Was Azubis wirklich wollen… Z.B. geduzt werden. Und nach Persönlichkeit, nicht Schulnoten, ausgewählt werden…

In schöner Regelmäßigkeit widmen wir uns der Frage, wie eigentlich gutes “Azubimarketing” aussehen sollte. Dabei ist natürlich zum einen entscheidend, wie die Zielgruppe selber das sieht. Wichtig ist aber auch ein etwaiger Abgleich mit der Sicht der Unternehmen, bzw. der in diesen Unternehmen für die Nachwuchsgewinnung verantwortlichen Personaler.

Daher habe ich mir nun auch einmal die Studie “Azubi-Recruiting-Trends 2016” genauer angesehen. Das besondere an dieser Untersuchung ist nämlich genau diese “Doppelperspektive”, denn die Azubi-Recruiting-Trends” fragen sowohl Schüler, Azubis und Ausgebildete (immerhin dieses Mal 3343) und Ausbildungsverantwortliche (stattliche 1295 aus 20 Branchen) und stellen die Daten dann nebeneinander.

Was ist rausgekommen?

Sinn schlägt Geld…

Tja, irgendwie ein Klassiker der gängigen Stereotypen über die sog. GenZ, aber es scheint doch irgendwie auch ein Körnchen Wahrheit dran zu sein. “Eine sinnvolle Tätigkeit auszuüben”, ist den jungen Menschen im Rahmen ihrer beruflichen Karriere am wichtigsten. “Immer mehr zu verdienen” kommt erst auf Platz vier.

Azubi_Recruiting_Trends_Sinn_schlägt_Geld

Nun, das mag daran liegen, dass die meisten der hier befragten sich sicherlich auch noch nicht abschließend und vollumfänglich um ihre ökonomische Absicherung kümmern müssen, weil sie eben oft noch vom Elternhaus (mit-)finanziert werden. Aber egal warum, es ist offenbar so, dass Sinnargumente gegenüber rein pekuniären besser ziehen. Eine nicht unwichtige Erkenntnis für das Azubimarketing…

Interesse schlägt Geld…

Fast noch spannender finde ich die Bestätigung dessen, was ich hier ja schon ewig predige: Bei der Wahl des Ausbildungsberufs kommt es jungen Menschen vor allem auf “Interessenpassung” an!

Azubi_Recruiting_Trends_Interesse_schlägt_Geld

Es ist ja gerade ein paar Tage her, dass ich über den Einsatz von Matchingverfahren, speziell zum Aspekte Interessenpassung berichtet habe (“Gibt´s da nicht ´ne App für?“). Da wir ja an ganz harten Zahlen sehen können, dass allein unseren Interessentest pro Jahr über 200.000 junge Menschen zur Berufs- und/oder Studienorientierung nutzen – wenn man so will also eine Art “Abstimmung mit den Füßen” – überrascht mich dieses Befragungsergebnis der Azubi-Recruiting-Trends nicht.

Gute Verdienstmöglichkeiten liegen auf jeden Fall deutlich weiter hinten in der Bedeutung…

Liebe Unternehmen, macht Euch also dringend einen Kopf um die Frage, wie Ihr das Interessenmatching verbessert bekommt. Immerhin scheinen zwar auch viele Ausbildungsverantwortliche das inzwischen verstanden zu haben, aber für ganz so wichtig wie die Zielgruppe hält man diesen Punkt aktuell noch nicht, wie ein Abgleich beider Perspektiven zeigt…

Azubi_Recruiting_Trends_Interesse_schlägt_Geld_Abgleich

Nähe zum Wohnort ist wichtig, aber nicht sooo wichtig…

Sehr spannend ist auch die Frage nach den Faktoren, nach denen der Ausbildungsbetrieb ausgewählt wird. Der Klassiker “nach der Nähe zum Wohnort” ist zwar nach wie vor wichtig (aus Sicht der Zielgruppe neben “Wunsch-Ausbildungsberuf wird angeboten” auch am wichtigsten), aber die Nähe zum eigenen Wohnort ist offenbar weit weniger entscheidend als die Ausbildungsverantwortlichen glauben.

Azubi_Recruiting_Trends_Faktoren_Auswahl_Unternehmen

Auch die Bekanntheit und der Ruf des Unternehmens, also Merkmale, die speziell Employer Branding- und Azubimarketing-Verantwortliche immer sehr stark betonen (wahlweise als Asset oder Liability… ;-)), sind hingegen weit weniger wichtig aus Sicht der Zielgruppe.

Du oder Sie?

Tja, spätestens seit vor einigen Jahren Social Media bzw. die dortige Kommunikation mit der Zielgruppe aufkam, kam auch die Frage des “Duzen-oder-Siezens” auf. Einige Unternehmen haben diese Frage ja inzwischen unter großem Mediengetöse quasi per Dekret entschieden (OTTO, Lidl) – dort duzt man sich jetzt – aber viele sind hier noch sehr wenig trittsicher.

Schaut man in die “Azubi-Recruiting-Trends” findet sich dieser Eindruck auch bestätigt, wenngleich ich auch herauslese, dass der Trend auch bei den Unternehmen klar zum “Du” geht.

Azubi_Recruiting_Trends_Du_oder_Sie

Na mal schauen, vielleicht schaffen wir in Deutschland dann ja auch irgendwann das Siezen ganz offiziell ab, so wie in Schweden

Schulnoten versus Testverfahren

Der letzten Punkt, den ich aus der Azubi-Recruiting-Trends gesondert herausgreifen möchte, ist ebenfalls eine Herzensangelegenheit, handelt es sich dabei doch um eines der DER (DAS?) Kernthemen bei CYQUEST:

Der Einsatz von Testverfahren bei der Auswahl von Ausbildungsplatzbewerbern.

Dabei finden rund 60% der befragten Bewerber und Azubis es gut oder sehr gut, wenn Unternehmen ein Testverfahren anstatt von Schulnoten einsetzen.

Azubi_Recruiting_Trends_Test_vs_Schulnoten

Die Unternehmen hinken hier noch (deutlich) hinterher; die Zustimmung zu Tests (statt Noten) liegt hier nur bei rund 44%.

Also liebe Unternehmen, es gibt nicht nur überaus stichhaltige methodische Argumente dafür, die Bedeutung von Schulnoten bei der Erstselektion deutlich zu reduzieren und stattdessen auf (gute, valide, faire) Auswahltests zu setzen (zum Nachlesen gern einmal einen der meistgelesenen Artikel hier im Blog aufrufen: “Warum die Bahn bei der Azubi-Auswahl nicht mehr (so stark) auf Schulnoten setzt. Und es gute Gründe dafür gibt…” klicken), sondern Ihr rennt damit bei der Zielgruppe auch eine offen Tür ein!

Die Akzeptanz gegenüber diesen Verfahren ist hoch. Auf jeden Fall höher als gegenüber der Alternative Schulnoten…

Persönlichkeit!

Dazu passt dann auch ganz gut, dass der junge Nachwuchs im Rahmen der Auswahl gern nach der Persönlichkeit beurteilt würde (neben anderen Merkmalen wie Leistungsfähigkeit).

Azubi_Recruiting_Trends_Persönlichkeit

Hierzu gibt es hier zwar keine Einschätzung, inwieweit Unternehmen, diesem Wunsch schon entsprechen, aber meine persönliche Erfahrung – wir haben diese Thematik ja oft im Rahmen der Anforderungsanalyse für einzuführende Online-Assessments – sagt mir, dass hier auf Seiten der Unternehmen durchaus noch Nachholbedarf besteht.

Für die Azubi-Auswahl könnte und sollte das möglicherweise bedeuten, insgesamt die Bedeutung von Schulnoten zu reduzieren und die Bedeutung von Messverfahren (auch zur Persönlichkeit) zu erhöhen.

Wer Interessen an der Studie hat, der kann diese direkt beim Herausgeber u:form für eine Schutzgebühr von 10 Euro, die zudem direkt der Initiative JOBLINGE (gegen Jugendarbeitslosigkeit) e.V. zu Gute kommen, bestellen.

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