BAYER setzt (humanoide) Recruiting-Roboter ein! Weltpremiere auf dem Absolventenkongress. Was geht da ab?

Dass der Absolventenkongress in diesem Jahr mit der einen oder anderen Neuerung aufwartet (Interview in the Dark, Robotics Cups, Hot Seat usw.), nun, darüber hatte ich ja kürzlich schon berichtet.

Und nun präsentiert eines der dort ausstellenden Unternehmen noch einen echten Knaller!

Da es sich dabei um eines meiner echten Leib- und Magenthemen handelt, darf der Bericht über diese “Weltpremiere” hier natürlich nicht fehlen.

BAYER besetzt seinen Messestand (auch) mit Recruiting-Robotern

Ja, richtig gelesen.

Es wurde und wird aktuell viel über den Einsatz von Bots- und Algorithmen im Recruiting geredet und bei dem einen oder anderen taucht dabei wohl auch das Bild echter “humanoider” Roboter vor dem geistigen Auge auf. Aber – so zumindest mein Eindruck zahlloser Vorträge, die ich dieses Jahr zu diesem Thema gehalten habe – für die meisten mutete das doch immer noch ein wenig nach (Science) Fiction an, in der realen Welt bestenfalls in Japan, China oder im Silicon Valley anzutreffen…

Falsch gedacht.

Was genau erwartet einen denn nun am BAYER-Stand auf dem Absolventenkongress? Was hat sich die Truppe um Bernd Schmitz und Heiko Schomberg da ausgedacht?

Am Stand von BAYER werden sich zusätzlich zu dem menschlichen Standpersonal vier humanoide Roboter um die Standbesucher kümmern.

Es handelt sich hierbei um zwei Exemplare des Typs “NAO” – “Betty” in rot und “Benny” in blau – sowie zwei “Pepper”-Modelle, die auf die Namen “Bonny” und “Bobby” hören werden.

Alle vier stammen aus dem Hause Aldebaran Robotics, einem französischen Roboterhersteller, der 2012 weitgehend vom japanischen Tech- und Internetriesen Softbank übernommen wurde.

Mit Robotern dieser Art kann man über verschiedene Wege kommunizieren. Die Roboter haben Mikrofone (im Mund…), Lautsprecher (in den “Ohren”) und Augen (da wo sie hingehören). Pepper trägt auch immer noch ein Tablet vor der Brust.

Am letzten Freitag habe ich z.B. auf Einladung der DGFP bei Trumpf in Ditzingen einen Vortrag gehalten. Direkt nach mir im Programm war Sven Semet dran, der sich als “Thought Leader” bei IBM intensiv um Watson kümmert. Sven hatte auch einen kleinen NAO dabei, der zum Beispiel über Bilderkennung in der Lage war zu sagen, wessen Bild man ihm gezeigt hat. Also: Kommunikation über Bild.

Ein anderer Kommunikationsweg ist Sprache. Und genau darüber kommuniziert man auch mit den vier BAYER-Bots.

Was tun Betty, Benny, Bonny und Bobby denn nun am Messestand von BAYER auf dem Absoko?

Nun, erstmal sind die vier Roboter sicherlich ein Blickfang und sorgen vermutlich für einige Neugier der Besucher. Doch das ist natürlich nicht der Hauptsinn- und Nutzen, nein, das Quartett steht bereit, um Standbesuchern Fragen über BAYER als Arbeitgeber zu beantworten – Wer ist BAYER? Wie funktioniert das Traineeprogramm? Wo kann ich mich bewerben? Wie läuft der Auswahlprozess ab? Was gibt es aktuell an offenen Stellen? usw.

Wer mal ein Gefühl dafür entwickeln will, wie so ein “Gespräch” aussehen kann, der kann in folgendem kurzen Videoclip mal reinlauschen, wie Bernd sich mit Bobby unterhält…

Die Qualität des mit den Robotern geführten Dialogs hängt natürlich davon ab, wie gut diese die ihnen gestellte Frage verstehen und natürlich auf welches “Wissen” sie zur Beantwortung zurückgreifen können.

Die gesamte “Intelligenz” der BAYER-Roboter für den Dialog liegt hierbei im sog. Bot Framework der Microsoft Azure Cloud, die “Übersetzung” zwischen den Fragen der Nutzer und den dann gelieferten Antworten lokal auf den Robotern bzw. erfolgt über verschiedene Schnittstellen (z.B. die Azure Language Analytics API und die Bing Speech API von Microsoft).

Man erkennt also: Die Roboter dienen vor allem dem Zweck, Standardfragen zu beantworten, die mehr oder weniger in jedem Gespräch auf der Messe wieder drankommen und so oft einen Großteil der verfügbaren Gesprächszeit fressen.

Durch die vier Roboter können also nun viele der Standardfragen schon beantwortet werden, bevor man dann mit dem Menschen am Stand ins Gespräch geht, wodurch sich das Gespräch dann den wirklich individuellen Fragen widmen kann. Auch kann der Dialog mit Betty, Benny, Bonny und Bobby ja schon laufen, während man z.B. darauf wartet, dass ein menschlicher Karriereberater frei wird. Und möglicherweise ist auch für den einen oder anderen die Hürde erstmal niedriger einen Roboter anzusprechen, bevor man sich dann zum “echten Menschen” traut.

Es geht mithin BAYER nicht darum, das menschliche Standpersonal durch humanoide Roboter zu ersetzen, sondern im Gegenteil darum, diese von zeitfressenden Routinen und Standards zu entlasten, um somit wieder mehr zeitliche Freiräume für individuelle Beratungsgespräche zu schaffen.

Wer hierbei an meine These der “neuen Menschlichkeit” eben DURCH den Einsatz von Maschinen denken muss, nun der liegt sicherlich nicht ganz falsch…

Dass hier jedenfalls einiges an Potential zu heben ist, zeigt der BAYER Case selber ziemlich eindrucksvoll: BAYER tritt jährlich auf ungefähr 70 Karrieremessen aus und führt dabei rund 24000 individuelle Gespräche mit im Schnitt 3,6 Minuten Länge und 12 Fragen…

Bots dienen nicht nur auf Messen, sondern auch auf der Karriere-Website

Wie oben schon angedeutet, liegen das Wissen und die Intelligenz der Roboter in der Cloud. Da ist es naheliegend, dass man dieses nicht nur über humanoide Roboter verfügbar macht, sondern auch über andere Touchpoints mit dem (potentiellen) Bewerber. Bei BAYER ist das konsequenterweise die Karriere-Website. Dort “spricht” man dann nicht mit Betty, Benny, Bonny oder Bobby, dort gibt es in Kürze einen Chatbot.

Entscheidend ist ja letztlich nicht das Interface, sondern die Qualität der Informationen, die einem die Maschine auswirft.

Nun, zu der kann ich aktuell noch nicht so viel sagen, aber vielleicht schafft es ja der eine oder andere meiner Leser am Donnerstag oder Freitag nach Köln zum Absolventenkongress (ich kann leider nicht, ich hole mir in Berlin den HR Excellence Award ab… ;-)), fühlt den “4 Bs” mal ein bisschen auf den Zahn und berichtet hier von seinen Eindrücken.

Es geht also (noch) gar nicht um die Frage, ob “Supercomputer unsere Recruiting-Probleme lösen“. Auf Sicht (vielleicht auch darüber hinaus) geht es darum, wie Bots und Algorithmen uns unterstützen, bessere Auswahlentscheidungen treffen zu können. Und das bezieht sich auf Unternehmen UND (potentiellen) Bewerber gleichermaßen…

7 Gedanken zu „BAYER setzt (humanoide) Recruiting-Roboter ein! Weltpremiere auf dem Absolventenkongress. Was geht da ab?

  1. Eine lustige Sache, so wie Chatbots auch. Und natürlich verstehe ich die Absicht, als First Mover für Aufmerksamkeit zu sorgen und für andere Aspekte zu lernen. Das finde ich legitim, nein mehr noch, richtig gut. Darum Kompliment an die Bayer Crew. Ich möchte aber doch noch einen anderen Blickwinkel ins Spiel bringen. Die zentrale – und oft bei all den Schwärmereien – ausgeklammerte Frage ist doch: Wollen die Bewerber/-innen das eigentlich? Willst Du, lieber Jo, im Flughafen mit einer Maschine sprechen oder mit einem Menschen? Magst Du Deine Suchmeldung nach einem verlorenen Laptop am Bahnhof mit einem Blechmenschen durchsprechen? Willst Du Dich von einem Roboter über ein neues Automodell informieren lassen? Ich nicht und ich glaube auch nicht, dass jenseits des zugegebenermassen grossen Spassfaktors (weil neu) ein Mensch wirklich gerne mit einem Roboter spricht – da hilft es auch nicht, wenn der Benny, Eva oder Jenny heisst. Was ich meine: Vielleicht sollten wir nicht nur daran denken, was technisch möglich ist, sondern zuallererst einmal daran, was unsere Kundinnen und Kunden eigentlich wollen… Herzlich Jörg (Disclaimer: Dieser Kommentar wurde von einem Menschen aus Fleisch und Blut erstellt :-))

  2. Lieber Jörg, damit hast du natürlich – wie eigentlich immer – absolut recht. Neben dem First Mover Effekt bringt es natürlich nichts, auf etwas zu setzen, nur weil es neu ist. Selbstverständlich muss bei allem immer die Frage im Vordergrund stehen, ob der Köder dem Fisch schmeckt und ob dieser ihm hilft (nicht dem Angler).
    Ich denke allerdings auch, dass man das nur herausfindet, wenn man es ausprobiert. Im frechmutigen Sinne im Zweifelsfall nicht auf Abseits, sondern für den Stürmer entscheiden… Denn ob dies der Zielgruppe gefällt und/oder hilft, darüber können wir uns alle immer sehr den kopf zerbrechen, wirklich wissen wird man es erst, wenn man es gemacht hat.
    Und: Ich sehe in der Automatisierung wie BAYER sie hier ausprobiert durchaus Nutzenpotential, und zwar insbesondere für den (potentiellen) Bewerber. Um bei deinen Beispielen zu bleiben: Mir hilft ein Auto-Konfigurator bei der Zusammenstellung meines persönlichen Wunschautos schon sehr viel weiter. Das Gespräch mit dem kompetenten Fachverkäufer führe ich dann – wenn noch nötig – danach. Und das sehr viel gezielter. Oder ein anderes Beispiel: Ich nehme herzlich gern den Chatbot, wenn ich eine Frage an meinen Telekommunikationsdienstleister richten will, wenn ich mir dadurch die Warteschleife erspare, um mit einem (oft mäßig freundlichen und kompetenten) Menschen zu sprechen. Erst wenn der Bot mir nicht mehr weiterhelfen kann, weil vielleicht mein Anliegen zu komplex ist, springt der Mensch ein.
    Dabei geht es mir gar nicht darum, dass dieser Bot irgendwie menschlich aussieht und Kulleraugen hat, mir geht es um die Qualität der Auskunft, die er mir gibt. Wenn die gut, macht das alles Sinn.
    Ich glaube, der Schlüssel liegt im Zusammenspiel aus Maschine (für die Standards und Routinen) und Mensch (für die speziellen Anliegen). So verstehe ich, neben allen First Mover Effekten, das Anliegen von BAYER… :-)

  3. Lieber Jörg,

    Du hast ein paar sehr, sehr gute Gedanken ausgespeichert. Uns geht es wirklich darum, neben dem Infotainment, Standardfragen via Bot zu beantworten, wenn man in der Schlange wartet, oder zukünftig auch online, um Zeit für die kniffligeren und individuelleren Anliegen zu gewinnen.

    Zur Kundenorientierung kann ich nur aus dem Bauch antworten:

    Ich kann Dir aus den diversen internen Vorstellungen nur zurufen, dass die Begeisterung riesig ist!!

    Sollte das Quartett morgen und übermorgen beim ersten externen Auftritt nur 50 Prozent der Aufmerksamkeit und Emotion auslösen, die sie bisher erzeugten, wird das ein Riesenerfolg.

    Und, ja, man kann sich wirklich umfassend informieren.

    Mehr am Freitag aus dem Zug, ich muss noch eine Präse für die #HREA17 fertig bekommen… ;-)

  4. Lieber Heiko, Lieber Gero, ich kann Eure Gedanken und Überlegungen durchaus nachvollziehen. Und die restlichen spannenden Fragen diskutieren wir dann Freitag bei einem Kännchen Öl… 🤣😬

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