Jobinterviews über Skype: unzulässig. Zeitversetzte Video-Interviews: rechtswidrig. Lt. Datenschutzbehörden. Wie jetzt?

Wenn man mit einer der führenden Datenschutz-Expertinnen Deutschlands verheiratet ist, gehört es je nach Betrachtungsweise zu den Vorzügen oder Nachteilen, dass man regelmäßig mit juristischen Problemen konfrontiert wird, von denen “Otto-Normal-Ich-Benutze-Gern-Meinen-Gesunden-Menschenverstand-Verbraucher” denkt:

“Das kann ja wohl unmöglich so gemeint sein!”

So auch heute als mir die werte Gattin einen Link in die Mailbox steckte, der zu einem Beitrag auf der Website Datenschutzbeauftragter.info leitete mit dem Titel

Vorstellungsgespräch per Skype ist datenschutzrechtlich unzulässig

In dem Beitrag geht es um die sog. “2016er Tätigkeitsberichte” der Datenschutzbeauftragten der Länder Berlin und Nordrhein-Westfalen, in denen man sich unter anderem der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit moderner Bewerberauswahl-Verfahren widmet. Konkret ging es hierbei um Video-Interviews über Skype, um zeitversetzte Videointerviews und um den Einsatz von Sprachanalysesoftware.

Dem aufmerksamen Recrutainment Blog-Leser fällt auf: Ja, alle drei Themen haben wir hier, hier, hier oder hier natürlich schon (mehrfach) behandelt.

Beim Überfliegen des Artikels heißt es dabei u.a.:

Die Aufsichtsbehörden sehen bei den vorliegenden Sachverhalten keine Rechtsgrundlage für eine Datenerhebung mittels moderner Kommunikationstechnik. Die datenschutzrechtliche Zulässigkeit folgt weder aus § 32 Abs. 1 BDSG, noch kann sie mit einer Einwilligung des Bewerbers begründet werden.

Spätestens da war ich wach.

Also im Klartext: Nee, diese Instrumente darfste nicht benutzen, weil sie nicht erforderlich sind. Jedenfalls dann nicht, wenn keine Einwilligung vorliegt. Und Einwilligungen können quasi nicht wirksam erteilt werden.

Geht´s noch?Das ist ob der inzwischen immensen Bedeutung derartiger Tools (okay, Sprachanalyse nicht, aber mindestens von Video-Interviews) ein echter Schlag ins Kontor.

Das hieße in letzter Konsequenz, dass zahlreiche Unternehmen ihre Bewerbungsprozesse wieder komplett umkrempeln müssten. Das hieße auch, dass Bewerber, die sich möglicherweise aktuell gerade in Australien aufhalten und ggf. nicht willens sind für das Erstinterview 15000 Flugkilometer für ein Face-to-Face-Interview in Kauf zu nehmen, dann nur telefonisch interviewt werden dürften oder eben gar nicht interviewt werden.

Ich meine, da monieren die Datenschutzbehörden den Einsatz von Skype für Job-Interviews und auf der anderen Seite bietet die wahrscheinlich größte Behörde Deutschlands – die Bundesagentur – einen Chatbot über WhatsApp an, noch dazu gerichtet an Schüler, also Minderjährige… Muss man nicht verstehen…

Nun, die Sache ist – wir reden hier ja über Jura – nicht so einfach und es gibt wohl auch ein wenig Licht am Ende des Tunnels. Denn wie immer: Hmm, tja, das kommt darauf an. Worauf genau? Das übersteigt meinen juristischen Sachverstand deutlich.

Und hier wiederum ist es für den Recrutainment Blogger überaus praktisch, eine Haus-und-Hof-Juristin zu haben, die selber von dem Thema so angezündet war, dass der Freitagabend im Hause Diercks nun eben vom fleißigen Verfassen von HR-Jura-Blogartikeln geprägt war.

Wer also eine juristische Einschätzung zu der Frage sucht, ob denn die Skype- oder Viasto-Interviews denn nun wirklich sofort eingestellt werden müssen oder wie und unter welchen Umständen diese möglicherweise doch zulässig sind, dem sei dringend ans Herz gelegt, eine gute Viertelstunde des langen Wochenendes zu investieren und sich Ninas Beitrag

Datenschutzbehörden bewerten Einsatz von Skype und zeitversetzten Video-Interviews in Personalauswahlverfahren grundsätzlich als unzulässig

zu Gemüte zu führen.

In diesem Sinne: Einen fröhlichen Tanz in den Mai!

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Nachtrag 01.05.2017:

Der Berliner Anbieter und Pionier der zeitversetzten Video-Interviews viasto hat aus gegebenem Anlass eine erste Stellungnahme auf dem Unternehmensblog und der Facebook-Seite des Unternehmens veröffentlicht. viasto wirbt darin nachdrücklich für eine differenzierte Betrachtung der Angelegenheit, ein Wunsch, dem ich mich dringend anschließen möchte.

Die Erklärung ist hier im Volltext nachzulesen.

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Nachtrag 08.05.2017:

Auch das Unternehmen cammio, wie viasto auf zeitversetzte Videos spezialisiert, hat nun Stellung zu der Angelegenheit genommen. Das Statement wurde nicht veröffentlicht, sondern zunächst an Kunden herausgegeben.

Deshalb habe ich das Statement, das mir cammio CEO Walter Hueber zugeschickt hat, nun hier im Originalwortlaut veröffentlicht:

Aufgrund der aktuellen öffentlichen Diskussion ausgelöst durch die Tätigkeitsberichte der Landesdatenschutzbeauftragten in Nordrhein-Westfalen und Berlin möchten wir im Folgenden erläutern wieso die Nutzung von Cammio in keinerlei Widerspruch zu den aktuellen Datenschutzrichtlinien steht sowie gemäß der aktuellen europäischen und deutschen Rechtsprechung zulässig ist.

Unsere Software wird von zahlreichen deutschen und internationalen Organisationen erfolgreich im Rahmen der Personalauswahl verwendet. Unter anderem nutzt die EU (European Personnel Selection Office) Cammio bei der Auswahl geeigneter Mitarbeiter für den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Natürlich müssen Unternehmen insbesondere in Deutschland gewisse Bedingungen für die Nutzung erfüllen. Cammio ist dafür sowohl technisch als auch organisatorisch und gesetzlich gut ausgestattet. Unsere Plattform folgt den höchsten internationalen Standards für Datenschutz. Cammio wurde bereits im Rahmen der General Data Protection Regulation / GDPR (Verordnung 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates) zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, die ab den 18. Mai 2018 in Wirkung tritt, geprüft und akkreditiert.

Die Tätigkeitsberichte lassen erkennen, dass seitens der Behörden hohe Anforderungen an die Erforderlichkeit und Freiwilligkeit videogestützter Auswahlverfahren gestellt werden. Hier kommt es natürlich immer auf den konkreten Einzelfall an aber grundsätzlich möchten wir unterstreichen, dass Video Recruitment nicht als Hürde für Bewerbende verstanden werden darf, sondern als zusätzliche Möglichkeit sich optimal zu präsentieren. Ebenso wenig limitiert es den Zugang zum Bewerbungsprozess, da Video-Interviews erst als Folgeschritt nach der ersten Bewerbungsbemühung mit Motivationsschreiben und Lebenslauf eingesetzt werden. Den Bewerbenden wird freigestellt, ob Sie ein Video-Interview absolvieren oder eine alternative Möglichkeit, wie bspw. die schriftliche Beantwortung der Fragen, wählen. Da eine Zeit- und Aufwandsersparnis alleine noch keine Datenerhebung rechtfertigt, müssen vor allem umfangreiche Schutzmaßnahmen für die Bewerbenden getroffen werden. Entsprechend werden diese umfassend über die Details sowie den Zweck der Datenspeicherung informiert und darüber in Kenntnis gesetzt, wer Zugriff auf die Daten haben wird. Die Bewerbenden haben außerdem zu jedem Zeitpunkt die Möglichkeit, ihre Aufnahmen wieder löschen zu lassen, neben der gesetzlich vorgeschriebenen automatischen Löschungsfrist. Da innerhalb der Tätigkeitsberichte darauf verwiesen wird, dass Skype-Interviews Sicherheitslücken aufweisen, weil Server in den USA genutzt werden, sei darauf verwiesen, dass Cammio Daten deutscher Bewerber auf einem Server in Frankfurt speichert.

Personenbezogene Daten dürfen zu Beschäftigungszwecken erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist. Wenn ein Video-Interview explizit die Auswahlkriterien benennt und andere Kriterien ausschließt wird § 32 Abs. 1 BDSG eingehalten. Fragen nach Ausbildung, bisherigem Werdegang, fachlichen Fähigkeiten, Kenntnissen und Erfahrungen sind erlaubt.

2 Gedanken zu „Jobinterviews über Skype: unzulässig. Zeitversetzte Video-Interviews: rechtswidrig. Lt. Datenschutzbehörden. Wie jetzt?

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