Online-Tests aus Sicht der Arbeitnehmervertretung

In Deutschland sind Vorbehalte gegenüber dem Einsatz eignungsdiagnostischer Testinstrumente zu Zwecken der Personalauswahl oder -beurteilung tendenziell größer ausgeprägt als in anderen Ländern. Im angelsächsischen Bereich ist der Einsatz derartiger Testinstrumente selbstverständlicher. So führen dort zahlreiche Hochschulen Studierfähigkeittests bereits im Rahmen ihrer Auswahlprozesse durch, so dass es oft auch keinen mehr überrascht, wenn das Unternehmen im Zuge ihrer Recruitingprozesse auch tun. Dies reicht dort oft bis ins Top-Management: Carly Fiorina, Ex-Chefin von Hewlett-Packard, musste sich so z.B. vor ihrer Nominierung einer zweistündigen Prüfung mit 900 Ja/Nein-Fragen unterziehen (siehe Sarges / Wottawa).

Neben kulturell-historischen Begründungen (hier wird häufig die totalitäre Vergangenheit Deutschlands und die daraus resultierende Angst vor allem was allzu “persönlich misst” angeführt) ist sicherlich einer der Gründe hierfür in der deutschen Mitbestimmung zu sehen. In vielen Unternehmen gibt es insb. auf Seiten der Arbeitnehmervertretung große Vorbehalte gegen Tests. Fragt man nach den Gründen, so wird oft zwischen den Zeilen eine gewisse Angst dahingehend geäußert, dass die Testergebnisse “am Ende gegen den Mitarbeiter” verwendet würden und dass das berufliche Schicksal des Mitarbeiters von einer nicht nachvollziehbaren Bewertung – gleichsam in einer Blackbox entstanden – abhängt.

Nun, man muss definitiv festhalten, dass die Ressentiments – nicht nur bei Unternehmen allgemein, sondern insb. auch bei Betriebsräten und Jugendarbeitnehmervertretungen – deutlich abnehmen. Vielleicht liegt dies ja auch an einigen der nachfolgend aufgeführten Argumente, erkennt man doch hieran sehr deutlich, dass Eignungsdiagnostik nichts (aus Arbeitnehmersicht) schlimmes ist, sondern ganz im Gegenteil zahlreiche Argumente PRO Arbeitnehmer sprechen. Die folgende Aufstellung stammt aus dem Fachbuch “Personalauswahl und -entwicklung mit Persönlichkeitstests” aus der Reihe Praxis der Personalpsychologie von R. Hossiep und O. Mühlhaus (Hogrefe, Göttingen, 2005, S. 84-85):

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Möglicher Vorbehalt: Persönlichkeitstests greifen in die Privat-/Intimsphäre ein.

Argument: Nein, ein berufsbezogener Persönlichkeitstest berührt die Intimsphäre nicht, sondern beschränkt sich auf berufsrelevante Teilaspekte der Persönlichkeit.

Möglicher Vorbehalt: Der Persönlichkeitstest hat nichts mit beruflichen Aufgaben des Teilnehmers zu tun.

Argument: Durch Auswahl eines berufsbezogenen Persönlichkeitstests kann der Zusammenhang aufgezeigt werden. Dazu können Beispiel-Fragen gezeigt werden.

Möglicher Vorbehalt: Persönlichkeitstests offenbaren Teile der Persönlichkeit, die der Teilnehmer gar nicht offenbaren will.

Argument: Seriöse berufsbezogene Persönlichkeitstests liefern lediglich ein standardisiertes Selbstbild und können daher nicht mehr zeigen, als der Teilnehmer zuvor selbst beantwortet hat.

Möglicher Vorbehalt: Das Ergebnis des Persönlichkeitstests überlagert den Einfluss der betrieblichen Leistungen bei Personalentscheidungen.

Argument: Die Bedeutung des berufsbezogenen Persönlichkeitstests als ergänzendes Instrument im jeweiligen Prozess sollte verdeutlicht werden. Der ergänzende Charakter des Tests ist zu erläutern.

Möglicher Vorbehalt: Das Ergebnis des Persönlichkeitstests kann die Chancen des Teilnehmers verringern.

Argumente:
– Im Gegenteil ist der Einsatz des berufsbezogenen Persönlichkeitstests dazu angetan, die Objektivität von Personalentscheidungen zu erhöhen (Reduzierung des Nasefaktors durch weitere Informationsquellen, Reduzierung von Willkür).
– Der berufsbezogene Persönlichkeitstest bietet Mitarbeitern die Chance, ihre persönlichen Stärken darzustellen.
– Ein seriöser berufsbezogener Persönlichkeitstest kann dazu beitragen, die Fairness und Objektivität bei Personalentscheidungen zu erhöhen.

Möglicher Vorbehalt: Das Ergebnis des Persönlichkeitstests kann der beruflichen Laufbahn der Teilnehmer Schaden zufügen.

Argument: Hier kann eine Einigung über die Verwendung des Ergebnisprofils getroffen werden, bei der der Teilnehmer (auch) selbst das Profil erhält. Alternativ kann z.B. vereinbart werden, dass das Ergebnis beim durchführenden Diplom-Psychologen verbleibt.

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Es ist als Fazit nämlich festzuhalten, dass Tests natürlich “nicht die Entscheidung übernehmen”. Ein guter Test liefert immer nur eine zusätzliche Perspektive auf eine Person (neben anderen Informationsquellen). Wie dann der Personaler (m/w) mit dieser zusätzlichen Information umgeht, liegt natürlich weiterhin bei ihm/ihr, nicht beim Test.

Aber – und das ist ja ein zentrales Anliegen des Arbeitnehmerschutzes – der Test liefert einen objektiven Befund. Per Definiton kann ein Test nicht von subjektiven Kriterien wie Sympathie oder diskriminierungsrelevanten Aspekten wie Ethnie oder Geschlecht des Teilnehmers beeinflusst sein (wohlgemerkt: gute Tests…), womit Tests die Fairness der Personalentscheidung insg. erhöhen. Schneidet z.B. die weibliche Bewerberin mit Migrationshintergrund im Tests als “bestpassende” Kandidatin ab, so wird es für den “bösen” Personaler (…) natürlich erheblich schwerer, ihr unbillig den Job zu verweigern…

3 Gedanken zu „Online-Tests aus Sicht der Arbeitnehmervertretung

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