“Social Media Kommunikation ist kein Praktikantenjob”. Abstract der Studie “Handlungsempfehlungen zum Employer Branding im Social Web”

Dem geneigten Recrutainment Leser ist das natürlich schon lange bekannt: Wir bemühen uns stets aktuelle Entwicklungen (denen eine gewisse Schnelllebigkeit innewohnt kann) mit den längeren Linien der Wissenschaft zu verbinden.

Vor diesem Hintergrund forschen wir nicht nur selber, kooperieren mit einer Reihe von Hochschulen und Wissenschaftlern und lassen regelmäßig Bachelor-, Master und Diplomarbeiten bei uns verfassen, sondern wir stehen auch sehr häufig als Gesprächs- und Sparringspartner zur Verfügung, wenn etwa Bachelor- oder Masteranden auf uns zutreten und um Unterstützung ihrer Abschlussarbeiten bitten.

So war es auch als im Frühjahr Elena Leichtfuß auf mich zukam, die sich auf den letzten Metern ihres Masterstudiums in Corporate Communication an der Hochschule Fresenius befand und ihre Masterarbeit der Erforschung der Frage, “wie eigentlich Employer Branding im Social Web” aussehen müsse” (nachdem sich nach der Goldgräberstimmung zu Beginn des Jahrzehnts inzwischen bei vielen Unternehmen diesbzgl. doch eine gewisse Ernüchterung eingestellt hat) widmete.

Inzwischen hat Elena nicht nur ihr Studium als Jahrgangsbeste abgeschlossen (Glückwunsch!!!), sondern ihre Masterarbeit

“Handlungsempfehlungen zum Employer Branding im Social Web”

wurde auch als eBook veröffentlicht. Das ist – ich kann es nur sagen – sehr lesenswert. Da ich mir aber vorstellen kann, dass nicht nur ich, sondern auch viele unserer Leser der “tl;dr-Fraktion” angehören (“too long, didn´t read”), habe ich Elena gebeten, eine Abstract-Version ihrer Arbeit anzufertigen. Wer daraufhin Feuer gefangen hat, der kann sollte sich anschließend die Studie in Gänze zu Gemüte führen.

Nun aber genug der Anmoderation. Elena, deine Bühne!

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Handlungsempfehlungen zum Employer Branding im Social Web

Um realen Forschungsbedarf für die Praxis zu identifizieren, wurde vor der Konzeption der Masterarbeit ein Experten-Gespräch mit Christoph Athanas, Geschäftsführer von metaHR , geführt. Das Forschungsziel ist Handlungsempfehlungen zu entwickeln, welche die Effektivität des Employer Branding im Social Web steigern.

Der Fachkräftemangel und die Bedürfnisse neuer Mitarbeitergenerationen erfordern einen umfassenden Ansatz, um Mitarbeiter und potenzielle Mitarbeiter für ein Unternehmen zu begeistern. Das Employer Branding liefert das ganzheitliche Konzept dafür. Im War for Talent empfinden Unternehmen einen Arbeitgeberauftritt auf Social Media-Plattformen als notwendig, um junge Talente anzuziehen. Deutsche Unternehmen nutzen Facebook als zentrale Social Media-Plattform. Seitdem der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) 2012 in zehn Thesen zu der Zukunft von Social Media postulierte, dass sich die Kommunikation im Social Web zum Employer Branding durchsetzt, hat sich der Einsatz von Social Media langsam etabliert. Jedoch sind die zuständigen Abteilungen sowohl in Konzernen als auch in kleinen und mittelständigen Unternehmen (KMU) noch nicht ausreichend mit den neuartigen Anforderungen vertraut. Die Kanäle werden vielfach von Mitarbeitern ohne tiefgehendes Fachwissen zur strategischen Kommunikation im Social Web betreut. Dies schlägt sich in einem unausgeglichenen Verhältnis von Fan-Anzahl und Interaktion nieder.

Theorie

Social Media-Kommunikation ist ein anwendungsorientiertes Fachgebiet – thematisch liegt der Fokus also auf der Anwendung und der Relevanz für die Praxis. Der Theorie-Abschnitt beinhaltet die Social Media-Strategie von Bruhn, um die strategische Basis für die Studie zu schaffen. Der Schwerpunkt der Theorie ist die Erfolgskontrolle, welche in der Praxis oftmals noch eine zurückgesetzte Rolle genießt. Um langfristig gesehen die Social Media-Kommunikation effektiv einzusetzen ist sie jedoch erfolgskritisch.

Die Arbeit greift das Prinzip der kriterienbasierten Qualitätssicherung aus der Medieninformatik auf. Sie ermöglicht eine differenzierte Stärken- und Schwächen-Analyse bereits im Entwicklungsstadium. Kriterienbasiertes Vorgehen schafft somit einen verbindlichen Rahmen, der dabei hilft Schwachstellen zu reduzieren. Dieses Prinzip wird auf die strategische Kommunikationsplanung und -kontrolle übertragen.

Da der Forschungsansatz neu ist und die Qualitätskriterien der Entwicklung nicht auf dynamische Kommunikationsprozesse übertragbar sind, wird für die Studie ein spezifischer Kriterien-Katalog für das Employer Branding im Social Web erstellt.

Forschungsfragen

Die Arbeit ist in zwei Forschungsfragen unterteilt. Im ersten Schritt werden mittels sechs Experten-Interviews Kriterien für effektives Employer Branding im Social Web identifiziert.

Frage 1: „Welche Kriterien für effektives Employer Branding im Social Web gibt es?“

Die Erkenntnisse aus den Interviews werden als Kriterien-Katalog zusammengefasst. Der Katalog dient als Leitfaden für die kriterienbasierte Kommunikationsanalyse. Da L’Oréal derzeit Benchmark in puncto zielgruppengerechter Ansprache von Absolventen ist, wird die arbeitgebergetriebene Social Media-Präsenz des Kosmetikkonzerns L’Oréal analysiert. Dies stellt den zweiten Forschungsschritt dar. Final werden die Handlungsempfehlungen abgeleitet.

Frage 2: „Welche Handlungsempfehlungen lassen sich durch die kriterienbasierte Kommunikationsanalyse für den Einsatz der Social Media-Kommunikation ableiten?“

Für die Studie wurden bewusst nicht die Erfolgsfaktoren der prominent platzierten wissenschaftlichen Arbeit „Erfolgsfaktoren des Employer Brandings [sic] im Bereich der Social Media“ verwendet. Weber ermittelt in ihrer Arbeit auf Basis von klassischer Marketing-Literatur Erfolgsfaktoren für das Employer Branding und wendet diese anschließend auf das Social Web an. Die von Weber ermittelten Erfolgsfaktoren gehen nicht auf die spezifischen Anforderungen des Social Web ein, da sie aus dem klassischen Marketing stammen.

Diese Arbeit verfolgt den Anspruch, eine Basis für die Analyse zu schaffen, die sowohl den Anforderungen des Employer Branding als auch denen des Social Web gerecht wird. Aus diesem Anspruch leitet sich auch die Hypothese ab, welche etabliertes Vorgehen in der Praxis überprüfen soll.

Hypothese 1: Kriterien aus dem klassischen Employer Branding lassen sich nicht auf das Employer Branding im Social Web übertragen.

Methode

Als Methode wurden halb-standardisierte Leitfaden-Interviews gewählt. Wodurch die Vergleichbarkeit der Interviews gewährleistet wird und die Experten trotzdem umfassend Raum für Ausführungen und Beispiele haben. Der Forschungsansatz erfordert eine qualitative Erhebung, da die Befragten über tiefgehendes Wissen aus beiden Fachbereichen verfügen müssen. Die ausgewählten Experten zeichnen sich durch umfassende Praxiserfahrung aus und genießen in der Branche ein gewisses Renommee.

Für die Interview-Führung wird auf Fragetechniken aus dem Bachelor-Studium in Online-Journalismus zurückgegriffen. Den Experten werden einfach formulierte und pointierte Fragen gestellt, welche verständliche und klare Antworten begünstigen.

Zunächst beantworten alle Experten eine zweidimensionalen W-Frage nach Kriterien für effektives Employer Branding im Social Web. Anschließend wurde mittels einer mehrdimensionalen W-Frage die persönliche Gewichtung der genannten Kriterien eingefordert, damit die Experten die Antwortebenen verknüpfen müssen. Die Interviews sind zwischen dem 29.04.2016 und dem 07.06.2016 geführt worden.

Ergebnis

Die Ergebnisse der Interviews sind in einem Kriterien-Katalog aufbereitet. Jedes Kriterium wird durch eine Kombination der Experten-Aussagen definiert.

Der Kriterien-Katalog dient als Richtlinie für die Struktur der Analyse und die Definitionen der Kriterien als Kennzahlen, woraufhin der Social Media-Auftritt gescannt wurde. Die Definitionen sind zu Beginn jedes Analyse-Abschnitts aufgeführt, um den unmittelbaren Abgleich zwischen Vorgabe und Analyse zu gewährleisten.

Beispielsweise lautet die Definition des Kriterium K „Erlebbare Unternehmenskultur“:

  • Darstellung von internen Besonderheiten
    • Umgang der Mitarbeiter untereinander
    • vorhandene Räumlichkeiten
    • die potenzielle zukünftige Arbeitswelt erlebbar machen
  • Rezipienten ermöglichen die „Weste des Unternehmens“ überzustreifen/ den „Geruch“ des Unternehmens zu riechen
  • Anreize zur Reflektion schaffen, ob das Unternehmen die passende Wahl ist
    • unpassende Bewerberzahl reduzieren
    • Candidate Experience
  • Identifikation

Das Prinzip der kriterienbasierten Qualitätssicherung der Medieninformatik hat sich als übertragbar erwiesen. Anhand des Kriterien-Katalogs konnte eine gezielte Qualitätskontrolle durchgeführt werden. Ein spezifischer Kriterien-Katalog für effektives Employer Branding im Social Web existierte bis dato nicht. Diese Forschungslücke konnte mit dieser Studie geschlossen werden. Der qualitative Forschungsansatz ermöglicht jedoch nur einen subjektiven Ausschnitt des allgemeinen Fachwissens. Weiterer Forschungsbedarf ist insbesondere in Bezug auf Kriterien für die Content-Kreation erkennbar.

Die Hypothese Kriterien aus dem klassischen Employer Branding lassen sich nicht auf das Employer Branding im Social Web übertragen konnte weder eindeutig bestätigt noch widerlegt werden. Die genannten Kriterien sind überwiegend Qualitätskriterien für Kommunikation im Allgemeinen. Unterschiede gibt es bei der inhaltlichen Aufbereitung der Kommunikation und bei Kriterien, die sich auf den Rückkanal (Dialog/Feedback) beziehen. Der überwiegende Teil der Experten gab an, dass die Qualitätskriterien im Social Web in einem noch höheren Maße gelten. Die differenzierten Experten-Meinungen zu Hypothese 1 verdeutlichen das Spektrum der dazugehörigen Fachdiskussion. Die Methode des Übertragens von klassischen Qualitätskriterien aus dem Marketing auf das Social Web wird somit aber auch nicht eindeutig bestätigt.

Fazit

Unter Berücksichtigung der Theorie und Forschung sowie der Expertenmeinungen und der Erkenntnisse aus der Analyse kann geschlussfolgert werden, dass der Ursprung von ausbleibenden Erfolgen vielschichtig ist.

Digitale Kompetenzen bilden sich in deutschen Unternehmen nur sehr langsam aus. Dies begünstigt den erfolglosen Einsatz der Social Media-Kommunikation. Schwerfällige Strukturen, mangelnde digitale Kompetenzen sowie starre und langfristig angelegte Branding Modelle können mit der Dynamik des Social Web nicht effektiv genug Schritt halten. Ohne umfassende Digital-Strategie werden ausschließlich Insellösungen geschaffen, die dem Anspruch auf integrierte Kommunikation nicht gerecht werden.

Um langfristig gesehen wirtschaftlich erfolgreich zu bleiben, müssen deutsche Unternehmen Strategien entwickeln, die ihnen dabei helfen den Nutzen der Digitalisierung vollständig auszuschöpfen, anstatt nur punktuell anzusetzen.

Durch die Fallstudie konnten vier zentrale Handlungsfelder identifiziert werden, die sich von der Fallstudie auch auf andere Unternehmen übertragen lassen:

  1. Die arbeitgebergetriebene Social Media-Kommunikation verfolgt das Ziel Fachkräfte für das Unternehmen zu begeistern. Derselbe Anspruch auf qualifizierte Fachkräfte sollte auch für das intern zuständige Team gelten. Social Media-Kommunikation ist ein weiteres ernstzunehmendes Instrument der strategischen Unternehmenskommunikation – und kein Praktikantenjob.
  2. Das Social Web erfordert ein hohes Zielgruppenverständnis. Bei der Kanal-Auswahl muss abseits des Standards gedacht werden. Das Experimentieren mit neuen Kanälen differenziert vom Wettbewerb, welcher derzeit überwiegend auf Facebook vertreten ist. Die ausschließliche Konzentration auf Facebook ist nicht spitz genug für eine effektive Zielgruppenbearbeitung. Die Zielgruppe muss dort abgeholt werden, wo sie sich präferiert aufhält und nicht dort wo der Wettbewerb vertreten ist. Der Social Media-Manager ist dafür zuständig Mitläufereffekte zu verhindern. Entscheidungsträger, die sich unter Zugzwang sehen, müssen mit effektiveren Konzepten überzeugt werden.
  3. Die Content-Strategie muss fortlaufend an die Zielgruppenpräferenzen angepasst werden. Eine Community formt sich um zielgruppenrelevante Inhalte, die nicht ausschließlich die Interessen des Unternehmens widerspiegeln. Der Fokus im Social Web liegt auf den Inhalten, die die Zielgruppe lesen, sehen und hören will und nicht auf Inhalten, die das Unternehmen der Zielgruppe mitteilen möchte. Inhalte durch die ein Informations- und Unterhaltungsnutzen entsteht fördern den Aufbau einer festen Gefolgschaft. Ergänzend dazu muss das Posten der Inhalte zu den Zeiten stattfinden, in denen die Zielgruppe online ist, damit die Nutzer die Chance haben die Inhalte wahrzunehmen und mit ihnen zu interagieren. Das sind Grundvoraussetzungen für das Community-Building.
  4. Je nach Produktportfolio des Unternehmens kann die Wechselwirkung zwischen der Produkt- und der Arbeitgebermarke genutzt werden. B2C-Unternehmen mit hohem Endkundengeschäft können von Synergien der Arbeitgeber- und Produktkommunikation profitieren.

Das Employer Branding im Social Web ermöglicht den direkten Bindungsaufbau mit den relevanten Zielgruppen. Darüber hinaus ist durch den Netzwerkcharakter eine einfache, schnelle und günstige Informationsdiffusion möglich, welche Aufmerksamkeit für die Arbeitgebermarke generiert – über die zu rekrutierende Zielgruppe hinaus.

Die Investition in technik- und internetaffine Fachkräfte im Social Media-Team führt zu einer klaren Differenzierung vom Wettbewerb und fördert ein prägnantes und erkennbares Arbeitgeberprofil. Langfristig gesehen zieht der souveräne und offene Umgang mit neuen Technologien digitalkompetenten Fachkräften an, die das Unternehmen gewinnbringend in die Digitalisierung führen.

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3 Gedanken zu „“Social Media Kommunikation ist kein Praktikantenjob”. Abstract der Studie “Handlungsempfehlungen zum Employer Branding im Social Web”

  1. Sehr geehrter Herr Diercks

    Wenn ich das richtig verstanden habe wurden in dieser Studie strukturierte Befragungen/Interviews durchgeführt. Eine Hypothese lautet:

    Hypothese 1: Kriterien aus dem klassischen Employer Branding lassen sich nicht auf das Employer Branding im Social Web übertragen.

    Sehr interessante Hypothese. Doch die Tests oder Resultate welche Sie präsentieren zeigen nicht genau, wie diese Hypothese mit den Daten getestet wurde.

    Anhand des Blogbeitrages wurde die Nullhypothese abgelehnt. Wie das aber gemacht wurde – d.h. mit welchen Teststatistiken – ist mir nicht klar.

    Da würde ich liebend gerne genaueres wissen. Können Sie mir helfen?
    Danke
    Freundlichst
    Urs

  2. Hallo Herr Gattiker,
    vielen Dank für Ihr Interesse.

    Die Erhebung war qualitativ – somit wird hier nur ein subjektiver Ausschnitt aufgezeigt. Das Integrieren von Hypothesen bei einer qualitativen Arbeit war vom Erstbetreuer nicht gefordert. Da mich jedoch diese häufig in der Praxis verwendete Methode allerdings sehr interessiert hat, habe ich sie trotzdem kurz mit angerissen. Kritische Reflexion der Ergebnisse finden Sie in der vollständigen Studie.

    Liebe Grüße,
    Elena Leichtfuß

  3. Liebe Frau Leichtfuss
    Danke für die Antwort. Ich hoffe Sie können Diese auch noch in unserem Blog unten angeben: http://blog.drkpi.de/?p=6889/#comments

    Vielleicht wäre es besser zu sagen dass auch diese eine Forschungsfrage war welche sie untersuchten. Und klar, qualitative Forschung ist super, nur Hypothese heisst man nutzt Statistik… Aber niemand würde ja behaupten wollen das es Statistiken braucht… in Explorationsstudien sicherlich nicht.

    Auf jeden Fall, gratuliere! Sehr interessant.

    Ich habe nach der gedruckten Version des Buches gesucht… aber das gibt es anscheinen nur elektronisch. Ich hoffe sie beschäftigen sich mit diesem interessanten Thema auch in der Zukunft

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