Völlig daneben oder funktionierendes Viral-Marketing? Recruitingvideo des österreichischen Bundesheeres

Seit ein paar Tagen geistern Kommentare zu einem Video durch die einschlägigen HR-Tweets, mit dem das österreichische Bundesheer Personalmarketing zur Nachwuchsrekrutierung betreibt. Vor einer inhaltlichen Würdigung, hier erstmal das Corpus Delicti:

Abgesehen davon, dass „War for Talent“ hier eine besonders zweifelhafte Doppeldeutigkeit bekommt, ist das Video auch nach allen gängigen Maßstäben zur Beurteilung der kreativen und handwerklichen Qualität schlichtweg als „katastrophal“ zu bezeichnen. Angefangen mit einem eher dämlichen Plot („verzichte auf die Spritztour im „flotten Flitzer“, komm zum Bundesheer – da kannst du Panzer fahren…“), einem unterirdischen Casting (kahlgeschorener Großraumdisco-Türsteher meets Haufen Landeier), einem Video-Schnitt auf Volkshochschulniveau bis hin zu einer zuweilen geschmacklosen Drift in sexistisch-chauvinistische Anspielungen (Zoom ins Dekolleté, ein Kerl mit vier Mädels, „Spritztour“, und am Ende laufen die vier Mädels dem mit dem „Größten“ nach usw.). Dass der Plot zudem auch noch eine quasi 1:1 Kopie eines Spots des ukrainischen Militärs ist, macht es auch nicht wirklich besser.

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Aus Marketingsicht jedoch stellt sich die Frage, ob den Österreichern hier nicht (unfreiwillig) ein hervorragendes Viral-Video gelungen ist. Der Spot ist inzwischen zwar nicht mehr „offiziell“ auf der Website des Bundesheeres (http://www.bmlv.gv.at/) einzusehen, aber es stellt sich eh die Frage, wieviel Reichweite er dort wohl erzielt hätte. Statt dessen wurde der Spot in der Zwischenzeit mehrfach von reichweitenstarken Websites (z.B. Bild.de, der Standard) und sogar im TV (RTL Nachtjournal) redaktionell verarbeitet, verbreitet sich munter über die Sozialen Netzwerke und hat es so sogar in die Viral Video Charts geschafft – mit mehr als 478.000 Abrufen in drei Tagen. Man nennt das „Buzz“.

Es darf bezweifelt werden, dass dieser Effekt gewollt war, als die „Macher“ das Video drehten. Aber es ist mindestens ein weiterer Beleg dafür, dass Kommunikation – auch die zur Rekrutierung – heute zuweilen anderen Gesetzen folgt als früher. Aber auch nach dem alten AIDA-Modell der Kommunikation gehört auch zu „Desire“ oder „Action“ am Anfang immer noch „Attention“. Die jedenfalls hat es gegeben…

4 Gedanken zu „Völlig daneben oder funktionierendes Viral-Marketing? Recruitingvideo des österreichischen Bundesheeres

  1. Ich bin sprachlos. Wobei: Welche Zielgruppe sprechen die jetzt eigentlich an? Oder anders herum: Wen wollen die zukünftig im Heer haben? Da graut es mir mehr als durch den Film…. ;-)))

  2. Ich finde den Beitrag sehr gelungen, da er mir einen neuen Blickwinkel auf das Thema eröffnet hat . Vielen Dank! Liebe Grüße aus Bremen, Leo

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