Design Thinking im Recruiting: Der ThinkHeads Recruiting Canvas unter der Lupe

Klar, wir selber bewegen uns doch eher im Bereich HR-Tech und der Erstellung von Recruiting-Tools. Aber zur Welt der Personalgewinnung gehört natürlich nach wie vor auch die gute alte Personalberatung, das Headhunting.

Die Verleihung des Headhunter of the Year im Juni hat mich veranlasst einmal zu mal schauen was die Branche aktuell für Themen hat und wer in diesem Jahr im Bereich Innovationen nachhaltig seinen Footprint hinterlassen kann.

Und siehe da – auch hier stehen alle Zeichen auf Digitalisierung.

Eine der Auszeichnungen in der Kategorie Innovation wurde jedoch interessanterweise vergeben für eine Lösung, die – zumindest auf den ersten Blick – selber kein Softwaretool ist. Das hat mich neugierig gemacht und war Grund für mich, mich mit den Gewinnern der ThinkHeads Personalberatung zu beschäftigen – ausgezeichnet für ihr ThinkHeads Recruiting Canvas.

Was kann das? Was ist das und welche Innovation steckt eigentlich dahinter?

Ein Canvas kennt der ein oder andere sicherlich. Das Business Model Canvas, entwickelt von Alexander Osterwalder, gehört wohl zu den bekanntesten Canvas Modellen weltweit. Das Tool dient dazu, Geschäftsmodelle zu visualisieren, zu testen und in unternehmerisch sinnvolle Zusammenhänge zu bringen. Das Modell hat sich ThinkHeads zu eigen gemacht und es mit Blick auf Recruiting neu entwickelt und entworfen.

Um besser zu verstehen, warum man dieses Tool braucht, habe ich mich mit der Initiatorin und Entwicklerin, Susann Klebig von ThinkHeads in Verbindung gesetzt.

Susann verantwortet bei ThinkHeads sowohl die Weiterentwicklung des Unternehmens als auch die Besetzung von Executive-Positionen in der Digitalbranche.

Vor jeder guten Idee steht meist ein Problem. Für Susann und ihre Kollegen, waren es die vermehrt einseitigen Briefings zu Positionen. Stellenprofile, das kennen wir alle, werden nicht ständig neu definiert. Wenn das Unternehmen einen neuen CMO oder Innovation Manager braucht wird eine Art Stellenprofil, ähnlich einer Stellenanzeige, verfasst. Maximal 6-8 Bulletpoints, die dann den Job und die Anforderungen beschreiben sollen. Detailliert kann man das nicht nennen.

Die Anforderungen gehen dann ihren Weg zum Recruiting und vom Recruting zu einem Headhunter. Wesentliche Informationen bleiben dabei auf der Strecke oder werden gar nicht erst aufgeführt. Ob Recruiting oder Personalberatung, beide Seiten sind schlecht informiert. Mit dem Weggang eines Kollegen verändern sich Unternehmensstrukturen und deren Positionen sowie die Anforderungen an den neuen Stelleninhaber. Auf diese Veränderungen gilt es zu reagieren und mit allen am Prozess beteiligten abzustimmen.

Angelehnt an einen Canvas entwickelten ThinkHeads ein Recruiting Tool für qualifizierte Briefings.

Ziel des Recruiting Canvas ist es herauszufinden, welche Führungskräfte und Spezialisten ein Unternehmen wirklich braucht. Dabei erarbeitet man gemeinsam eine klare, stimmige und umfassende Beschreibung der gesuchten Position. Und spätestens an dieser Stelle wird das Tool durchaus auch für die Beschreibung von Stellen interessant, die letztlich nicht über den Headhunter besetzt werden, denn die “Stille Post-Problematik” zwischen Recruiting und Hiring Manager, nun die kennen wir ja auch alle…

So, jetzt wollen wir aber auch sehen wie der Recruiting Canvas funktioniert:

Das Tool besteht aus einer zweiteiligen Betrachtungsweise. Zum einen die Unternehmensseite und zum anderen die Kandidatenseite. Beide Bereiche treffen in der Mitte aufeinander und ergeben ein schlüssiges Gesamtbild für die Vakanz.

Der Recruiting Canvas lebt von der Interaktion seiner Benutzer. Wichtigste Teilnehmer an dem Canvas sind Hiring Manager und HR Manager. Ein erfahrener Recruting Canvas-User ist Moderator der Gruppe und nimmt eine mehr passive Rolle ein.

Der Moderator führt durch den Canvas, stellt die richtigen Fragen und lässt die Teilnehmer visualisieren und testen. Für die Visualisierung dienen ein Canvas in der Größe A0, zum Anpinnen an die Wand, sowie adhäsive Post-its.

Durch die Interaktion und Visualisierung gewährleistet man, dass aus einem üblichen Briefing mit Frage-Antwort-Szenario ein dynamisches Storytelling entsteht.

Dabei gibt es 4 Phasen:

a) Erarbeiten der einzelnen Bereiche des Canvas (Ausfüllen von Notizzetteln und Anheften an den entsprechenden Bereich)

b) Gruppieren der Aufgaben („Key Activities“ im Canvas) in sinnvolle Blöcke

c) ein Briefing Review, bei dem der Moderator die Konsequenzen der einzelnen Bereiche auf andere genau beleuchten.

Das Briefing Review ist im Canvas links unten dargestellt: die Pfeile zeigen die Konsequenzen und Abhängigkeiten der einzelnen Bereiche untereinander auf, so dass man kritisch prüfen kann und soll, ob sich einzelne Aussagen widersprechen oder ob ein stimmiges Bild entsteht:

Consistency: sind Persona, Qualification, Education und Expectations stimmig und geben ein gemeinsames Bild?

Consequence: kann das Ausführen der Aktivitäten zu den Erwartungen führen oder gibt es einen Mismatch?

Enablement: befähigt die Position in der Organisation und die Ausstattung der Rolle dazu, die Aktivitäten erfolgreich umzusetzen? Kann man Blocker erkennen?

d) Digitalisieren des Canvas: Nach dem Briefingtermin wird der Canvas und die Ergebnisse digitalisiert und zur Abnahme an alle Teilnehmer geschickt.

Was gewinnt man durch den Canvas?

1. Man ist im Dialog mit den Fachabteilungen oder Kunden und arbeitet visuell auf einer gemeinsamen Fläche. Dadurch werden typische Fehler vermieden: „Briefingfallen“, die bei Frage & Antwort entstehen, wie z.B. das Überladen einer Position (wenn man viel fragt, bekommt man viele Antworten..). Zudem ist man bei neu entstehenden Positionen Sparringspartner mit den Stakeholdern und kann als erfahrener Berater oder Recruiter seine Expertise in die Position einbringen.

—> es entsteht ein gemeinsames, umfassendes (vielleicht auch holistisches) Bild der Anforderungen.

2. Dadurch, dass der Hiring Manager und Recruiting Manager selber aktiv sind, gewinnt man Commitment und Engagement

3. Das Briefing Review hilft Mismatches, zu hohe Erwartungen oder nicht kongruente Aktivitäten aufzuzeigen. Der Canvas fokussiert auf das, was eine Position wirklich im Kern ausmacht: die Aktivitäten und die Erwartungen.

Das Briefing Review zeigt Unstimmigkeiten auf, die später Aufwand & Kosten im passiven und Direct Search, in der Qualifikation sowie im Prozess kosten und fokussiert auf den Kern eines Briefings: Aktivitäten und Erwartungen. Ein erfahrener Moderator nutzt dies, um Anforderungen zu priorisieren und das Projekt vom einem typischen funktionalen Fit hin zum Arbeiten mit Talent und Potential zu drehen („skillset vs mindset“).

Wer kann das Tool verwenden?

In erster Linie verwendet es ThinkHeads für ihre Projekte mit Kunden, aber es spricht alle Hiring Manager und HR Verantwortlichen an. Das Tool verwenden mittlerweile auch viele von ThinkHeads Kunden für die interne wie externe Besetzung von Kandidaten.

Ist das Recruiting Canvas jetzt eine Innovation und lohnt sich ein genauerer Blick?

Auf jeden Fall! Was ich darüber gehört und gelesen habe fand ich sehr sinnvoll. Der holistische Ansatz und das Entwickeln von Stellenprofilen erspart einem nicht nur lästige Re-Briefings im Recruiting, sondern auch Zeit, Geld und nicht passende Profile. Und wie gesagt, das ist nicht nur etwas für´s Headhunting – die klare und präzise Beschreibung von Stellen ist in der gesamten Personalbeschaffung eine, wenn nicht die größte Baustelle. Ohne dies ist alles andere nichts (z.B. Stellenanzeigen…). Oder anders: Garbage in, Garbage out…

ThinkHeads entwickelt das Tool stetig weiter und will zukünftig verstärkt einzelne Bereiche herausheben. Ich bin gespannt was da noch kommt und werde es sicher im Auge behalten.

3 Gedanken zu „Design Thinking im Recruiting: Der ThinkHeads Recruiting Canvas unter der Lupe

  1. Ein super Ansatz, der sicherlich zu deutlich systematischeren Stellenausschreibungen und Auswahlverfahren führt!

    Noch ein Hinweis für alle, die sich ggf. über die Abhängigkeiten im Briefing Review wundern: Die Pfeile für “Consequence” und “Enablement” sind meines Erachtens in den Grafiken vertauscht. Enablement müsste grün sein, Consequence dunkelgrau.

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