Arbeitswelten virtuell erleben. Berufsorientierung im Metaverse – das Beispiel Campus Schule-Wirtschaft Rottweil

Wer den Recrutainment Blog verfolgt, der weiß, dass uns das Thema „Berufsorientierung“ wirklich sehr am Herzen liegt, nicht nur, weil das Finden des passenden Berufs beim passenden Unternehmen die persönliche Zufriedenheit steigert, sondern auch weil darin einer der Schlüssel zur Bewältigung des Arbeitskräftemangels liegt. Je besser es passt, desto performanter wird jemand in der Tätigkeit sein und desto weniger wird er geneigt sein, ständig des Job wechseln zu wollen.

Bessere Orientierung nimmt also Druck vom Recruiting.

Es ist unter anderem das Thema Berufsorientierung, worin ich eine sehr sinnvolle Verwendungsform für das Metaverse sehe, ermöglichen doch solche virtuelle Welten sehr immersive Einblicke in Berufsrealitäten und Tätigkeiten. Nicht nur, dass Interessierte darüber Einblicke erhalten können, wann immer sie wollen (24/7) und (von) wo immer sie wollen, sondern es können darüber auch Einblicke gewährt werden, die man ansonsten so gar nicht ohne weiteres erhalten kann.

In unserem in ein paar Tagen erscheinenden Buch Recrutainment habe ich das so beschrieben:

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Für alle Herausforderungen, die sich für Arbeitgeber daraus ergeben, potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern berufliche Realitäten möglichst transparent und realistisch zu vermitteln, z.B. zu Zwecken der Berufsorientierung oder im Sinne des (…) Self-Assessments, bietet das Metaversum nahezu unlimitierte Möglichkeiten: Virtuelle Rundgänge, Praktika, Übungen, Simulationen, Missionen, all das kann in multisensualer und immersiver Form bereitgestellt werden; ein wahrhaft Realistic Job Preview.

Im Rahmen der Fremdauswahl, also der Personalauswahl durch das rekrutierende Unternehmen, bietet das Metaversum die Möglichkeit, beobachtungsbasierte Beurteilungsverfahren, z.B. solche, die heute oft in Auswahltagen und Assessment Centern gebündelt werden, virtuell durchzuführen. Kandidat und Assessoren treffen sich im Metaversum und dort werden Gruppendiskussionen, Rollenspiele, Interviews und Tests durchgeführt. Im Gegensatz zu heutigen Formen der virtuellen Diagnostik ist es hierbei jedoch möglich, quasi real an Problemstellungen zu arbeiten. Man kann also etwa auch Geschicklichkeit bei der Verrichtung handwerklicher Tätigkeiten direkt überprüfen, indem man einer Kandidatin z.B. einen Werkzeugkasten bereitstellt, aus dem diese sich den passenden Schraubendreher nehmen und die richtige Schraube in das richtige Gewinde drehen muss oder (…) ein Bauteil in einem dreidimensionalen Bauplan „bewegt“.

Doch nicht nur das. Da das Metaversum keine physikalischen Limitierungen hat, können auch Arbeitsproben abgenommen werden, die in der realen Welt zu teuer, zu aufwendig oder zu gefährlich wären: Die Azubi-Bewerberin für eine Ausbildung zur Windenergietechnikerin auf ein 280 Meter hohes Windrad mitten in der Nordsee stellen und sie bitten, eine Schraube festzudrehen? Im Metaversum geht das.

Auch aus diesen Überlegungen heraus haben wir dem Thema Metaverse auf der #HREdge23, die am 02.03.23 in Hamburg stattfindet einen entsprechend großen Raum eingeräumt… So wird uns z.B. Alexander El-Meligi, Gründer und GF der Innovationsagentur Demodern seine Sicht auf aktuellen Stand und zukünftige Chancen des Metaverse vorstellen, genauso wie Nils Meyer, Alexander Wichelhaus und Ann-Kathrin Hof von EY über erste Babysteps in Decentraland inkl. einer Menge Lessons Learned berichten werden. Leider ist die #HREdge23 ausverkauft, aber man sich auf die Warteliste setzen lassen und mit etwas Glück nachrücken…

Nun dass all die oben beschriebenen Gedanken keine rein theoretischen Überlegungen mehr sind, zeigt sich nicht nur daran, dass es seit kurzem sogar einen Ausbildungsberuf für das Metaverse gibt – „GestalterIn für immersive Medien„, sondern auch das Beispiel, das ich heute einmal vorstellen will…

Und zwar stammt dies vom Campus Schule-Wirtschaft der Region Rottweil, einer gemeinnützigen eingetragenen Genossenschaft, deren Ziel es ist, Kinder und Jugendliche an Themen der Arbeitswelt heranzuführen.

Auf Basis einer durch die Hamburger Spezialisten von VRtual X realisierten Plattform wird hier eine virtuelle Begegnung zwischen Unternehmen einerseits und (potentiell) interessierten jungen Menschen andererseits ermöglicht – jeweils vertreten durch eigene (und selbstgestaltete) Avatare, wie das im Metaverse halt so ist…

Dabei können Berufsinhalte sprichwörtlich zum Anfassen präsentiert werden, z.B. wenn an sog. Job-Simulatoren Werkstücke bearbeitet werden…

…und Aufgaben zu bearbeiten sind…

In virtuellen Rundgängen und unternehmensspezifischen Showrooms können Einblicke in die Arbeitsumfelder und Tätigkeitsbereiche der jeweiligen Unternehmen gegeben werden.

Wurden alle Stationen erfolgreich absolviert, erhält man eine Trophäe und kann (hier in Form eines virtuellen Papierfliegers) Kontakt zu den beteiligten Unternehmen aufnehmen.

Hier kann man sich das auch einmal in Videoform ansehen.

Ich habe das selber einmal ausprobieren können und war ziemlich beeindruckt, trotz der natürlich noch vorhandenen Flaws. Die in Wahrheit 37 Minuten, die ich mich in diesem Metaverse sehr angeregt mit dem (physisch in Heidelberg) ca. 700 km entfernten Sven unterhalten habe, fühlten sich wie etwa 20 Minuten an – ein deutlicher Indikator für Flow. Die Darstellungsqualität ist zwar nicht fotorealistisch aber doch recht „echt“. Die Möglichkeit, mit Dingen interagieren zu können, macht das im wahrsten Sinne zu einem „Erlebnis“. Man konsumiert ja nicht nur Inhalte, sondern interagiert mit diesen.

Ich glaube zwar nach wie vor, dass das Metaverse einfach noch nicht seinen „iPhone-Moment“ hatte, d.h. der Durchbruch zur allgemeinen Verwendung oder gar zum Web 4.0 scheitert immer noch an der zu aufwendigen und sperrigen Hardware, aber in Beispielen wie diesen wird meines Erachtens das Potenzial erkennbar und der Weg geebnet für einen sinnvollen Umgang mit dieser neuen Welt.

Die Entwicklung kann ja jeder auch bis zum einem gewissen Grad mit beeinflussen. Wenn also HR bspw. Metaverse-Lösungen zur beruflichen Orientierung anbietet, kann dies eine sinnvolle Anwendung des Gedankens hinter dem Metaverse sein.

Noch andere Ideen? Probiert diesen Case und andere Anwendungen vor Ort aus und lasst uns gern auf der #HREdge23 weiter darüber diskutieren.

5 Gedanken zu „Arbeitswelten virtuell erleben. Berufsorientierung im Metaverse – das Beispiel Campus Schule-Wirtschaft Rottweil

  1. Eine echte Schraube – im echten Leben – auf einem echten Windrad – auf hoher See – soll 1 zu 1 im Metaverse abgebildet werden können?

    Wie das haptisch gehen soll ist mir ein Rätsel.

  2. Ja, aktuell geht das so sicher noch nicht massentauglich. Aber in Simulatoren geht das natürlich schon länger. Und Dinge greifen, Dinge irgendwo einsetzen, das geht auch jetzt schon mit recht einfachen Metaverse-Anwendungen. Ob es so kommt, weiß ich auch nicht. Aber mE. kann man dieses Szenario schon sehr gut „erahnen“.

  3. Hi Udo, ich wusste irgendwie, dass das kommt… ;-) Über den def. Rahmen „des“ Metaverse kann man wahrscheinlich endlos philosophieren. Auch darüber, ob es über „DAS“ Metaverse gibt oder ob es nicht unendlich viele sind oder sein werden. Das Gute ist: Wir werden ja in vier Wochen ausgiebig die Möglichkeit haben, das zu diskutieren – bei der #HREdge23. Und da werden dann ja auch verschiedene Spezialisten vor Ort ihre Sicht auf das Thema vorstellen sowie verschiedene Anwendungen zum Ausprobieren bereitstehen – u.a. der Rottweiler Campus…

  4. wow – klasse gemacht. Das Video gibt einen guten Einblick in die VR Anwendung. Ich bin damals zu Vorträgen der IHK gegangen. Eine Hochschule war auch dabei und zeigte, wie man Lichtbogen produziert. Mit 15 Jahren genau das richtige, wenn man keine Lust mehr auf Schule hat.

    Das Arbeitsamt hatte so Fragebögen zum Ankreuzen. Und ein super dickes Buch, mit Kurzbeschreibungen der Berufe, mit den Anforderungen und Aussichten. Kameramann war zum Beispiel eine Ernüchterung. Astronaut fehlte, glaube ich.

    Heute halte ich Girls’Day und Boys’Day zur Berufsorientierung für sinnvoll.

    Und die Betriebe hatten kleine Anzeigen in der Tageszeitung: Ausbildungsplatz zum xy . Bewerbung bis xy…

    Da ist so eine Präsentation wirklich angenehmer. Wirklich tolle Idee!

    LG

    Ralf

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