Der TRM Expert Day bei Beiersdorf: Spannender Erfahrungsaustausch zu Active Sourcing & TRM

Active Sourcing, Social Media Recruiting, Talent Relationship Management – in Zeiten des demografischen Wandels und vielzitierten „War for Talent“ wächst das Bewusstsein, mit traditionellen Rekrutierungsmethoden dem künftigen Bedarf an gut ausgebildeten Fach- und Führungskräften kaum mehr gerecht werden zu können. Ansätze, die lediglich auf die Besetzung akuter Vakanzen abzielen und „alte“ Kontakte fallen lassen, sind im Kampf um die Besten alles andere als zukunftsfähig. Vielmehr müssen neben den Grundgedanken des Employer Brandings und Personalmarketings Konzepte her, die innovatives Recruiting, das sich mehr und mehr vertrieblich versteht, und nachhaltige Bindung vereinen: Active Sourcing und Talent Relationship Management (TRM).

Doch wo finde ich die „Richtigen“? Wie spreche ich sie an? Wie binde ich sie dann wirksam und langfristig an mein Unternehmen, wenn aktuell keine passenden Positionen angeboten werden können? Was sind erfolgsversprechende Maßnahmen – sowohl im Recruiting als auch im TRM – die mich von der Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt unterscheiden? Und was bedeuten die Antworten auf diese Fragen nicht zuletzt für interne Prozesse und die strukturelle Aufstellung des HR-Bereichs?

Am vergangenen Dienstag hat der Bereich Talent Relationship Management der Beiersdorf AG zusammen mit XING und Promerit ca. 40 Unternehmensvertreter zum TRM Expert Day nach Hamburg geladen. Wir hatten die Ehre, mit einem Ohr dabei sein und den spannenden Erfahrungsaustausch begleiten zu dürfen. Auf dem vielseitigen Programm, durch das Prof. Dr. Armin Trost der FH Furtwangen führte, standen Fachvorträge unterschiedlicher Referenten:

Monica Wertheim, Vice President Employer Brand / Strategic Recruiting der E.ON AG, berichtete von ihren Erfahrungen und strategischen Ansätzen im Bereich der Rekrutierung und Bindung von Professionals, insbesondere Ingenieuren. Was sind Maßnahmen, durch die sich insbesondere diese Zielgruppe angesprochen und auch an E.ON gebunden fühlt? Welche neuen Wege sind vielversprechend? Wie ist ein Konzern wie E.ON strukturell aufgestellt, um neue Maßnahmen entwickeln und dann auch umsetzen zu können?

Rechtsanwältin Nina Diercks, Vielen sicherlich bekannt als Betreiberin des Social Media Recht Blogs, ging in ihrem Vortrag auf die (datenschutz-)rechtlichen Aspekte der Kandidatenansprache und des TRM ein. Im Mittelpunkt ihrer Präsentation stand die Frage, welche rechtlichen Gesichtspunkte mit dem Erheben, Speichern, Verarbeiten und Nutzen von Daten potenzieller Kandidaten, die heute zunehmend aktiv vom Unternehmen angesprochen werden (müssen), verbunden sind. Ein gleichermaßen komplexes wie auch spannendes Thema, nicht zuletzt vor dem Hintergrund noch nicht erfolgter Rechtssprechung.

Henriette Jansen aus dem Personalmarketing und Recruiting von PWC referierte über ihre Erfahrungen mit dem Praktikantenbindungsprogramm KIT (“Keep In Touch”), über das tatsächlich ein nicht unerheblicher Teil der Neueinstellungen von Hochschulabsolventen realisiert wird. Ein Aspekt dieses Programms ist die Organisation von Fach- und Soft-Skill-Seminaren für ehemalige Praktikanten. Technisch wird die Betreuung des Programms für die Recruiter dadurch erleichtert, dass eine Schnittstelle zwischen dem Recruiting-Tool und der KIT-Software existiert.

Kerstin Rouhi (Project Leader bei Promerit) und David Vitrano (Marketingleiter eRecruiting bei XING) beleuchteten abschließend neue Möglichkeiten der technischen Integration von Social Media und Talent Relationship Management. Im Vordergrund stand die Frage, wie existente Daten aus sozialen Netzwerken für das TRM verfügbar gemacht werden können.

Ganz besonders diskussionsanregend war der von Prof. Dr. Armin Trost angestoßene „Brainwalk“ zu Themen wie „Maßnahmen und Formen der Kandidatenansprache“, „Mobilisierung der Fachbereiche“ und „TRM Systeme“. Der sich hieran anschließende Erfahrungsaustausch förderte interessante und vielversprechende Ideen bzw. Thesen zutage und warf wichtige Grundsatzfragen auf:

Sowohl für das Recruiting als auch das TRM wurde eine individuelle, persönliche und wertschätzende Ansprache für grundlegend erachtet. Auch ist die gefühlte Exklusivität der Kontaktaufnahme oder Bindungsanstrengung sicherlich ein Faktor, der für den Erfolg der Maßnahme eine hohe Relevanz hat. Im Fokus der Diskussion stand aber vor allem auch die Frage nach der Zielgruppenspezifität: Lassen sich Ansätze und Inhalte von Praktikantenbindungsprogrammen eins zu eins auch auf das Relationship Management von Professionals übertragen? Lassen sich Ingenieure und BWLer mit identischen Anreizen ködern? Wohl kaum. Ein wichtiger Schlüssel kann hier unter anderem sicherlich die intensive Beschäftigung mit den Interessen und Neigungen der Zielgruppe sein, also eine umfassende Analyse: Wie „ticken die“? Was fasziniert sie?. Das Thema ist das „A und O“, sodass der Grundgedanke von Career Events wie etwa Seminaren und Kaminabenden, Coachings oder Online-Communities für Studenten/Hochschulabsolventen und Professionals gleichermaßen funktionieren kann, sofern die Ausrichtung tatsächlich an den individuellen Bedürfnissen ansetzt. „Personalized“ und „customized“ muss die Maßnahme sein, und sie darf nicht inflationär eingesetzt werden, sonst nutzt sie sich ab, so der Tenor. Das gilt übrigens auch für das Sourcing: So findet man Mechatronik-Ingenieure möglicherweise mit höherer Wahrscheinlichkeit in einem Fachforum als in einem Business-Netzwerk wie XING oder LinkedIn. Für Wirtschaftswissenschaftler sieht die Welt da schon anders aus. Auch um eine Differenzierung innerhalb einer Gruppe wird man nicht herum kommen, denn die Interessenspektren des Chemie- und des Offshore-Wind-Ingenieurs haben sicherlich nicht nur Schnittmengen. Wo hält sich die Zielgruppe physisch oder im Netz (auch in ihrer Freizeit) auf? Wo liegen persönliche und fachliche Interessen und Leidenschaften? Diese gilt es, herauszufinden – im persönlichen Dialog wie im Web.

Auch vor diesem Hintergrund ist die enge Zusammenarbeit zwischen den Fachbereichen und der HR-Abteilung essentiell. Denn hier sitzen die, die gesucht werden. Doch wie lassen sich die Kolleginnen und Kollegen ergebnisorientiert einbinden? Fehlt die intrinsische Motivation, bei der Nachwuchsbeschaffung mit „anzupacken“, sind Top-Down-Ansätze oder Incentives zur Unterstützung im TRM oder im Bereich der Mitarbeiterwerbung denkbar.

Ist damit der Recruiter von morgen vielmehr ein Vertriebler, der mit dem Einmaleins der Kaltakquise bestens vertraut ist? Vielleicht. Sicherlich ist ein Ausbau der Akquisekompetenz im Recruiting-Team (vielleicht auch im Sinne der Beschäftigung unternehmenseigener Headhunter) ein wichtiges „Rüstzeug“ im „War for Talent“. Beim Aufbau und bei der Pflege eines Talent Pools sowie der Mobilisierung der Fachbereiche stehen aber sicherlich vor allem auch andere Kompetenzen im Vordergrund.

Fazit: Welche Strategie im Recruiting und Talent Management die „Richtige“ ist, muss tatsächlich jedes Unternehmen für sich selbst beantworten, um ein angemessenes Change Management anzustoßen – zu unterschiedlich sind die Bedürfnisse, Strukturen und Kulturen. Aber: Um eine intensive Auseinandersetzung mit diesen Themen, den eigenen Werten und grundlegenden strategischen Schritten müssen sich all die bemühen, die im „War for Talent“ bestehen wollen – und dabei sicherlich eine gewisse Veränderungsbereitschaft an den Tag legen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert