eingangs erwähnten Motive der Studienentscheidung legen nahe: Die Fachwahl sollte im Mittelpunkt stehen.

Virtuelle Self-Assessments eignen sich hierzu exzellent: Sie ermöglichen es, fachliche Informationen mit einer authentischen persönlichen Einladung zu verbinden. In Videos, Podcasts und Bildergalerien können der Fachbereich, die Umgebung und die mit dem Studiengang verbundenen Personen vorgestellt werden – Lehrende und studentische Testimonials. Zusätzlich lassen sich problemlos Schnittstellen zur Website der Studienberatung, zu Foren oder Gruppen in sozialen Netzwerken herstellen, in denen Studieninteressierte selbst Inhalte einstellen können. So stellen sie nicht nur für sich fest, ob sie der Studiengang interessiert und ob sie mit den fachlichen Anforderungen zurecht kommen; sie finden eine Antwort auf die alles entscheidende Frage: Werde ich mich hier wohl fühlen?

Dieses Bild gilt es im Verlauf des Studiums zu bestätigen, denn eingehaltene Versprechen entfalten nachhaltige Wirkung: Zufriedene Studierende gehören zu wichtigsten Multiplikatoren einer Hochschule.

Referenzen:

  • Beckmann, Julia / Langer, Markus 2009. Studieren in Ostdeutschland? Eine Empirische Untersuchung der Bereitschaft zum Studium in den neuen Ländern. Gütersloh
  • Bergler, Reinhold 2005. Identität und Image. in: Bentele, Günter / Fröhlich, Romy / Szyska, Peter 2005. Handbuch der Public Relations. Wissenschaftliche Grundlagen und berufliches Handeln. Wiesbaden. S. 346-360
  • Grönroos, Christian 2007. In Search of a New Logic for Marketing. Foundations of Contemporary Theory. Hoboken
  • Gummesson, Evert 1997. Relationship Marketing: von 4P zu 30R. Landsberg / Lech
  • Hachmeister, Cort-Denis / Harde, Maria / Langer, Markus 2007. Einflussfaktoren der Studienentscheidung. Eine empirische Studie von CHE und EINSTIEG. Gütersloh
  • Heine, Christoph 2008. Studienanfänger in den alten und neuen Ländern: Gründe der Hochschulwahl und Bewertungen der Regionen in West- und Ostdeutschland. Hannover
  • Herrmann, Viola / Winter, Martin 2009. Studienwahl Ost. Befragung von westdeutschen Studierenden an ostdeutschen Hochschulen. Lutherstadt Wittenberg
  • Kutteroff, Albrecht / Behrens, Peter / et al. 2009. JIM 2009. Jugend, Information, (Multi-)Media. Basisstudie zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland. Stuttgart
  • Luhmann, Niklas 1974. Vertrauen. Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität. Stuttgart
  • Meffert, Heribert 1998. Marketing. Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung. Konzepte – Instrumente – Praxisbeispiele. Wiesbaden

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