Alle sind sich irgendwie einig, dass Recruiting in der Zukunft anders aussehen muss und wird als man es aus der Vergangenheit kannte. Den berühmten „Waschkorb“, zu dem sich der Recruiter „Lotto-Fee-gleich“ herunterbeugt, um den glücklichen Kandidaten herauszuangeln, gibt es auch heute schon nicht mehr. Das von Wolfgang Brickwedde so treffend als „Post&Pray“ bezeichnete Rekrutierungsverhalten wohl aber vielfach schon noch.
Ich glaube zwar, dass eine ernstgemeinte Bewerbung immer auch eine gewisse Ernsthaftigkeitshürde zu überwinden haben sollte – weshalb ich den oft so schlagwortig vorgebrachten Ideen zur One-Click-Bewerbung etwas abwartend gegenüberstehe – aber dass auch Unternehmen sich etwas einfallen müssen, um passenden Kandidaten den Weg zu passenden Jobs zu ebnen, ist für mich völlig unstrittig.
Ein im Prinzip uraltes Rekrutierungsinstrument, welches aber speziell in Zeiten der Knappheit aktueller ist denn je, sind Referrals oder Mitarbeiterempfehlungen. Hierzu habe ich mir kurzerhand Sönke Mohr, Geschäftsführer der PBO Personalberatung24 GmbH und einer der Macher hinter der Plattform Kandidat24, zum Interview geschnappt. Also Sönke, wollen wir?
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Hallo Sönke, Ihr seid vor Kurzem mit Eurer Plattform „Kandidat24“ an den Start gegangen. Kannst du uns kurz erläutern, was genau Kandidat24 ist?
Sehr gerne! Unsere Nutzer helfen mit, den besten Mitarbeiter für eine offene Position zu finden. Auf www.kandidat24.de veröffentlichen Unternehmen dafür zunächst kostenlos ihre offenen Stellen. Gleichzeitig loben sie mit jeder Stellenanzeige eine Erfolgsprämie aus. Unsere Nutzer geben dann Empfehlungen ab, wer aus ihrer Sicht perfekt auf die Stelle passen würde. Frei nach dem Motto: „Der beste Kandidat (m/w) sucht nicht, er wird empfohlen!“ Im Erfolgsfall gibt es dann eine Prämie von Kandidat24 – momentan bis zu 5.000 Euro!
Unsere Nutzer sind professionelle Netzwerker, Headhunter, Researcher oder Personalvermittler mit ihren Kontakten und Datenbanken. Ebenso geben „private“ Nutzer Empfehlungen ab, z.B. Bekannte, Freunde und Kollegen. Man könnte es „Social Headhunting“ nennen, auch wenn der Begriff ein wenig zu kurz greift. Die Prämie wird übrigens auch bei Eigenempfehlungen bzw. direkten Bewerbungen ausgeschüttet.
Wenn ich das richtig weiß, dann kommt Ihr ja eigentlich eher aus der – sagen wir mal – klassischen Personalberatung, sprich Executive Search/Headhunting. Wie seid Ihr darauf gekommen, eine Plattform zum Thema „Mitarbeiterempfehlung“ zu machen?
Kandidat24 ist eine Idee, die durch unsere langjährige Erfahrung und Beobachtung in dem Personalberatungsgeschäft entstanden ist.
Das Verhalten der Unternehmen beim Recruiting hat sich in den letzten Jahren verändert. Unter anderem weil die Bewerber qualitativ und quantitativ knapp werden. Der Trend wird sich noch verstärken, wir befinden uns in vielen Bereichen schon in einem „War for Talent“. Social Media ist auch in diesem Zusammenhang in aller Munde. Dass wir in diesem Umfeld eine Art „Social Headhunting“ etablieren, ist da nur konsequent. Wir bieten eine Dienstleistung an, welche eine klassische Personalberatung nicht leisten kann, ohne ihr dabei in Konkurrenz zu treten. Kandidat24 soll für alle Nutzer ein zusätzliches Tool bei der Suche nach Kandidaten sein, gerade für Personalberatungen.
Das Thema Mitarbeiterempfehlung als Recruitinginstrument ist ja kein ganz Neues. Was unterscheidet Kandidat24 von anderen Plattformen wie jobleads?
Die bestehenden Plattformen finde ich persönlich sehr gut. Wir wollen dem KISS Prinzip folgen. Keep it simple, stupid oder anders gesagt, superschlanke Prozesse. Die Abgabe einer Mitarbeiterempfehlung ist kaum komplizierter als einen Kommentar unter Deinem Blogeintrag zu hinterlassen. Wir verzichten bewusst darauf, dass Empfehler vorab einen störenden Registrierungsprozess durchlaufen müssen.
Kandidat24 ist außerdem ein ergänzendes Tool für alle Social-Media-Aktivitäten von Unternehmen und Personalberatungen. Häufig verweisen Unternehmen in ihren eigenen Social-Media-Aktivitäten dann direkt auf die Stellenanzeige bei Kandidat24. Auch werden Unternehmen ihre „Mitarbeiter werben Mitarbeiter – Programme“ zu Kandidat24 bringen und sich damit zusätzlich für Empfehlungen von extern öffnen.
Ihr weist – absolut zurecht, wie ich finde – auf den Unterschied zwischen „Bewerber“ und „Kandidat“ hin. Worin besteht dieser Unterschied für Euch?
Ein Bewerber bewirbt sich mit Anschreiben, Lebenslauf und Zeugnissen bei einem Unternehmen selbst aktiv um einen Job. Ganz klassisch. Unsere Kandidaten werden dagegen von einem Dritten empfohlen. Meistens nur mit dem Namen und einem Link (z.B. XING, LinkedIn), Email-Adresse oder Telefonnummer. Es liegt dann am Unternehmen, aktiv zu werden und mehr Informationen über den Kandidaten einzuholen, Wechselbereitschaft auszuloten, die normalen Bewerbungsunterlagen vom Kandidaten anzufordern und den Kandidaten zu überzeugen. Wenn man es zugespitzt ausdrücken will, bewirbt sich auf einmal das Unternehmen beim Kandidaten.
Active Sourcing, proaktives Recruiting oder auch „Recruiter 2.0“ sind momentan eines der großen Trendthemen im Corporate Recruiting. D.h. auch dort setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass Recruiting nicht länger „Post & Pray“ sein kann – das berühmte Bild von der „Lottofee und dem Waschkorb voll Bewerbungen“ -, sondern Recruiter eigentlich viel stärker „vertrieblich“ denken müssen, um den umworbenen Wunschkandidaten das eigene Unternehmen schmackhaft zu machen. Seht Ihr darin eine Bedrohung für die klassische Personalberatung, deren Domäne ja eigentlich immer genau das war? Ist „Kandidat24“ evtl. sogar Eure Antwort auf diesen Trend?
Nein, eine Bedrohung dafür sehen wir nicht. Ganz im Gegenteil. Die klassische Personalberatung wird durch den Trend, dass potentielle Mitarbeiter abgeworben werden müssen, gestärkt. Recruiter in den Unternehmen haben z.T. nicht das Know-How und/oder die Zeit, den Erstkontakt herzustellen.
Wir sehen den Prozess der Zukunft folgendermaßen: Unternehmen veröffentlichen zukünftig auch Stellenanzeigen mit „Social Headhunting“ Komponente, z.B. bei Kandidat24. Es werden dann von unseren Nutzern Empfehlungen abgegeben. Die mühevolle Identifikation wird damit ausgelagert. Der Personalberater, das Unternehmen selbst oder auch ein Kooperationspartner von Kandidat24 übernimmt dann den klassischen Erstkontakt und macht wie gehabt aus der Longlist eine Shortlist, führt erste Bewerbungsgespräche, usw. Kandidat24 ist also ein Tool, was Unternehmen und Personalberatern gleichermaßen hilft, an den neuen Trends teilzuhaben.
Ihr seid jetzt seit einigen Wochen mit der Plattform online. Gibt es schon echte Erfolgsstories?
Für die kurze Zeit haben wir das Maximale erreicht und wir sind über die Dynamik begeistert. Unternehmen haben innerhalb kürzester Zeit spannende Stellenanzeigen veröffentlicht, dadurch winken schon kurz nach Start insgesamt Prämien im sechsstelligen Bereich und das ganz ohne Werbemaßnahmen. Unsere Nutzer reagieren sehr aktiv mit tollen Empfehlungen. Die ersten Feedbacks der Unternehmen sind außerordentlich positiv.
Zudem haben wir feste Partnerschaften mit Agenturen für Stellenanzeigen geschlossen, über die wir regelmäßig neue Anzeigen bekommen.
Sönke, ich danke dir für das Interview und drücke Kandidat24 fest die Daumen. Bislang haben wir unsere Vakanzen immer noch ohne Vermittlungsprovision besetzt bekommen, aber auch wir spüren „War for Talent“… Wer weiß, vielleicht schalte ich demnächst dann mal eine Anzeige bei Euch… In der Zwischenzeit lasse ich mich mal über Eure Facebook-Seite auf dem Laufenden halten…
Die Idee ist gut, aber nicht neu. Diese gibt es schon bei anderen Anbietern. Ich bin gespannt, wie man sich von den Konkurrenz wirlich abgrenzen will. Damit meine ich nicht nur die Online-Anbieter sondern auch die klassichen Headhunter (siehe auch http://www.headhunter-light.de/top-headhunter-deutschland/)
Kandidaten werden doch mittlerweile von Angeboten überhäuft. Also, ich bin gespannt.
Die Idee ist wirklich nicht neu und es gibt schon einige Varianten davon. Vor allem im Xing sind viele Leute die suchen Immobilien. Wenn man eine empfehlen kann und der Makler auf Xing kriegt den Auftrag, kriegt man eine Provision.
Ich halte nicht viel davon Leute zu bezahlen um einen Tipp weiterzugeben bzw. jemanden zu empfehlen. Da könnte ich ja gleich hergehen und ein ganzes Unternehmen von intern her versuchen abzuwerben.
Ich denke, dass es nicht umsonst eine Code of Ethik auch bei Headhuntern gibt. Schließlich sollte ich wissen wovon ich rede.
Markus Baldauf
Personalberatung
Hallo,
habe eine tolle Möglichkeit gefunden unkompliziert Kontakt zu Mitarbeitern spannender Unternehmen zu finden bzw. sich selbst als Kontakt anzubieten.
Schaut es euch mal an: bringafriend-now.de
VG
Toller Beitrag über Headhunting. Sehr informativ und interessant. :)