Nun ja, der Nachname legt es ja schon nahe – Nina ist meine Frau. Aber uns verbindet seit einiger Zeit auch ein gemeinsames professionelles Interesse am Thema Social Media – bis dahin, dass wir gelegentlich sogar gemeinsam Vorträge zu diesem Themenbereich halten.
Nina hat sich als Rechtsanwältin vor einiger Zeit auf die rechtlichen Aspekte des Social Web spezialiert und dürfte hier – u.a. mit ihrem Social Media Recht Blog – wohl zu den meistgehörten oder gelesenen Stimmen im deutschsprachigen Web gehören.
Wie ich aus unseren Projekten bei CYQUEST weiß, fließen rechtliche Fragestellungen zunehmend auch in die tägliche Arbeit von Recruitern, Personalmarketern und Employer Brandern ein, speziell wenn es um Soziale Medien geht. Grund genug für mich, Nina um ein Interview zu bitten und – wenn man so will – unsere täglichen Diskussionen am Abendbrotstisch öffentlich zu machen. Los geht´s…
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Hallo Nina,
du hast dich vor knapp zwei Monaten selbständig gemacht. Dein Thema ist “Social Media Recht” – was muss man sich konkret darunter vorstellen?
Auf jeden Fall keinen dicken Wälzer, auf dem in goldenen Lettern „Social Media Recht“ steht. Den gibt es nicht. Ein rechtsfreier Raum, wie viele meinen, besteht aber auch nicht. Vielmehr stellt das Social Media Recht eine „wilde“ Querschnittsmaterie aus dem Datenschutz-, Telemedien-, Urheber-, Wettbewerbs-, Marken-, Persönlichkeit-, allgemeinen Zivilrecht und, wenn wir bspw. an Social Media Guidelines denken, auch dem Arbeitsrecht dar. Das Recht zum Web 2.0 ist eben genauso bunt und komplex wie die vielfältige Welt der sozialen Medien – erstreckt sich meine Arbeit doch von der Beratung zu datenschutzrechtlichen Fragen, über die juristische Begleitung von Social Media Kampagnen, Lizenz- und Agenturverträge, gar die „klassischen“ Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Ja, auch die Nutzungsbedingungen für Facebook-Apps oder die Teilnahmebedingungen einer Community sind AGB) bis schließlich hin zu den Social Media Guidelines.
Allerdings würde ich dann doch behaupten, dass das „Social Media Recht“ nur halb so erschlagend wie das ethority-Prisma auf den Betrachter wirkt. ; -)
Okay! Heißt dass, dass du uns allen den Spaß an Social Media nehmen willst, weil es dabei so viele rechtliche Stolpersteine gibt?
Nein, auf gar keinen Fall. Zunächst sollte sich der geneigte Anwender (und/oder gar der, der noch ein wenig ängstlich auf die digitalen Welten blickt) vor Augen führen, dass jede Form der Kommunikation und des Marketings rechtliche Stolpersteine bildet, die oben genannten Rechtsgebiete existieren schließlich nicht erst seit gestern. Der Unterschied ist bloß der, dass kein erfahrener Marketeer oder Personaler auf die Idee käme, eine großangelegte TV- oder Printkampagne über die Kanäle zu schicken, ohne dass Legal einen Blick darauf geworfen hätte. Im Bereich Social Media ist das immer noch eher die Regel – es ist ja „nur“ dieses, äh, Social Media. Und dann ist die Verwunderung groß, wenn es doch zur rechtlichen und/oder kommunikativen GAUs kommt – etwa weil Mitarbeiter in der Blog -Kommunikation mit Usern Kommentare freischalten oder gar selbst abgeben, die das Datenschutz- oder das Persönlichkeitsrecht verletzen. Zugegeben, das geht schneller als zu Zeiten des Postbriefs, aber neu ist das eben nicht. Also, keine Angst vor neuer Kommunikation.
Ist dein typischer Mandant dann ein “Dot.Com” bzw. ein Unternehmen aus dem Online-Marketing oder behandelst du auch Fragen aus dem HR-Bereich? Wenn ja, in welcher Form?
Dreimal ja. Mein typischer Mandant ist jemandem an, der eine Geschäftsidee hat, die ich auf juristische Tragfähigkeit prüfe. Aber ebenso ein Venture-Capital finanziertes Start-Up, deren Geschäftsmodell ich in Verträge gieße, wie die (hochspezialisierte) Marketing-Agentur, deren Daily Business ich berate. Und schließlich Personalabteilungen des klassischen deutschen Mittelstandes oder HR-Agenturen im weitesten Sinne. In welcher Form ich letztere berate? In allen oben genannten Fragen. Da ist der Testimonial-Vertrag zur Einholung des Einverständnisses der Mitarbeiter bei Videodrehs/Fotoshootings genauso dabei, wie die Prüfung von Agenturverträgen oder die Beratung von datenschutzrechtlichen Aspekten beim Bewerberverfahren auf der Corporate-Site.
Mal konkret: Recruiter stehen ja zunehmend vor der Frage, ob und wenn ja wie sie Soziale Netzwerke eigentlich benutzen dürfen, um aktiv nach Kandidaten zu suchen oder Bewerber zu screenen. Was gilt es dabei zu beachten?
Die derzeit gültige Daumenregel lautet, dass die Informationen, die vom Recruiter erlangt werden, einerseits öffentlich zugänglich, also über Google zu finden sein müssen. Und andererseits die erlangten Daten für den Bewerbungsprozess „erforderlich“ sein müssen. Welch dehnbarer Begriff, nicht wahr? Faktisch ist aber kaum ein Fall denkbar, in dem die Durchsicht bspw. eines persönlichen Profils zur Begründung des Beschäftigungsverhältnisses „erforderlich“ ist. Denn auch von den wildesten privaten Party-Fotos mit eindeutigem Alkoholkonsum kann nicht geschlossen werden, dass der Kandidat nicht die nötige Zuverlässigkeit oder persönliche Eignung für den in Rede stehenden Job hat – gleich welcher Job das sein sollte.
Schließlich bleibt die Einwilligung des Kandidaten. Würde ein Personaler bspw. eine Bewerbung bekommen, die Links zu einem (beruflich) relevanten Blog, die zum Blog korrespondierende Facebook-Seite sowie weiteren Social Media Accounts Einladung, so wäre dies wohl eine ganz offensichtliche Einladung, sich die diese Seiten anzusehen. Das Vorliegen einer Einwilligung ließe sich also gut verargumentieren. Hier läge das auch klar im Interesse des Bewerbers – Stichwort Personal Branding bzw. Reputationsmanagement.
Darüber hinaus ist derzeit der Entwurf zum Beschäftigtendatenschutzgesetz im Gesetzgebungsverfahren (da liegt er allerdings schon ganz schön lange…), anderen auch als „Lex Facebook“ bekannt. Laut Entwurf soll nun „durch klarere gesetzliche Regelungen […] die Rechtssicherheit für Arbeitgeber und Beschäftigte erhöht werden“. Nun ja, berühmt ist das BDSG bislang nicht für seine klaren gesetzlichen Regelungen… Wer sich dafür weiter interessiert, darf gerne die Analyse in meinem Blog lesen, auf die ich hiermit gerne verweise (Lex Facebook – Was ist da eigentlich dran?; Update: Lex Facebook – Was ist da eigentlich dran?)
Anderes Beispiel: Die Facebook Karriereseite ist gebaut. Jetzt sollen die Fanzahlen steigen und man denkt über ein Gewinnspiel nach? Problemlos oder doch nicht so einfach?
Solange die wettbewerbsrechtlichen Vorgaben für Gewinnspiele und vor allem die Nutzungsbedingungen von Facebook beachtet werden ist alles kein Problem. Das heißt zum Beispiel, dass das Gewinnspiel nur in einer App und nicht auf der Facebook-Wall stattfinden darf… Ansonsten kann Facebook gerne einmal gniezig werden und das teuer aufgesetzte und mit viel PR angekündigte Gewinnspiel gerne einmal ganz freundlich von der Seite „schmeißen“. Ein ggf. teurer und kommunikativ auch nicht gerade schöner Umstand.
Spannend, offensichtlich steckt da rechtlich ja doch eine ganze Menge drin… Du wirst am 22. November einen Vortrag beim CYQUEST Praxisseminar halten? Worum wird es da gehen?
In die hier genannten Themen und noch ein paar weitere werde ich anhand praktischer Beispiele einen Einblick in die Rechtslage geben. Dabei geht es jedoch nicht um den mahnenden Zeigefinger, sondern darum mit konstruktiven Lösungen weiterhin viel Spaß mit Social Media zu haben! Deswegen lautet der Titel meines Vortrags auch: Keine Spaßbremse, sondern wichtige Leitplanke – worauf ist rechtlich bei der Umsetzung von Social Media Maßnahmen zu achten?
Nina, ich danke für deine Zeit und drücke dir für das weitere Wachstum deiner Kanzlei natürlich weiterhin beide Daumen.
Danke, aber wenn da mal nicht handfestes Eigeninteresse bei Dir im Spiel ist… ; -)
Nette Hinweise! Ich werde mich damit in Zukunft mehr auseinandersetzen! Freue mich auf weitere Eintraege!